Angedacht: „Ist das Kunst oder kann das weg?“

131
Pfarrerin Dr. Annette Müller, Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Heiden

Für viele Menschen spielen Kirche und Glauben kaum noch eine Rolle im Alltag. Aber in dieser Woche fällt einigen doch angenehm auf, dass der Freitag ein Feiertag war. Auch der Montag wird ein Feiertag sein. Ein Hoch auf Karfreitag und Ostern!

Aber jetzt mal im Ernst: Wer braucht diese Feiertage eigentlich noch? Karfreitag ist ein sogenannter „stiller Feiertag“. In der katholischen Tradition schweigen an diesem Tag die Glocken und die Orgeln.

Wenn daran gedacht wird, wie Jesus vor rund 2.000 Jahren am Kreuz starb, soll es leise zugehen und respektvoll. Den evangelischen Kirchen galt Karfreitag lange Zeit als höchster Feiertag. Aber wie ist das inzwischen?

Mir ist der Karfreitag heilig. Wobei ich zugeben muss, dass sich mir seine Bedeutung erst allmählich erschließt. Zu sperrig ist das Kreuz, an dem Jesus hingerichtet wurde. Die überlieferten Deutungen gehen mir eher zögerlich über die Lippen.

Aber was ich erahne, ist: Da hat jemand gelebt und gelitten, um die Risse in unseren Seelen zu heilen, auch die Risse in unseren Familien, in unserer Gesellschaft und in unserer Welt. Um Versöhnung ging es an diesem stillen Feiertag gestern.

Mir ist auch Ostern heilig, weil dieses Fest von einer wunderbaren Verwandlung erzählt. Davon, dass sich auch ausweglos erscheinende Situationen tiefgreifend ändern können hin zum Guten.

Ich liebe den Gottesdienst am Ostersonntag um 6 Uhr in der Frühe, wenn die Amseln zögernd zu singen beginnen und wir eine flackernde Osterkerze in die dunkle Kirche hinein tragen. Wenn die Gemeinde singt „Christ ist erstanden“, habe ich Gänsehaut von Kopf bis Fuß. Dann ist mir feierlich zumute – auch wenn die Auferstehung Jesu geheimnisvoll ist und bleibt.

Ostern steht dafür, dass die Hoffnung nicht totzukriegen ist. Und sag jetzt mal einer, dass wir Hoffnung nicht nötig hätten? Vielleicht ist es naiv, an die Auferstehung zu glauben. Aber es gibt schlimmere Vorstellungen als die, dass auch unsere Verstorbenen geborgen sind in Gottes Liebe.

Kirchen bieten Raum zum Atmen. Kirchen öffnen die Seele und berühren etwas tief im Inneren. Und im Gottesdienst sind auch diejenigen willkommen, die einfach nur mal hereinschauen wollen.

In den Gottesdiensten kann man die eigenen Sorgen heimlich hinein beten in die öffentlich gesprochenen Worte und vielleicht erleben: Ich gehe leichteren Herzens heraus aus der Kirche als ich hineingegangen bin!

An Ostern in die Kirche zu gehen, ist ein Erlebnis. Berührende Musik und Texte voller Tiefe und Sinn haben ihren Ort in Gottesdiensten und Konzerten dieser Tage. Es könnte auch eine Zeit sein, die Ihrer Seele guttut! Probieren Sie es aus, Sie haben nichts zu verlieren!

Gesegnete Tage wünscht Ihnen

Pfarrerin Dr. Annette Müller