Angedacht: Sie geben nichts von sich selbst – Gedanken zur Bergpredigt

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Pastorin Sabine Hartung. Fotorechte: Sabine Hartung

Nun neigt sich dieses Schuljahr seinem Ende entgegen. Bald sind Ferien. Endlich! Und: In diesen Wochen plane ich die Themen für das kommende Jahr. Und so beschäftigte ich mich einmal mehr mit der Bergpredigt. Nach Aussage des Matthäusevangeliums hielt Jesus diese große Rede auf einem Berg. Der Berg war in Gottes Volk Israel von alters her der Ort, an dem Gott sich zeigte mit seiner wohltuenden, zuwendenden und zuweilen auch herausfordernden und zumutenden Botschaft.

Herausfordernd und zumutend: So zeigen sich die Worte der Bergpredigt an vielen Stellen. Sie wollen nicht nur Licht sein, sind sie auch Salz: Sie brennen in den Wunden, sie reinigen, sie nähren und sie konservieren das Gute, das die Gemeinschaft schützt. Bis heute. Die Bergpredigt liest in uns, wie in einem Buch. Sie durchschaut uns. Sie sagt uns, wer wir zuweilen sind.

Darin zeigt sie sich mutig, kompromisslos und eben auch wie Salz in unseren Wunden. An mehreren Stellen spricht sie von den „Heuchlern“. Die „Heuchler“ lassen ihr Fähnchen nach dem Winde wehen und handeln stets so, dass sie in den Augen der Menschen gut dastehen und in ihrem Leben entsprechend weiterkommen. Für die „Heuchler“ sind Inhalte austauschbar. Das Herz der „Heuchler“ schlägt immer für das, was sie vor den Menschen gerade weiterbringt und dann ist es auch schon wieder vorbei.

Die „Heuchler“ benutzen, anstatt zu lieben. Die „Heuchler“ geben nie etwas von sich selbst, denn das würde sie durchschaubar machen. Sie würden kalkulierbar. Sie würden berechenbar. Sie würden sich festlegen. Die „Heuchler“ verschenken sich nie. Sie wissen nicht, was Hingabe ist. „Heuchlern“ ist nichts heilig. „Heuchler“ benutzen das Heilige. Zu den „Heuchlern“ heißt es: „Sie haben ihren Lohn schon empfangen.“ (Mt 6,2.5.16)

Die „Heuchler“, die der Verfasser der Bergpredigt vor Augen hat, bekommen die Anerkennung der Menschen, die zu ihrer Zeit in den Strukturen ihrer Religion und ihres Landes etwas zu sagen hatten. Diese menschliche Anerkennung ist den „Heuchlern“ sicher. Diese menschliche Anerkennung ist ihr „Lohn“. Die Bergpredigt sagt: Niemand empfängt einen zweifachen Lohn.

Neben den „Heuchlern“ spricht die Bergpredigt von den Reinherzigen, den Friedenstiftern und denen, denen auch schon einmal ihre Lebenskraft ausgeht. Sie spricht von denen, die den Mut haben, zu trauern und von denen, die vergessen und übersehen werden im großen Kalkül dieser Welt. Diese Menschen werden ermutigt, an Gott als ihrer Inspiration und Kraftquelle festhalten. Denn sie gehören zu seiner neuen Welt.

Diese Menschen verschenken sich im Verborgenen ohne Kalkül, mit einem reinen Herzen an Gott, an das Leben und seine Herausforderungen. Gott verspricht ihnen seine liebevolle, zärtliche und heilsame Zuwendung. Und: Das Echte und Unverzweckte, das Hingebungsvolle, das Treue und Reinherzige bleibt Gott nicht verborgen.

Er sieht es. Er staunt darüber und freut sich daran. Gott legt seinen Segen dazu. Er beschenkt die Echten und die Hingebungsvollen mit einer reinen und klaren Lebendigkeit. Und diese Lebendigkeit ihrer Herzen wird ihnen zu ihrem Reichtum. Sie ist ihnen ihr voller Lohn. Fernab von allem Kalkül, aller Wetterwendigkeit und aller Strategie.

Zuweilen wundere ich mich über Menschen und darüber, was sie so sagen, schreiben und wie wetterwendisch sie sich darin geben. Und manchmal bin ich dann ganz kurz enttäuscht. Und ich denke: Nein, da war keine Echtheit, keine Treue, keine Liebe, keine Hingabe. Da war nur ein schwächliches und durchschaubares Kalkül für die Umsetzung der nächsten Menschenpläne.

Dann denke ich an die Worte der Bergpredigt. Und ich vertraue darauf: Das Echte, das im Verborgenen geschieht, ist durchdrungen von Gottes Kraft! Gott sieht es! Gott nährt es! Gott gibt uns ein Herz, das eben nicht darüber hinweglebt! Im Eintauchen in dieses Versprechen der Bergpredigt spüre ich: Meine Enttäuschungen lösen sich auf, sie verflüssigen sich, sie werden unwichtig und das Leben beginnt wieder neu zu fließen. Das ist dann Geschenk. Und ein Neuwerden. Und ein Glück. Gott sei Dank.