Teil 2: LWZ bei „Rock am Ring“ – Harte Bässe, sanfte Besucher

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Papa Roach heizen den Fans am zweiten Tag von „Rock am Ring“ mächtig ein. Foto: Annette Heuwinkel-Otter

Kreis Lippe/Detmold/Nürburgring. Europas größtes Rock-Festival, das muss man gesehen haben. Das dachte sich auch Annette Heuwinkel-Otter und reiste für die LIPPISCHE WOCHENZEITUNG an den Nürburgring zu „Rock am Ring“. Was die gebürtige Detmolderin dort erlebte, verrät sie den LWZ-Lesern exklusiv in ihrem Erlebnisbericht.

Tag Zwei. 9.30 Uhr aufgewacht. Mir dröhnt der Kopf. Diese laute Musik über Stunden ist doch gewöhnungsbedürftig. Wie kommen wir hin und her, denke ich, das müssen wir heute Vormittag klären, denn ab Samstagmittag dürften die Geschäfte zu sein. Helena wird auch munter. Einen Kaffee trinken, danach ist uns jetzt.

Zuerst gehen wir jedoch in die Touristeninformation. Dort erfahren wir etwas zum Fahrradverleih, Öffnungszeiten, Frühstücksmöglichkeit und bekommen Telefonnummern von privaten Shuttle-Service-Anbietern. Das ist Gold wert. Entspannt gehen wir zum Bäcker und frühstücken.

Wir entschließen uns, einen Shuttle-Service anzurufen und vereinbaren einen Abholtermin um 17 Uhr. Das klappt wunderbar und wir lernen Uli kennen. Uli sagt: „An diesen Eventtagen ist hier Chaos. Deshalb gibt es private Anbieter, die oft mit Taxiunternehmen kooperieren. Sonst ist das nicht zu schaffen.

Busverbindungen zum Nürburgring gibt es leider nicht. Das ist seit Jahren bekannt, aber es ändert sich nicht.“ Ähnliches hatten wir auch schon von Anwohnern und im Tourismusbüro gehört. Helena fragt: „Kannst du uns heute Nacht eventuell auch abholen?“ Uli entgegnet: „Würde ich schon machen aber, ob wir uns finden und ich Zeit habe, kann ich nicht garantieren. Ihr könnt mich anrufen. Ansonsten sprecht einfach Fahrer an.“

Über den Südeingang gehen wir auf das Gelände. Der Weg ist gesäumt von Zelten und Verkaufsständen: Tattoos, Shirts, Schmuck, Essen, Getränke. Zudem wurde ein mobiler Supermarkt aufgebaut. Der Einlass wird kontrolliert, die Leute strömen in den Markt. Das Geschäft lohnt sich. Wer auf das Gelände, zu den Tribünen will, wird ebenfalls kontrolliert. Rucksäcke dürfen mitgenommen werden, aber kein Essen oder Getränke. Klar, es geht nicht nur um Musik, es geht auch ums Geschäft.

Helena und ich laden unsere Bändchenchips auf. „Um 17.40 Uhr spielen ‚Hollywood Undead, das will ich nicht verpassen“, sagt Helena und ergänzt: „Evanescence‘ kommen zum Schluss, bis um 1.45 Uhr.“ Damit ist der Fahrplan klar, auch für mich. Nach „Hollywood Undead“ wollen wir uns treffen und etwas essen, gegebenenfalls gemeinsam mit Tim und den anderen.

Papa Roach heizen den Fans am zweiten Tag von „Rock am Ring“ mächtig ein. Foto: Annette Heuwinkel-Otter

Helena und ich drängen uns gemeinsam mit tausenden Menschen auf den Platz vor der Bühne. Sie will weiter nach vorne, ich gehe mit. Die Techniker probieren herum: Schrille, laute Töne dringen in meine Ohren. Plötzlich dröhnen die Bässe, meine Körper vibriert. Es fühlt sich an, als ob die inneren Organe in Schwingungen versetzt werden. Ich schaue Helena an, sie lacht. Einige Fans um uns herum nutzen Ohrstöpsel. Ok, das wird hart, überlege ich noch kurz und dann geht es schon los.

Zwei Songs gönne ich mir zwischen den tanzenden, mitsingenden und rhythmisch zuckenden Menschen, dann gehe ich zu dem verabredeten Treffpunkt, zu dem Helena später auch kommen will. Mit etwas Abstand verfolge ich die gleichmäßigen Bewegungen der Menschenmassen.

Ich mache viele Fotos und versuche Tim zu erreichen. Kein Glück, er antwortet nicht. Helena kommt angestürmt, strahlend. „Hast du mich gesehen? Ich habe mich von der Menge nach vorne tragen lassen. Ein Typ hat mich gefragt, ob ich will. Ich habe es gemacht, habe mich einfach fallen lassen.“ „Hattest du keine Angst?“, frage ich. „Nein, das war toll!“ Crowdsurfing, ich bin platt.

Tim erwischen wir an diesem Tag nicht. Er meldet sich kurz und schreibt, sein Handy sei nicht in Ordnung, es sei heruntergefallen. Vielleicht zu viel Flüssigkeit getankt, wer weiß, muss ich in mich hineinlachend denken. Klar, richtig abfeiern, das wollen eigentlich alle. Und auf den Campingplätzen geht es richtig rund.

Da wird die ganze Nacht gefeiert und sehr viel getrunken. Die Auswirkungen sind auf dem Gelände sichtbar. Viele Leute liegen am Rand oder auch irgendwo mittendrin, schlafend. Dreck, Staub, über sie hinweg steigende Menschen, nichts stört ihren Schlaf.

Helena hat Bands, die sie unbedingt sehen und hören will. Wir verabreden uns immer wieder an verschiedenen Treffpunkten. Ich habe den Rucksack dabei mit warmen Klamotten, sie rockt mit der Menge. Ich arbeite, fotografiere, spreche mit Leuten. Sie tanzt, springt, singt, schreit mit den anderen. Was uns beiden auffällt, egal wo wir unterwegs sind, ist die gute Stimmung, an den Verkaufsständen, die Freundlichkeit der Fans und Ordner.

Oft hört man ein „Danke“ oder „Entschuldigung“. Rücksichtnahme, aufeinander aufpassen und das auf einer feiernden Massenveranstaltung, mit angetrunkenen, zum Teil stark alkoholisierten Menschen, das überrascht. Die Zeit vergeht schnell. Wieder wird es kühl und wir sind froh, warme Jacken dabei zu haben. So gegen zwei Uhr verlassen wir das Gelände. Die Straße ist abgesperrt.

Wir laufen ungefähr 20 Minuten auf dem Standstreifen entlang und versuchen Uli zu erreichen. Er sagt, es dauert bei ihm noch eine halbe Stunde. Uns ist kalt, wir gehen weiter bis zur Absperrung und finden ein Taxi, beheizt. Uli geben wir Bescheid, damit er nicht umsonst nach uns sucht. Müde sind wir beide nicht, eher aufgekratzt. In der Unterkunft: bettfertig machen, noch etwas reden und dann doch einschlafen, so gegen 4 Uhr. (ah)

Teil drei folgt in der kommenden LWZ-Ausgabe am 1. Juli.