Trauriger Rekord: Kindeswohlgefährdung im Kreis Lippe steigt auf Allzeithoch

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Dr. Dennis Maelzer, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Kinderschutz, fordert eine unabhängige Studie, um die hohe Zahl an Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdung zu untersuchen. Foto: SPD

Kreis Lippe. So häufig wie nie zuvor mussten die lippischen Jugendämter im vergangenen Jahr Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung prüfen – mehr als 1.100 Mal.

Das erschreckende Ergebnis: Jeder vierte Fall offenbart eine mindestens latente Gefahr des Kindeswohls, bei rund 40 Prozent stellte das Jugendamt einen Hilfebedarf fest.
„Die Zahlen sind alarmierend. Auch wenn jeder Fall an Kindeswohlgefährdung, der aufgedeckt wird, ein Zeichen dafür ist, dass die Systeme greifen, so ist dieses Ausmaß doch erschreckend“, sagt der familienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Dennis Maelzer.

„Im Fünf-Jahres-Vergleich hat sich die Zahl der Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung in Lippe von 511 auf 1.101 mehr als verdoppelt. Nach Angaben von IT.NRW sind die Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen 2022 auf dem Höchststand“, ergänzt er.

Eine akute Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn das Kind einen erheblichen Schaden erleidet oder sogar das Leben bedroht ist. Dazu zählen körperliche und sexuelle Misshandlungen. Aber auch psychischer Druck und Vernachlässigung kann lebenslange Narben hinterlassen und stellt eine Gefährdung dar.

147 Mal sahen die lippischen Jugendämter im vergangenen Jahr akute Kindeswohlgefährdung in Familien gegeben. Gleichzeitig ging die Zahl der Fälle, bei denen letztlich kein Eingreifen notwendig wurde, zurück. „Gerade in Lippe scheint die Sensibilität für Kinderschutz zu wachsen. Ein Großteil der Meldungen kommt von Institutionen wie Polizei, Schule oder Kita. Ich bin allen Beteiligten, die genau hinsehen, ebenso wie den Jugendämtern sehr dankbar“, sagt Maelzer.

NRW-weit sieht es ähnlich aus

Im Kreis Lippe sieht es ähnlich aus, wie in ganz Nordrhein-Westfalen. Fast 57.000 Mal mussten die Jugendämter im vergangenen Jahr entsprechende Fälle prüfen. Auch das ist ein trauriger Rekord. Weshalb die Zahlen seit 2020 so stark steigen ist bisher unklar.

„Leider scheint die Entwicklung dieser hohen Zahlen seit Beginn der Corona-Pandemie nicht zu sinken. Wir müssen wissen, ob der Höchststand an Meldungen auf ein gestiegenes Bewusstsein oder auf einen tatsächlichen Anstieg der Gewalt und Gefährdungen zurückzuführen ist“, unterstreicht der SPD-Politiker und ergänzt: „Darum braucht es jetzt eine unabhängige Studie durch das Land, um die hohen Fallzahlen aufzuklären.“

Wie IT.NRW berichtetet, ist in fast 14.500 Fällen entweder eine latente oder sogar eine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt worden. Landesweit wurde in 19.670 Fällen keine Kindeswohlgefährdung, aber ein Hilfebedarf festgestellt. In 22.833 Verdachtsfällen lag weder eine Kindeswohlgefährdung noch ein Hilfebedarf vor. (lwz)