Pikantes Ergebnis: Lipper schieben drei Millionen Überstunden

19
Rund drei Millionen Überstunden haben die Lipper im Jahr 2023 geleistet, davon allein 34.000 im Gastgewerbe. Foto: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Kreis Lippe. Es ist der „Fleiß-Pegel“ des Kreises Lippe: Rund 2,97 Millionen Überstunden haben die Menschen im Kreis Lippe im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz zusätzlich geleistet. Davon 1,63 Millionen Arbeitsstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ des Pestel-Instituts hervor.

Die Wissenschaftler haben dabei die „Plus-Stunden im Job“ im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) untersucht. Ein pikantes Ergebnis aus dem „Überstunden-Monitor“: „Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Kreis Lippe durch unbezahlte Mehrarbeit rund 23,41 Millionen Euro ‚geschenkt‘. Und das ist schon äußerst sparsam – nämlich nur auf Mindestlohn-Basis – gerechnet“, sagt Thorsten Kleile von der NGG Ostwestfalen-Lippe. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den „massiven Fachkräftemangel“.

„Allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten leisteten die Beschäftigten im vergangenen Jahr im Kreis Lippe rund 34.000 Überstunden. 14.000 davon ohne Bezahlung – quasi umsonst“, sagt das Pestel-Institut. Die Wissenschaftler haben bei ihrer Untersuchung aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung ist die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur vom Kreis Lippe.

Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Ostwestfalen-Lippe: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die „Goodwill-Überstunden“ ihrer Beschäftigten bauen. „Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat. Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen“, sagt Thorsten Kleile. Konkret peilt er dabei für die Zukunft einen „Gastro-Start-Lohn“ von 3.000 Euro brutto pro Monat für alle an, die in der Hotellerie und Gastronomie nach ihrer Ausbildung in einem Vollzeit-Job weiterarbeiten. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen und Gastro-Beschäftigte nach ihrer Ausbildung in der Branche zu halten.

Das Gastgewerbe erlebe gerade einen regelrechten „Fachkräfte-Schwund und Mini-Job-Schub“. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar: „Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen“, berichtet der Geschäftsführer der NGG Ostwestfalen-Lippe. Mittlerweile seien 58 Prozent der Gastro-Beschäftigten im Kreis Lippe Minijobber.

Der Fachkräftemangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie werden auch ein Schwerpunktthema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen sein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird. (lwz)