Du blöde Sau! Darum gelten Schweine dennoch als Glücksbringer

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Arbeitet tagtäglich mit Glücksbringern: Matthias Petig freut sich über Nachwuchs bei den Schwäbisch-Hällischen Schweinen. Foto: Karen Hansmeier

Kreis Lippe. Sie wälzen sich angeblich dauernd im Dreck, grunzen und schnaufen und werden gerne für Beleidigungen herangezogen: Schweine. Als „alte Sau“ oder „Ferkel“ bezeichnet zu werden, ist wenig schmeichelhaft.

Trotzdem erleben die Tiere zum Jahreswechsel stets aufs Neue einen Popularitätsschub. Einen positiven, wohlgemerkt. Denn allenthalben werden sie als Glücksbringer überreicht. Wie passt das zusammen?

„Schwein haben“

„Bis ins 20. Jahrhundert hinein konnten die Menschen von Glück sprechen, die ein Schwein besaßen – vor allem in Not- beziehungsweise Kriegszeiten. Besaß man ein Schwein, dann konnte man sich glücklich schätzen, da man das ganze Jahr etwas zu essen hatte. Wurst wurde eingekocht, geräuchert, Fleisch gepökelt oder getrocknet.

Das Schwein war gewissermaßen eine Nahrungsreserve“, weiß Dr. Imke Tappe-Pollmann, Referentin für Volks- und Landeskunde im Lippischen Landesmuseum. Von alters her gilt das Borstentier mit Ringelschwanz als Symbol des Wohlstands und der Fruchtbarkeit. Wenig verwunderlich, denn eine Sau kann mindestens zweimal pro Jahr Nachwuchs bekommen – pro Wurf etwa zehn Ferkel.

Schweine benötigen kein teures Futter und sind bereits mit etwa sechs Monaten schlachtreif. So bedeutete der Besitz eines Schweines Reichtum: Erst recht, wenn es überdies gar nach Trüffeln schnüffelte. Wer „Schwein hat“, der hat eben Glück. So auch etwa derjenige, der bei Wettspielen verlor und als Trostpreis ein Ferkel erhielt. „Der hat Schwein gehabt“ hieß es dann.

Schweineglück in Bega

Einer, bei dem „Schweineglück“ nicht nur an Silvester Bedeutung hat, ist Landwirt Matthias Petig. Auch wenn die Borstentiere den meisten Landwirten in den zurückliegenden Monaten weniger Glückstage bescherten, sondern eher die Sorgenfalten auf die Stirn trieben – der Sauenzüchter aus Bega genießt es sichtlich, „Schwein zu haben“.

Und das nicht zu knapp: Rund 4.000 Ferkel kommen jährlich in seinem Betrieb auf die Welt. Anfang 2023 hat er komplett auf Bio-Landwirtschaft umgestellt. Glück für die Glücksbringer: Bedeutet dies doch unter anderem viel Platz für freie Bewegung in Innen- und Außenbereichen sowie ein hohes Maß an Lebensqualität für die rund 190 Zuchtsauen und ihren Nachwuchs.

„Die Arbeit mit den Tieren macht mir Riesenspaß. Sie ist immer wieder herausfordernd und zugleich beglückend“, strahlt der promovierte Agraringenieur, dem die Begeisterung für seinen Beruf ins Gesicht geschrieben steht.

So niedlich die Ferkel mit ihren kleinen Rüsselnasen und den überproportional groß wirkenden Ohren auch ausschauen: Ein lebendes Borstentierchen zu Silvester zu verschenken, wie es in früheren Zeiten Tradition war, das kommt wohl heutzutage für die wenigsten Menschen infrage.

„Stattdessen kommen seit den 1920er-Jahren verstärkt Postkarten mit Glücksbringern auf“, erläutert Dr. Tappe-Pollmann. Oder aber man überreicht zu Neujahr ein Schweinchen aus rosa Marzipan, das meistens noch mit weiteren Glückssymbolen versehen ist, zum Beispiel einem Hufeisen oder vierblättrigen Kleeblatt im Maul.

Denn: Doppelt hält besser. Auch dann, wenn heute wohl weniger Aberglaube hinter den Glücksbringern steckt, als vielmehr der Wunsch nach guten Sozialkontakten. Aber wer weiß. (kh)