Waldzustandsbericht 2023: Deutscher Wald leidet weiter

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Abholzung aufgrund des Eschentriebsterbens in Niewald im Jahr 2020. Foto: Annette Heuwinkel-Otter

Kreis Lippe. Jeder vierte von fünf Bäumen in Deutschlands Wäldern ist krank. Lichte Kronen, Blatt und Nadelverluste, abgestorbene Bäume aufgrund von Dürre, Hitze und Borkenkäferbefall. Es gibt leider keine Verbesserung des Waldzustands mit Blick auf die zurückliegenden Jahre.

Der Kreis Lippe besitzt rund 580 Hektar Waldflächen, verstreut über das Kreisgebiet. Zwischen Oerlinghausen und Augustdorf befindet sich das größte zusammenhängende Gebiet – das Naturschutzgroßprojekt Senne. Allerdings sind auch dort die Waldschäden unübersehbar.

Ein breiter Waldumbau ist notwendig zum Schutz unserer Kinder und Kindeskinder, erklärte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, unlängst bei der Vorstellung des Waldberichts. In diesem Jahr stellt die Bundesregierung den Waldbesitzern 250 Millionen Euro dafür zur Verfügung. Eine Summe, die wohl auch in den kommenden Jahren notwendig sein wird, erklärte Özdemir.

Aufforstung mit Setzlingen im Jahr 2024 in Niewald. Foto: Annette Heuwinkel-Otter

2022 waren bei etwa jedem dritten Baum die Kronen stark gelichtet. Insgesamt gab auch 2023 keine deutlichen Verbesserungen des Waldzustands, allerdings auch keine deutliche Verschlechterung im Vergleich zu 2021. Ein Lichtblick ist das nicht. Özdemir bezeichnete den deutschen Wald als Dauerpatienten.

Kranke Bäume – krankmachende Temperaturen

Seit 1984 erfolgt die jährliche Untersuchung von den Ländern durch Stichproben. Ab Mitte Juli bis Mitte August wird die Blattmasse der Kronen beurteilt und vier Schädigungsstufen zugeordnet. Im Jahr 2023 wurden 9688 Bäume in 402 Untersuchungsräumen begutachtet. Die Daten rechnet das bundeseigene Thünen-Institut zu einem deutschlandweiten Ergebnis hoch.

Die Temperatur in Deutschland ist nach Berechnungen des Deutschen Wetterdienstes seit der vorindustriellen Zeit um 1880 statistisch gesichert um 1,6 Grad gestiegen. Die Temperaturen hierzulande sind deutlich stärker gestiegen als im weltweiten Durchschnitt (etwa 1,2 Grad). Diese Dynamik des Klimawandels fordert seinen Preis.

2023 waren über alle Arten hinweg deutliche Baumschäden sichtbar. Demnach wiesen im vergangenen Jahr 36 Prozent der Bäume Schäden auf, im Jahr 2022 waren es 35 Prozent. Mehr als ein Viertel der Krone war bei diesen Bäumen kahl, verglichen mit gesunden Bäumen. Zur Warnstufe mit einer Kronenverlichtung von 11 bis 25 Prozent gehören wie im Jahr 2022 weiterhin 44 Prozent der Bäume. 20 Prozent hatten noch volle Kronen, 2022 waren es 21 Prozent.

Waldumbau – Unterstützung durch neues Bundeswaldgesetz

Landwirtschaftsminister Özdemir bereitet eine Reform des fast 50 Jahre alten Bundeswaldgesetzes vor. Mehr Klimaschutz mit wirtschaftlichen Perspektiven für Waldbesitzer soll vereint werden.

Ein Umbau des bisherigen Waldbestands ist notwendig, denn es sind vor allem die über 60 Jahre alten Bäume von Schaderscheinungen betroffen. Allerdings zeigt sich auch bei den jüngeren Bäumen ein negativer Trend, heißt es in dem Bericht. Deshalb wird nachgepflanzt und der Ansatz verfolgt, Monokulturen in gemischte Wälder zu verwandeln, um so die Risiken abzuschwächen.

Die Meinungen zum erforderlichen Waldumbau sind einhellig, aber über das Wie gehen sie auseinander. Der WWF erklärte, ein wichtiger Grund der Misere sei, der Wald wurde jahrzehntelang vor allem als schneller Holzlieferant gesehen, damit müsse nun Schluss sein. Greenpeace ließ verlauten, Özdemir habe die historische Chance, das bestehende „Abholz-Gesetz“ in ein „Waldschutz-Gesetz“ zu überführen.

Der Naturschutzbund forderte ein Kahlschlag- und Entwässerungsverbot, mit Blick auf den Klimawandel. Der Verband der Waldeigentümer erklärte, nicht die rechtlichen Bedingungen seien die Ursache der Schäden, sondern der Klimawandel. Zusätzliche Regulierung, die den notwendigen Waldumbau lähmen, brauche es nicht. Wie die Beteiligten zusammenkommen werden, bleibt spannend.

Kreis Lippe – Folgen des Klimawandels und Waldmanagement

Im August 2020 erklärte der Kreis Lippe auf seiner Website: „Die lippischen Wälder haben in den vergangenen Jahren stark unter Dürre und der Verbreitung des Borkenkäfers gelitten. Diese Entwicklung wirkt sich nun auch auf das Naturschutzgroßprojekt (NGP) aus. Viele Fichten sind auf dem Gebiet in der Senne und im Teutoburger Wald abgestorben. Vitale Flächen gibt es kaum noch.“

Hinzu kommen Baumkrankheiten hervorgerufen durch Pilze oder Schädlinge, wie das Eschtriebsterben ausgelöst durch einen Pilz namens „Falsches Weißes Stengelbecherchen“, die ebenfalls ihren Tribut fordern. Das derzeitige Klima fördert vielfach die Ausbreitung von Schädlingen und damit die Baumschäden.

Das war auch der Försterin Vanessa Rothkegel klar, als sie im März 2022 bei dem Kreis Lippe ihren Arbeitsplatz antrat. Rothkegel ist zuständig für die kreiseigenen Wälder und die Schutzgebiete im Südwesten, zu denen die Senne, der Teutoburger Wald, Leopoldshöhe und Oerlinghausen gehören.

Sie wusste, dass ihre Arbeit künftig durch die Folgen des Klimawandels geprägt sein wird und erklärte: „Ich bewerte, wo der Wald sich aus eigener Kraft verjüngen kann und wo er Hilfe braucht. Außerdem stellt sich die Frage, wie man mit den zurückgehenden Holzerträgen umgehen will und muss.“

Eine realistische Einschätzung, die nun unter anderem davon geleitet wird, den lippischen Wald klimarobust umzubauen. Die Bestände sollen stärker von Laubwäldern geprägt sein, da die Monokulturen größtenteils aufgrund von Hitze und Dürre geschädigt wurden.

Landesverband Lippe – Aufforsten im großen Stil

Der Landesverband Lippe als größter öffentlicher Waldbesitzer in Lippe verfügte bis 2019 über einen Nadelholzanteil (circa 20 Prozent) in seinen Wäldern. Inzwischen ist der Anteil an Nadelholzauf aufgrund des Fichtensterbens auf rund acht Prozent geschrumpft. Kahle Flächen sind zurückgeblieben. Diese Flächen werden mit klimastabilen, artenreichen Mischwälder aufgeforstet.

Mehr als zwei Millionen junge Bäume wurden gepflanzt. Damit hat der Landesverband Lippe eine Wiederaufforstung von mehr als 80 Prozent erreicht. Die meisten Setzlinge sind Stiel- und Traubeneichen, da diese Baumarten besser mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen.

Der Landesverband Lippe gründete zudem im Jahr 2021 sieben Zukunftswälder in Lippe und rief die Aktion „Lippe pflanzt“ ins Leben. Die Aktion kam gut an. Für diese Wälder können Bürgerinnen und Bürger weiterhin Bäume spenden. (ah)