Kreis Lippe. Grammatikalische Knobeleien und stilistische Finessen – Lando liebt Latein. Seit der siebten Klasse beschäftigt er sich mit der Sprache. Ein halbes Jahr noch und er hat sein Latinum in der Tasche. Das Fach, das für viele seiner Mitschüler der blanke Horror ist, schnellstmöglich abzuwählen, kommt für ihn nicht infrage.
„Latein ist eine faszinierend ausdrucksstarke Sprache, die beispielsweise ganze Gedanken mit nur einem Wort ausdrücken kann“, schwärmt der 16-jährige Gymnasiast und schiebt bedauernd hinterher: „Leider wird wohl kein Leistungskurs angeboten.“
Gut fünf Jahrzehnte älter, aber nicht weniger enthusiasmiert von der „Lingua Latina“ ist Rolf Kehde. Er unterrichtet Latein an der Volkshochschule Lippe-West. Denn es gibt sie tatsächlich: Menschen jeden Alters, die sich freiwillig Lateinunterricht antun und Möglichkeiten suchen, Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen.
Latein lernen ohne Notendruck oder Prüfungen, dafür aber mit umso mehr Spaß – dies ist die Ausgangslage für den Lateinunterricht an der Volkshochschule. Ziel ist es, nach Abschluss des Kurses die grammatikalischen Grundlagen an Texten der einfachen bis mittleren Schwierigkeitsgradstufe anwenden zu können, vielleicht sogar Originaltexte zu erarbeiten.
Doch das ist längst nicht alles. „Latein ist eine zeitlose Sprache und hat mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick vermuten würde“, erläutert Rolf Kehde. Latein war die lebendige Sprache des alten Roms, der Großmacht der Antike. Es gebe keinen Grund, sie heute auf graue Grammatik zu reduzieren. So stehe im Fokus des Unterrichts auch die Beschäftigung mit dem spannenden Leben der Römer. „Wir schauen darauf, wie die Menschen vor 2.000 Jahren gefühlt, gedacht, gesprochen und gehandelt haben.“
Und auch wenn Latein heute fast nicht mehr gesprochen wird, ist es höchst gegenwärtig. „Abgesehen davon, dass Latein Amtssprache eines europäischen Staates, nämlich dem Vatikanstaat ist, reicht der Einfluss der ‚Muttersprache Europas’ bis in die Jetztzeit. So haben sich etwa etliche moderne Sprachen aus Latein heraus entwickelt“, weiß der lateinbegeisterte VHS-Dozent.
„Die römische Kultur und die lateinische Sprache wirken bis ins Heute. Nicht nur, wenn man, da sei Gott vor, Lateinlehrer werden will.“ Ob im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den Bereichen Naturwissenschaft, Geschichte, Kultur, Religion und Politik – Latein begegne uns auf vielfältige Weise. So spiegelten Wörter wie „Computer“, „Service“, „Advent“ oder „Egoist“ den Einfluss der lateinischen Sprache wider und zeigten, dass sie in unserem Alltag noch häufiger zu finden ist, als manch einer glaube.
„Alles in allem gar nicht so übel für eine vermeintlich unnütze tote Sprache“, sagt Lando grinsend, der zudem schätzt, dass Latein eine sehr strukturierte und übersichtliche Sprache ist. Und dass sie so gesprochen werde, wie sie dastehe, sei auch nicht das Schlechteste.
Es gibt keine seltsamen Akzente oder ungewöhnlichen Buchstaben. Sicher – die Übersetzung von Texten erfordere Konzentration, Genauigkeit und etwas Durchhaltevermögen, sind sich Schüler und Dozent einig. „Aber den Geist und besonders das logische Denken zu trainieren, hat noch keinem geschadet“, schmunzelt Rolf Kehde.
Neue Lateinkurse beginnen ab dem kommenden Herbstsemester an den Volkshochschulen Lemgo-Detmold und Lippe-West. Details gibt es online auf den Internetseiten der VHS Detmold-Lemgo respektive Lippe-West oder in gedruckter Version in den jeweiligen Programmbroschüren der beiden VHS.
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Recherchieren, interviewen, berichten – dafür brennt Karen Hansmeier. Für Wörter. Für Sätze. Für Sprache. Für Inhalte. Fundiert und verständlich. Prägnant und feinfühlig. Sachlich oder emotional. Passgenaue, aber darum nicht minder schöne Formulierungen und wertige Layouts sind ihr Ding – sei es online „geklickt“ und „gewischt“ oder Seite für Seite per Hand geblättert. Insbesondere das Berichten über „Kultur“ in ihren vielfältigen Erscheinungsformen sowie die Begegnungen mit „Land und Leuten“ sind die Aspekte ihres Berufs, die ihr das Herz aufgehen lassen.