„Tiergestützte Pädagogik“: Hof in Alverdissen hilft Menschen

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Virginia Hein arbeitet mit der Labradorhündin Lynn. Foto: Mathias Lindner

Kreis Lippe/Barntrup-Alverdissen. Mit dem Kauf des eigenen Resthofes im Jahr 2018 ging für Virginia Hein ein Traum in Erfüllung: Der „Löwenzahnhof“ bietet Interessierten mit der sogenannten „Tiergestützten Pädagogik“ Hilfestellungen für verschiedene Lebensbereiche und -situationen.

 Kommt man auf den Löwenzahnhof, hört man als Erstes das fröhliche Gemeckere der Ziegen Pepe, Zwantje und Gary – lebensfroh toben die jungen Wilden herum und interessieren sich für alles und jeden. Sie sind allerdings noch nicht so weit, dass sie in der Tiergeschützten Pädagogik zum Einsatz kommen – das Vorschulalter quasi. Bei einem Termin begegnet man stattdessen Sunny, Madona oder Lynn.

Tiere haben die besondere Gabe im Hier und Jetzt zu sein und sie zeigen auf ihre Weise, was sie wollen oder ablehnen. Mit beidem hat der Mensch oftmals Probleme. Ein Haustier bringt dementsprechendes Potenzial für die eigene Entwicklung, sofern man sich achtsam auf es einlässt. Allerdings kann das eingespielte Team von Herrchen und Hund oder Frauchen und Katze auch ein eingefahrenes Team sein – jeder kennt die eigene Betriebsblindheit, bei der vieles unentdeckt bleibt.

Für die Stute Madona wird eine Pflegebeteiligung gesucht – eine Person, die Freude am Umgang mit Pferden hat. Foto: Mathias Lindner

Auf dem Löwenzahnhof kann man mit aufmerksamer Wahrnehmung und respektvollem sich Nähern, die Signale der Tiere erkennen und lernen darauf, ein- und damit umzugehen – eine heilsame Kommunikation auf Augenhöhe. Die tiergestützte Arbeit hat Virginia Hein schon lange interessiert, und nachdem sie Berufserfahrung als Erzieherin gesammelt hatte, konnte sie die Ausbildung zur Tiergestützten Pädagogin beginnen.

Seit einigen Jahren arbeitet sie freischaffend mit dieser Methode: „Man muss eine klare Grenze zur Therapie ziehen. Der Begriff der Tiergestützten Pädagogik ist nicht geschützt und da ist es für den Interessenten wichtig, sich über die Grundqualifikation der Fachkraft zu erkundigen“, rät die staatlich anerkannte Erzieherin. Als gelernte Erzieherin bietet die Tierliebhaberin beste Voraussetzungen für die Tiergestützte Pädagogik.

Losgelöst vom Alltagsstress kann man sich einmal anders, intensiver erleben und der nonverbale Kontakt zu dem Tier schaltet die Rotationsmaschine Verstand ab. Das Alter spielt dabei keine Rolle, denn sowohl die Ansprüche im Job, die schulischen Anforderungen oder Probleme im Kindergarten  – alles kann überfordern und nach einer besonderen Herangehensweise verlangen. Man kommt bei der Tiergestützten Pädagogik zur Ruhe und zu sich selbst.

„Die Persönlichkeitsentwicklung ist natürlich in der Jugend ein besonderes Thema – wo will ich hin, was traue ich mir zu, wie werde ich von anderen gesehen, welchen Zwängen unterliege ich, und bei meiner Arbeit erfahren die jungen Menschen gerade durch den Umgang mit Tieren eine wertfreie Atmosphäre, die Raum für Neues, einen neuen Blick auf sich selbst schafft“, erklärt die Gründerin des Löwenzahnhofes. Viele Dinge, die im Alltag wichtig sind oder so scheinen, spielen dort keine Rolle – das Pferd interessiert sich nicht dafür, ob jemand eine Zahnspange trägt oder ein Ass in Mathematik ist.

Arbeit zwischen Mensch und Tier

Das Klientel besteht sowohl aus Privatpersonen als auch aus Menschen, die über das Jugendamt zum Löwenzahnhof kommen. Es kann auf Wunsch am Aufbau und der Verbesserung des Selbstwertgefühls, an der seelischen Ausgeglichenheit, der Konzentration und vielem mehr gearbeitet werden. Losgelöst von hohen Erwartungen, Leistungsdruck und Ehrgeiz nähert man sich dem Tier und kann so wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung erhalten.

Was den Besucher, der zum Beispiel das Angebot der Einzelförderung gebucht hat, erwartet, beschreibt Virginia Hein so: „Nach dem ersten Kennenlernen wird das passende Tier ausgesucht; der eine braucht die ruhige, besonnene Stute Sunny, für die andere darf es die verspielte, neugierige Labrador Hündin Lynn sein. Zusammen mit dem Klienten schaue ich nach der besten Verbindung, die ja auch für das jeweilige Tier angenehm sein muss.“

Dann geht’s ans gemeinsame Füttern – da hat man bei vielen Tieren schon den ersten Trumpf im Ärmel. Es kann ein Spaziergang folgen, an das Führen des Pferdes wird der Betreffende herangeführt, oder das Gymnastizieren wird erlernt, ganz nach Wunsch. Bei all diesen Dingen soll die Wahrnehmung für sein Gegenüber geschärft werden, das Achten auf die unscheinbaren, kleinen Zeichen, die es zu deuten gilt, auch um nicht fahrlässig die Grenzen des anderen zu überschreiten.

Eine Pflicht soll die Arbeit mit Mensch und Tier für Virginia Hein und ihre Tiere nicht werden – die Freiheit, den Terminkalender nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten, ist ihr sehr wichtig: „Es gibt Institutionen, die sind auf genügend Einnahmen angewiesen, allein die Tierhaltung bringt eine Menge Kosten mit sich. Da bin ich froh, nicht darauf angewiesen zu sein, freue mich aber natürlich über Menschen, die sich für diese besondere Art der Erfahrung mit dem Tier interessieren.“