Kreis Lippe/Kalletal-Hohenhausen. Während die Zukunft des Lemgoer Krankenhauses gesichert scheint und sich die Mehrheit der nordlippischen Bürgermeister zufrieden zeigt, regt sich Widerstand bei einigen ihrer Kollegen. Sie wollen eine mögliche Erhöhung der Kreisumlage wegen der zu erwartenden Kosten nicht mittragen.
Für einen könnte es jetzt besonders bitter werden und könnte seine gesamte Haushaltsplanung zerstören. Mario Hecker, Bürgermeister im Kalletal, strebt nach wie vor sein kommunales MVZ an. Das kostet Geld, nicht nur im zukünftigen laufenden Geschäft, wenn es wie geplant im April kommenden Jahres an den Start gehen soll, sondern auch im Vorfeld. So verlangt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) von jedem, der ein kommunales MVZ aufbaut, eine Bürgschaft pro Kassenplatz in Höhe des doppelten durchschnittlichen Jahresumsatzes, in diesem Fall für zweieinhalb Sitze rund 1,5 Millionen Euro.
In der Ratssitzung am 28. November wird der Bürgermeister den Ratsfraktionen daher eine Beschlussvorlage vorlegen, in der über die Gewährung einer Rückbürgschaft entschieden werden muss. Rückbürgschaft heißt in diesem Fall, die Volksbank wird die Bürgschaft gegenüber der KVWL für die MVZ-Gesellschaft übernehmen, gleichzeitig aber die Gemeinde als Bürgen in Haftung nehmen. Dafür werden jährlich bis zu 10.000 Euro in den kommenden Jahren fällig.
Nicht nur hiermit macht der Bürgermeister mit seinem kommunalen MVZ-Projekt den niedergelassenen Ärzten bald Konkurrenz, denn ohne Geld aus dem Haushalt der Gemeinde könnte das gesamte MVZ nicht starten, die MVZ-Gesellschaft ist eine hundertprozentige Tochter der Gemeinde.
Anders als vom Bürgermeister versprochen, werden dort zukünftig keine zusätzlichen Ärzte arbeiten. Vielmehr stammen die drei jetzt angestellten Mediziner aus dem Pool der im Versorgungsraum bereits tätigen Ärzte. Einer kommt sogar aus dem Kalletal und war dort bis jetzt in einer Praxis tätig. Gerade dort hatten sich aber die vorhandenen Ärzte alle Mühe gegeben, die drohende schlechte Versorgung mit neu eingestellten Ärzten zu ändern. Ein Arzt kommt jetzt sogar ab Januar mit seiner Praxis neu hinzu. Doch gerade er muss jetzt die Konkurrenz des MVZ fürchten und damit seine hohen Investitionskosten in seine Selbstständigkeit.
Das MVZ wird nach dem Willen des Bürgermeisters und der Ratsmehrheit im alten Bergmann-Verwaltungsgebäude entstehen. Den Umbau wird die Besitzerin zahlen, dafür aber einen Mietzins von rund 60.000 Euro pro Jahr verlangen. Die gesamte Einrichtung der Praxen für die drei Ärzte, einer davon ist bereits in Rente und wird nur 21 Stunden arbeiten, soll finanziert oder geleast werden. Möglich macht dies die bereits erwähnte Bürgschaft.
Aufgrund dessen werden sich die veröffentlichten Zahlen zum MVZ dramatisch verändern, wenn es an den Start geht. So waren ursprünglich für das Jahr 2026 Überschüsse in Höhe von rund 110.000 Euro im Dostal Gutachten angegeben. Im Bürgerbegehren wurde den Unterzeichnern eine Summe von 106.000 Euro genannt. Jetzt wurde diese Zahl auf rund 42.000 Euro reduziert. Daraus resultieren auch die veränderten Zahlen für die kommenden fünf Jahre. So waren etwa bis 2028 Überschüsse in Höhe von 130.000 geplant, jetzt in der neuen Planung werden aber gerade einmal 85.000 Euro im Jahr 2029 erreicht.
Die Frage ist, wenn schon jetzt die Ergebnisse derart reduziert werden, was passiert, wenn es gar nicht aufgeht? Was passiert, wenn die Ärzte, die am Ergebnis beteiligt sind, nicht zufrieden sind und gehen? Und eine ganz andere Frage stellt sich zudem: Da die ärztliche Versorgung für das Kalletal ausreichend durch die niedergelassenen Ärzte erfüllt wird, wird eine Abwanderung der Patienten deren Existenz bedrohen? Wie werden sie sich bei möglichen schwindenden Einnahmenverhalten? Dass auch die benötigten MFAs für das MVZ bereits vorhanden sind, erschrickt da niemanden mehr. Auch sie kommen sicher, wie die drei Ärzte, aus dem vorhandenen Versorgungspool.
Die ambulante Versorgung der Bevölkerung ist Sache der Kassenärztlichen Vereinigung in Deutschland. Dort mischt sich jetzt eine Gemeinde ein, die mit öffentlichem Geld eine eigene Versorgung aufbauen will und mit übertariflichen Angeboten auf kleinstem Raum eine Konkurrenzsituation schafft, die letztlich nur den Patienten schaden kann.
Wenn jetzt noch die Kreisumlage aufgrund des Krankenhauses in Lemgo erhöht wird, wie es der Landrat vorhersagt, dann wird es eng mit dem Haushalt im Kalletal.
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Reiner Toppmöller ist seit Jahrzehnten als Freier Journalist in Ostwestfalen und Nordlippe im Einsatz. Sein Motto: „Wer hier die Herzen der Menschen erreicht, der hat viele Freunde auf Dauer gewonnen.“ Mit dieser Einstellung zu seiner Arbeit, schreibt der Mann, den man nur mit Hut kennt, seit 15 Jahren für die Redaktion Vlotho des Westfalen Blatts im Kalletal. Zudem war er mehr als 20 Jahre als Freier Mitarbeiter in der Redaktion von Lippe aktuell tätig. Die lokale Politik, aber auch das tägliche Geschehen, mit schönen und teilweise hochinteressanten Geschichten der Region, bilden dabei seine Schwerpunkte. Die Arbeit mit den Menschen, nicht über die Menschen, steht dabei für ihn im Vordergrund.