Kreis Lippe. Eine zweite Meinung einzuholen ist gerade in medizinischen Fragen oft sinnvoll. Was viele nicht wissen: Für einige Operationen gibt es dafür ein zertifiziertes Verfahren. Damit soll sichergestellt werden, dass die Entscheidung für eine Operation gut abgewogen und auf Basis der aktuellen medizinischen Wissensstandes getroffen wird wie er auch in sogenannten Leitlinien definiert ist.
„Für bestimmte Eingriffe gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung durch besonders qualifizierte medizinische Fachleute”, erklärt Sabine Wolter, Gesundheitsrechtsexpertin der Verbraucherzentrale NRW. Diese Kassenleistung gilt beispielsweise vor einer Gebärmutterentfernung, vor Gelenkspiegelungen an der Schulter, vor dem Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks, eines Herzschrittmachers oder vor einer geplanten Amputation beim diabetischen Fußsyndrom. Die Liste wird stetig erweitert. Nun zählt auch der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks dazu, eine der häufigsten Operationen in Deutschland. Die Verbraucherzentrale NRW erklärt das Verfahren.
- Was ist das Zweitmeinungsverfahren?
Gesetzlich Versicherte haben grundsätzlich und jederzeit das Recht, einen weiteren Facharzt oder eine Fachärztin aufzusuchen, um sich eine zweite Meinung zu einer vorgeschlagenen Behandlung, Untersuchung oder Operation einholen. Doch wie gut diese zweite Meinung ist, wissen medizinische Laien nicht. Zudem wird in Deutschland teilweise zu viel operiert. Deshalb besteht bei bestimmten planbaren Operationen ein gesetzlicher Anspruch auf eine Zweitmeinung durch besonders qualifizierte Ärzte. Das soll helfen, die beste Entscheidung zu treffen und unnötige Operationen zu vermeiden. Eventuelle finanzielle Interessen einer Klinik spielen dabei keine Rolle. Betroffene müssen mindestens zehn Tage vor einem geplanten Eingriff über diese Möglichkeit informiert werden. Die Kosten tragen die gesetzlichen Krankenkassen. - Für welche Operationen gilt das?
Der Anspruch auf eine Zweitmeinung gilt aktuell bei elf festgelegten Eingriffen, unter anderem bei Mandeloperationen, Gebärmutterentfernungen, Knieendoprothesen, Gallenblasenoperationen, Eingriffen an der Wirbelsäule und dem Einsetzen eines Herzschrittmachers. Seit Juli 2024 gehören auch Hüftgelenks-Operationen dazu, also der geplante Einsatz, Wechsel oder die Entfernung einer Total- oder Teilprothese am Hüftgelenk. Für Eingriffe bei Aortenaneurysmen gilt das Verfahren seit Oktober dieses Jahres. Weitere Eingriffe werden hinzukommen. - Wie funktioniert das Zweitmeinungsverfahren?
Wenn Ärzte eine der genannten Operationen empfehlen, müssen sie betroffene Patient:innen mindestens zehn Tage vor dem Termin darauf hinweisen, dass sie eine Zweitmeinung einholen können. Wer sich dafür entscheidet, erhält auf Anfrage alle notwendigen Unterlagen wie Berichte oder Röntgenbilder. Ärzt:innen, die eine Zweitmeinung abgeben, müssen unabhängig sein und dürfen den geplanten Eingriff nicht selbst durchführen. Sie brauchen außerdem eine spezielle Genehmigung, die ihre Qualifikation sicherstellt. Im Internet sind Informationen dazu beim Patientenservice 116117 zu finden. Auch die Krankenkassen bieten Unterstützung bei der Suche nach einer Zweitmeinung. - Sind dafür neue Untersuchungen nötig?
In der Regel sind für die Zweitmeinung keine neuen Untersuchungen nötig, Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden. Der Zweitmeinungsarzt oder die Zweitmeinungsärztin stützt sich auf die vorhandenen Befunde und ein ausführliches Patientengespräch. Geprüft wird, ob der empfohlene Eingriff notwendig ist und welche Alternativen möglich sind. So können Betroffene besser entscheiden, ob eine Operation wirklich die beste Lösung ist. Der anschließende schriftliche Bericht kann auf Wunsch an die zuständige Praxis oder Klinik geschickt werden. - Welche Ausnahmen gibt es?
Eine strukturierte Zweitmeinung gibt es nicht für alle Operationen. Die qualifizierte Zweitmeinung ist für Eingriffe vorgesehen, die besonders häufig gemacht werden und die vielleicht aus wirtschaftlichen Gründen häufiger vorgenommen werden als medizinisch unbedingt notwendig. Ausgenommen sind zudem Notfalloperationen. - Zusätzliche Angebote der Krankenkassen:
Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen ihren Versicherten unabhängig vom strukturierten Verfahren ärztliche Zweitmeinungen zu anderen Diagnosen als freiwillige Leistung anbieten. Eine Nachfrage bei der eigenen Krankenkasse kann sich deshalb lohnen. Ziel ist es auch hier, überflüssige Eingriffe zu vermeiden.