Von Reiner Toppmöller und Yves Brummel – Leopoldshöhe. Seit dem Jahr 2019 arbeitet die Leopoldshöher Verwaltung an dem Bebauungsplan Brunsheide Süd-Ost im Ortsteil Schuckenbaum. Genauso lange gibt es die Bürgerproteste um die Art und Weise, wie das Gelände bebaut werden soll.
Vor der Ratssitzung am Donnerstag, 12. Dezember, eskalierte der Protest noch einmal: Rund 140 Bürger versammelten sich vor dem Rathaus zu einem Protest, den sie auch mit in die Ratssitzung trugen. Ziel der Kundgebung sei es, so Dr. Martin Betge und Matthias Bock, die die Demonstranten vor der Sitzung noch einmal mit Informationen versorgten, eine weitere Verschiebung der Abstimmung zu erreichen.
Jedoch stimmte der Rat letztendlich mehrheitlich, mit Enthaltung der Grünen-Fraktion und den Gegenstimmen der Parteilosen Unabhängigen Bürger (PUB) für den jetzt final abgeschlossenen Bebauungsplan.
Im Vorfeld hatten die Bürger noch einmal Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diese wurden von Bürgermeister Prof. Dr. Martin Hoffmann teilweise sehr kurz und einsilbig beantwortet. Das führte zu sehr viel Unmut, wie auch seine Aussage, dass Applaus in der Sitzung nicht zugelassen sei und er den Saal räumen lasse, wenn man sich nicht daran halte.
Verärgert und frustriert verließen daraufhin schon einige erste Bürger den Ratssaal, um sich vor dem Rathaus noch einmal über den ihrer Meinung nach unwürdigen Umgang mit ihnen auszutauschen.
„Insgesamt verlief die Demo dennoch sehr positiv. Der Umgang mit den Fragen im öffentlichen Teil der Ratssitzung war dagegen leider sehr enttäuschend. Besonders deshalb, weil der Bürgerwille gefühlt keinerlei Berücksichtigung findet und die Ratsmitglieder in ihren Entscheidungen zum Teil einem wahrgenommenen Fraktionszwang unterliegen. Bürger wurden oberlehrerhaft belehrt und als blöd und unwissend abgestempelt – Originalton des Bürgermeisters: ‚Ich bin erschrocken über die schlechte Qualität der hier vorgetragenen Fragen‘“, lautet Dr. Martin Betges Fazit.
„Das anmaßende, arrogante Verhalten hat mich ebenfalls erschrocken. Eine bessere Wahlwerbung gegen SPD, CDU und Grüne hätte es in diesem Schmierentheater nicht geben können“, schimpfte etwa ein Bürger kurz nach der Ratssitzung.
Hintergrund des Protests
Zur Erinnerung, worum geht es beim Bebauungsplan Brunsheide? „Das Gelände Brunsheide, zwischen der Herforder Straße, der Felix-Fechenbach Straße und dem Ortsteil Schuckenbaum, ist vor Jahren von der Liegenschaftsverwaltung (LIL) erworben worden und sollte baldmöglichst vermarktet werden, um die Ortsteile zusammenwachsen zu lassen“, erklärt Bürgermeister Dr. Hoffmann auf Nachfrage.
Damals habe man daran gedacht, eine möglichst umweltfreundliche Bebauung zu ermöglichen. Das heißt, im Hinblick auf eine möglichst gute Klimabilanz sollte möglichst viel Wohnraum auf wenig Land gebaut werden. Dazu sollte der Individualverkehr, soweit es geht, aus dem neuen Wohngebiet ferngehalten werden. Zudem sind unter anderem auch mehrgeschossige Häuser und Parkhäuser für die Anwohner geplant.
Von Anfang an gab es dagegen Widerstand aus den benachbarten Wohngebieten, was die Ausführung der Planung, die Aufteilung der mehrgeschossigen Häuser, deren Höhe und die Einfamilienhäuser sowie die Menge der Wohneinheiten angeht. „Dieses überdimensionierte, urbane Baugebiet wird hauptsächlich dreistöckige, mit bis zu 20 Wohneinheiten große Wohnhäuser umfassen, es sind zwei riesige Parkhäuser nördlich und südlich des schönen Fachwerkhauses von Ingo Knabenreich geplant“, beschreibt Dr. Martin Betge.
Wie aus den Reihen der Demonstranten am Donnerstag zu hören war, seien die Einwände der Bevölkerung nicht berücksichtigt worden. Das stritt der Bürgermeister in der Ratssitzung ab und sagte, viele der Einwände hätten den Weg in die Vorlage gefunden. Dr. Betge und seine Mitstreiter befürchten nach wie vor, dass die Bebauung mit mehrgeschossigen Häusern eine Nummer zu groß sei, für die ländliche Gemeinde und eher städtische Züge habe. Zudem sei die Finanzierung trotz der Zuschüsse in Höhe von 9,8 Millionen Euro aus Düsseldorf nicht gesichert.
„Der Bürgermeister und die Ratsmitglieder haben sich zwar hocherfreut über den Förderbescheid gezeigt, aber alle scheinen zu vergessen, dass hierbei ein Eigenanteil von 40 Prozent, also circa fünf Millionen Euro, zu leisten ist. Und die Gemeinde wird wohl dieses Jahr schon mit einem Defizit von 4,7 Millionen Euro beenden“, so Dr. Betge.
Die Protestler sagen deshalb voraus, dass die Gemeinde in den kommenden zwei bis drei Jahren in die Haushaltssicherung gehen müsse. „Die Bebauung wird jetzt schon so teuer, dass es keine Interessenten geben wird, dort zu bauen“, betont Mathias Bock.
„Für uns Bürger ist es unverständlich, dass eine Stelle in der Bücherei aus Kostengründen nicht mehr besetzt werden kann, auf der anderen Seite, aber das Filies-Baugebiet von der Gemeinde für etwa 850.000 Euro erworben wurde. Hier scheint vieles aus der Balance zu geraten, anscheinend kennen die Ratsmitglieder die Haushaltszahlen nicht genau“, fügt Dr. Betge hinzu.
Ein weiteres Argument gegen das Vorhaben sehen die Bürger darin, dass mit einem Zuwachs von rund 700 Menschen zu rechnen sei. „Dafür fehlt die Infrastruktur, wie etwa Ärzte, Kitas und Schulen“, sagt Dr. Betge und ergänzt: „Leopoldshöhe liegt uns sehr am Herzen! Wir sehen durch dieses Projekt die Zerstörung unserer Heimat, wir sehen auch, dass der Ort durch diese Baumaßnahme strukturell massiv überfordert wird. Die Ratsmitglieder aller Parteien, SPD, Grüne, FDP und CDU, scheinen nicht zu erkennen, dass dieses Baugebiet für Leopoldshöhe einige Nummern zu groß ist.“ Bürgermeister Dr. Hoffmann hält dagegen und sagt, dass dies alles bereits berücksichtigt worden sei.
Interessant für Außenstehende ist die Haltung der Grünen, die zu Beginn des Prozesses eine totale Pro-Haltung einnahmen, sich jetzt aber der Stimme enthielten, weil maßgebliche Dinge ihrer Vorstellungen nicht berücksichtigt werden.
Vor vielen Jahren hatte es ein ähnliches Projekt, damals auch von den Grünen initiiert, in Bad Salzuflen gegeben. Das Südfeld in Knetterheide sollte ebenfalls zu einem ökologischen Musterbeispiel einer neuen Siedlungsform werden. Nach langem Streit um die Durchsetzbarkeit wurde der Bebauungsplan in der Salzestadt aber nach vielen Jahren geändert und führte zu dem heute sichtbaren Ergebnis der Einfamilienhausbebauung. Der Grund für den Sinneswandel in der Gemeinde war ganz einfach: Es gab keine Interessenten für die geforderte ökologische und autofreie Bebauung.
Nun haben sich die Zeiten geändert und die politischen Ansichten auch, was die Klimaziele angeht, sicherlich sowieso. Dennoch wird der Markt zeigen, ob die hehren Wünsche der Politik auch durchsetzbar sind. Die Gegner werden sicher nach diesem Beschluss nicht ruhen und nach Wegen suchen, das geplante Projekt doch noch zu ändern.
Bürgermeister Dr. Hoffmann sieht derzeit einen Vermarktungsstart im Jahr 2027. Bis dahin muss noch ein Gestaltungskonzept und die Erschließung durchgeführt werden.
Was die Frage des Vorwurfes, die Gemeinde würde sich wegen des Baugebietes verschulden, angeht, sagt er: „Das Land ist von der gemeindeeigenen LIL gekauft und wird durch sie auch vermarktet. Der Haushalt wird dadurch nicht tangiert.“ Dr. Martin Betge steht dieser Prognose skeptisch gegenüber: „Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht. Wir sehen nach wie vor große Probleme auf die Gemeinde Leopoldshöhe zukommen, ein großes Haushaltsdefizit und dann voraussichtlich auch irgendwann eine Haushaltssperre.“
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Reiner Toppmöller ist seit Jahrzehnten als Freier Journalist in Ostwestfalen und Nordlippe im Einsatz. Sein Motto: „Wer hier die Herzen der Menschen erreicht, der hat viele Freunde auf Dauer gewonnen.“ Mit dieser Einstellung zu seiner Arbeit, schreibt der Mann, den man nur mit Hut kennt, seit 15 Jahren für die Redaktion Vlotho des Westfalen Blatts im Kalletal. Zudem war er mehr als 20 Jahre als Freier Mitarbeiter in der Redaktion von Lippe aktuell tätig. Die lokale Politik, aber auch das tägliche Geschehen, mit schönen und teilweise hochinteressanten Geschichten der Region, bilden dabei seine Schwerpunkte. Die Arbeit mit den Menschen, nicht über die Menschen, steht dabei für ihn im Vordergrund.