Musikalischer Leckerbissen: Weihnachtskonzerte des Gospelchores Stapelage

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Der Chor legt Wert auf ein schickes Outfit, mit dem er seine Corporate Identity darstellt: schwarze Eleganz mit orangerotem Tuch um den Hals bei den Damen und orangefarbene Fliegen und Krawatten bei den Herren. Foto: Hajo Gärtner

Lage. Der Gospelchor Stapelage ist zurück, und zwar mit einem „Doppel-Wumms“. Keine Selbstverständlichkeit, denn vor zwei Jahren ist das Konzert ausgefallen wegen eines Zerwürfnisses zwischen Ensemble und seinem Interims-Dirigenten.

Vorstandsvorsitzender Achim Lügger klärte das Publikum in der proppenvollen Marktkirche auf: Die Treue zum Chorleiter Rainer Weber stand der Akzeptanz eines Interims-Dirigenten im Weg. Ein großer Teil des Ensembles kann sich niemand Anderen vorstellen, und so stürzte Webers Abschied – er ist emeritierter Professor an der Musikhochschule Detmold und weit über der Ruhestandgrenze – den Chor in eine ausgesprochene Existenzkrise. Als Weber schließlich auf vielfaches Betteln zurückkehrte, war wieder alles in Butter, und der Chor legte ein grandioses Weihnachtskonzert 2024 hin.

Chorleiter Rainer Weber ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt, um „seinen Chor“ wieder zum Erfolg zu führen. Foto: Hajo Gärtner

Um den Schluss vorwegzunehmen: Die 350 Eintrittskarten waren schon zwei Wochen vorher ausverkauft. Das Publikum erzwang am Ende mit minutenlangen Standing Ovations („stehendem Applaus“) zwei Zugaben: „Go tell it to the Mountain“ (das Publikum singt begeistert mit) und „We wish you a merry Christmas“, auf Englisch und Deutsch.

„Bravo“-Rufe hatte es immer wieder zwischendurch gegeben. Und hätte Rainer Weber den Sack am Ende nicht entschlossen zugemacht, wäre das Spiel zwischen Publikum und Ensemble wohl bis zum frühen Morgen weitergelaufen.

Was war denn nun so toll? Sicherlich die durchdachte Stücke-Auswahl von Ohrwürmern und Evergreens der Gospelsong-Musikliteratur, dargereicht in einem mitreißenden Groove. Dazu verhalt Webers perfektes Klavierspiel und das Song-dienliche Schlagzeugspiel von Pascal Pollmeier dem Chor zum Erfolg. Der Drummer klöppelte einfühlsam mit weichen Schlegeln und setzte auch die im Jazz beliebte sanften „Besen“ ein.

Dazu kam eine technische Aufrüstung: Mikrofone für jede männliche Stimme; die Frauen teilten sich zu viert einen Schallaufnehmer; acht Monitore, über die das Ensemble sein vokales Produkt jederzeit kontrollieren konnte. Und last but not least: Der Chor ist mit tollen Solisten gesegnet wie Mira Weber, Evelyn Deppemeier, Helmut Mühlenmeier, Elmar Wöstenkötter, Asami Horie-Weber, Peter Müller und Rainer Weber himself.

Die technische Aufrüstung trieb dem Mann am Mischpult den Schweiß auf die Stirn. Aber pünktlich zum Anpfiff waren alle technischen Problem gelöst, und der Chor füllte die Marktkirche wuchtig mit seinem Powersound aus. 27 Frauen und zehn Männer schleusten einen harmonischen Stream in die Gehörgänge, der beim Publikum schnell Mitmach-Aktionen auslöste. Rhythmisches Klatschen und am Ende ein beherztes Mitsingen: So liebt es jeder Chor, und alle sind glücklich.

Das ist gut für die Stimmung; und dann kommen die Songs entsprechend leidenschaftlich rüber. Auf „good vibrations“ war schon das Intro kalkuliert: „I will follow him“ aus dem Film-Musical „Sister Act“ (1992), in dem Whoopi Goldberg ein ganzes Kloster aufmischt. Das gelang auch in der Marktkirche, wo der Bann mit dem temperamentvollen Tutti im Nu gebrochen war.

Es wäre an dieser Stelle verfehlt, die Programmliste aller nachfolgenden Songs herunterzubeten. Sie wurden vom Chor durchweg klasse vorgetragen. Erwähnenswert vielleicht das „Geständnis“, dass der Chor einen Hang zu afroamerikanischen Rhythmen hat. Ganz deutlich hörbar im Song „Christmas Kum Ba Ya“.

Dazu die Anmerkung, dass der Dirigent einer Mottete neues Leben eingehaucht hat, die seinerzeit Ludwig XIV. und seine Frau Marie Antoinette bei ihrer Hochzeit begeisterte. Auch an vielen anderen Stellen überzeugte das Ensemble mit frischen Interpretationen und eigenen Nuancierungen der Lieder.

Bleibt die Frage: Woher zog der Chor nach unfreiwilligem Siechtum im Gefolge der Korona-Krise seine überraschende Stärke? Es habe eine große Resonanz auf den Zeitungs-Aufruf im August gegeben, berichtete Vorstandvorsitzender Achim Lügger dem Publikum. Zum Beweis rief er das Ensemble auf: „Zeigt doch mal auf, wer alles neu ist!“, und es reckten sich zehn Finger in die Höhe.

„Natürlich können noch weitere Interessierte dazustoßen“, betont Lügger anschließend. Dabei zeigt er allerdings eine deutliche Geschlechter-Präferenz: Die Frauen sollten doch bitte ihre Männer motivieren, beim Chor mitzumachen. „Immer nur auf dem Sofa Fußball gucken, ist doch auf Dauer langweilig“, gab er zu bedenken. Für die Frauen lohne es sich allemal: „Mal einen freien Tag für sich allein“, versprach er, „das ist doch eine lohnende Vorstellung.“

„Wir hätten locker 500 Zuhörer haben können“, sagt Chorsprecher Edmund Möller. „Aber die Regeln des Brandschutzes haben nicht mehr als 350 Besucher zugelassen.“ Trotzdem behält er recht: Ins Kurtheater Bad Meinberg kommen an die 500 Zuschauer.

Und wie ist das Konzert bei denen angekommen? „Das war wunderbar!“, schwärmt Heinz Kaiser auf Nachfrage der LIPPISCHEN WOCHENZEITUNG. Und Gordon Kellner pflichtet bei: „Sehr schöne Lieder, die Atmosphäre voll gemütlich.“ „Ein fantastischer Klangkörper“, ergänzt Heinz Kaiser.