Lage. Für die meisten Patienten kommt die Nachricht überraschend: Im neuen Jahre bleibt die Praxis Kirsch am Marktplatz dicht. Ludmilla Kirsch teilte dies am Sonntag, 22. Dezember, ihren Patienten mit und war permanent am Telefon zu erreichen. Denn die Patienten liegen ihr am Herzen und sie sollen wissen, warum sie nicht mehr kommen können.
Warum gibt Ludmilla Kirsch auf? Ist sie etwa selbst erkrankt? „Nein“, sagt sie lachend. Sie habe ihren Patienten seit Februar angedeutet, dass die Praxis möglicherweise zum Jahresende 2024 schließen wird, erläutert sie. Aber niemand habe das so recht ernst genommen, weil sie die Praxis als Gemeinschaftspraxis mit einem weiteren Arzt weiterführen wollte. „Leider habe ich keinen Partner gefunden“, klagt sie. Sie hätte ihre ärztliche Versorgung gern aufrechterhalten, obwohl sie schon zwei Jahre über die Ruhestandsgrenze hinaus ist.
Ihr Ehemann Viktor will allein nicht weitermachen. Er ist anerkannter Spezialist für Naturheilkunde, bietet seinen Dienst aber im Rahmen des Facharztes für Allgemeinmedizin, den bislang seine Ehefrau angeboten hat. Die Praxis war besonders bei Aussiedlerfamilien beliebt, die ihr Leiden auch in russischer Sprache erklären konnten. Denn das Ärztepaar spricht perfekt Russisch.
Freut sie sich auf den baldigen Ruhestand? Wird sie intensiv ihren Hobbys frönen, wie andere das tun? „Mal sehen, was ich mache“, sagt sie zögerlich. Denn für Hobbys war bislang eigentlich keine Zeit, weil sie den ganzen Tag in den Dienst der Medizin gestellt hat. Sie wird jetzt wohl in ein tiefes Loch fallen.
Lages Einwohner aber auch. Gerade in den Ortsteilen gibt es außer in Waddenhausen und Heiden keine Facharztpraxis. Die Kirschs wohnen im Ortsteil Hardissen. Was sollen die Patienten jetzt tun? „Sie werden sich einen neuen Arzt suchen müssen“, sagt Ludmilla Kirsch bedauernd. Aber in vielen Lagenser Praxen heißt es mit dem gleichen Ton des Bedauerns: „Wir können niemand mehr aufnehmen.“
Ludmilla Kirsch ist eine Verfechterin eines umfassenden Impfschutzes. Legendär, wie sie ihren Patienten zur Rundum-Versorgung verholfen hat. Regelmäßige Blutuntersuchungen, Virenschutz-Impfung im Herbst vor den turnusmäßigen Erkältungs- und Grippe-Krankheiten, dann gegen Gürtelrose im fortgeschrittenen Alter, FSME-Pieks für Hundehalter: Ohne ausgefülltes Impfbuch kam niemand aus ihrer Praxis heraus.
Die für Patienten besonders günstige Kooperation der Arztpraxis mit der „Hirsch“-Apotheke einen Stock tiefer im Haus gibt’s nun auch nicht mehr. Es war üblich, dass die Apotheker den benötigten Impfstoff automatisch nach oben in den Kühlschrank der Praxis lieferten, von wo aus er direkt in den Oberarm gespritzt werden konnte. Arzt-Termine gab es immer sofort und gewissermaßen aus dem Stand. Und die Behandlung ging zügig und ohne große Umschweife über die Bühne.