Odyssee durch Arztpraxen: So schwer ist es, einen neuen Hausarzt zu finden

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Die Hände eines Arztes können Schmerzen lindern. Ein erfahrener Arzt findet schnell heraus, wo der Schuh drückt, und empfiehlt eine Therapie, die den Schmerz beseitigt. Was aber, wenn es keinen Arzt mehr gibt? Foto: Pixabay

Lage. Den Mangel an Hausärzten in der Zuckerstadt bekomme ich am eigenen Leib zu spüren. Als mich meine Hausärztin Ludmilla Kirsch am Sonntag, dem vierten Advent, telefonisch informiert, dass ihre Praxis im neuen Jahr nicht aufmacht, fallen meine Frau und ich aus allen Wolken. Woher bekommen wir jetzt unsere Medikamente?

Erste Idee: Dr. Google fragen. Der spuckt tatsächlich eine ansehnliche Liste von Arztpraxen in Lage aus. Aber: Viele Ärzte gehen um die Weihnachtszeit herum gar nicht erst ans Telefon; bei anderen muss ich mich mit dem Antwortbeantworter begnügen.

Die von Dr. Google empfohlene Praxis in Heiden meldet sich so: „Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben.“ Andere Praxen erreiche ich zwar, aber die Auskunft lautet: „Wir können keine Patienten mehr aufnehmen.“ Da nutzt nicht einmal der dezente Hinweis etwas, dass meine Frau und ich Privatpatienten sind. Ein Trumpf, der sonst schon mal zieht.

Zwei Hausärzte einer Gemeinschaftspraxis in Waddenhausen: Da müsste doch was gehen. Pustekuchen! Nachdem ich auf dem Antwortbeantworter mein Leid geklagt habe, meldet sich eine freundliche Stimme recht schnell zurück. „Wir sind voll und können nicht mehr Patienten aufnehmen.“  Privatpatient-Joker? Brauche ich erst gar nicht zu versuchen.

Man muss im Notfall größer denken. Also rufe ich in einer Praxis in Lemgo-Hörstmar an. Ein Hoffnungsschimmer: Ich darf mich im neuen Jahr auf eine Liste setzen. Heureka! „Aber ob Sie zum Zug kommen, weiß ich nicht“, sagt die freundliche Sprechstundenhilfe.

Nachdem ich die Praxen an der Langen Straße in Lage durchtelefoniert habe, ein Hoffnungsschimmer: „Da geht noch was“, sagt eine Sprechstundenhilfe. Ihre Praxis habe schon andere Patienten von Ludmilla Kirsch aufgenommen, verrät sie mir diskret. Ich bekomme einen Gesprächstermin im Januar und bin glücklich. Auch bei einem weiteren Arzt an der Friedrichstraße könnte noch was gehen. Auch bei ihm dürfen wir uns Mitte Januar vorstellen.

Nun frage ich mich: Was wäre, wenn ich dringend Medikamente bräuchte oder eine unaufschiebbare Behandlung wegen akuter Schmerzen? Sollte ich dann zur Notaufnahme ins Detmolder Krankenhaus fahren? Die Ärzte dort werden sich über diese Art Zulauf wohl kaum freuen.

Die Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe weist Ende November eine Versorgungsquote von 79 Prozent aus und 6,5 freie Sitze in der hausärztlichen Versorgung. Nun hat sich die Lage noch weiter verschlechtert. Das gibt zu denken: Wenn drei Viertel einer Menschengruppe ausreichend zu essen haben, bedeutet das im Umkehrschluss, dass ein Viertel verhungert.

Die Hände eines Arztes können Schmerzen lindern. Ein erfahrener Arzt findet schnell heraus, wo der Schuh drückt, und empfiehlt eine Therapie, die den Schmerz beseitigt. Was aber, wenn es keinen Arzt mehr gibt? Foto: Pixabay