Lage. Roberto Capitoni (62) will es genau wissen: „Wer von euch ist unter 40?“, fragt er sein Publikum im Lagenser Ziegeleimuseum. Niemand meldet sich. Dafür zeigt am anderen Ende der abgefragten Altersskala schließlich ein agiler 87-Jähriger auf. Das wäre früher nicht möglich gewesen: „Spaß an Comedy in so einem Alter“, kommentiert Capitoni genüsslich und fühlt sich auf ganzer Linie bestätigt.
Das Gros des Publikums speist sich indessen aus der Generation der so genannten „Babyboomer“. Das sind jung gebliebene Erwachsene mit Geburtsdatum in den 60er-Jahren, die sich keineswegs als „Senioren“ fühlen. Warum auch? Schließlich bekommt man dieses Etikett im Sport schon aufgedrückt, bevor man überhaupt die 30 überschritten hat. Und wer will dieses Label dann noch ernst nehmen?
„Wir haben jedenfalls ordentlich geknallt“, sagt „Italo-Schwabe“ Capitoni stolz mit Blick auf die „geburtenstarken Jahrgänge“. Dabei schlägt er wiederholt mit der flachen linken Hand auf die rechte, die mit Daumen und Zeigefinger einen Ring bildet. Ein bekanntes Geräusch, eine vertraute Geste. Poppen, eben. Doch dann sieht sich Capitoni genötigt, mit der Wahrheit herauszurücken: „Eigentlich waren es eher unsere Eltern, die sich um das Bevölkerungswachstum verdient gemacht haben.“
Babyboomern gehört die Welt
Vor dem Comedian sitzt genau das richtige Publikum, dessen Stärken, Schwächen, Hoffnungen und Wehwehchen der Spaßmacher nur zu gut kennt. Mit feiner Ironie, steilen Zuspitzungen und abgefeimter Häme nimmt er die körperliche Verfassung und das Seelenleben seiner Generation satirisch aufs Korn und zeigt dennoch ermutigend auf, wie man trotz sich ankündigender Einschränkungen im Alltag dennoch eine gute, ja heroische Figur machen kann. „60 ist das neue 40“, sagt er wiederholt und wird nicht müde, Beweise dafür zu liefern.
Aber: Die Haut bleibt stehen, wenn man sie zwischen Daumen und Zeigefinger presst und dann nach oben zieht. Man(n) verbringt immer mehr Zeit auf der Toilette, und das Wasser lagert sich nicht – wie oft behauptet – in den Beinen ab, sondern in den Brüsten. Sieht jedenfalls so aus. So mancher sieht sich genötigt, immer mehr Ersatzteile wie zum Beispiel künstliche Hüften in seinen Body einzubauen, bis er am Ende ausschaut wie der Terminator „T 1000“ in den Schwarzenegger-Filmen.
Einbau von Ersatzteilen gibt dir neuen Schwung
Impfungen gegen Gürtelrose und andere Stechereien erscheinen plötzlich als unausweichlich: „Ich weiß inzwischen, wie sich eine Dartscheibe anfühlt“, witzelt der Comedian. Unerwünschte Nacken, Ohren- und Nasenhaare drängen überraschend an ungeahnten Stellen ins Freie, wenn sie oben auf dem Kopf dünn werden oder gar ausfallen. Ein türkischer Freund habe ihm zu einer radikalen Abwehr geraten: flambieren. Resultat: „Ich fühle mich seit vier Wochen wie ein Dönerspieß.“
Onkel Luigi erzählt auf die Art von Robert De Niro, was für Einschränkungen das Alter unweigerlich mit sich bringt. Um das überzeugend zu präsentieren, bückt sich Roberto Capitoni weit nach vorn rüber – so weit es geht – und fixiert das Publikum durch die gespreizten Beine. „Siehst du, Roberrrto“, sagt Luigi, „wenn ich das früher gemacht habe, konnte ich bis zum Horrrizont schauen. Jetzt sehe ich nurrr noch eine schlaffe Banane mit zwei Wespennesterrrn.“
Luigi hat zudem beobachtet, dass er unweigerlich und unwillkürlich immer mehr Geräusche von sich gibt. Das kann Roberto bestätigen: Wenn er sich bückt, um sich die Schuhe zuzubinden, entfährt ihm ein stöhnendes „Ahh“, „Ohh“ oder „Uhh“.
Zuerst sei seine Frau besorgt herbeigelaufen, um sich zu vergewissern, dass ihr Mann nicht gerade einen Herzinfarkt erleide. Dann habe sie sich an sein Gestöhne gewöhnt. „Jetzt befürchte ich, dass sie denkt, ich binde mir die Schuhe zu, wenn ich mal einen Herzinfarkt erleide“
Dann die Abteilung „Witze“: Niemand könne sagen, wie alt Keith Richard von den Rolling Stones wirklich ist. Aber er habe gehört, dass ihm ein Freund mal eine Schildkröte habe schenken wollen, mit dem Versprechen, die sei so langlebig, dass er nie mit dem Trennungsschmerz konfrontiert würde, den man zwangsläufig bei Hunden und Katzen zu durchleiden habe. „Wie alt wird die Schildkröte denn?“, habe Keith gefragt. – „Die kann 300 Jahre alt werden.“ – „Ich habe mich also gerade an das Tier gewöhnt, und dann stirbt es mir weg“, habe der Rolling Stone geantwortet.
Man kann nicht nur übers Alter reden
Roberto Capitoni -„man kann ja nicht nur über das Alter rede“ – kommt seinem Publikum nun mit gutgemeinter Lebensberatung. „Seid vorsichtig mit der Nutzung englischer Wörter“, mahnt er. „Public Viewing“, gern verwendete Bezeichnung für das gemeinsame Schauen eines wichtigen Fußballspiels auf dem Marktplatz, bedeute im originalen Kontext das „Aufbewahren eines Toten zum Abschiednehmen der Angehörigen“, und die „Streetworkerin“ bezeichne im englischen Sprachraum eine Prostituierte. „Wenn du einem Engländer sagst: ‚Meine Schwester ist Streetworkerin‘, musst du damit rechnen, dass er nach dem Preis fragt.“
Vergleiche mit der Tierwelt. „Männer sind Hunde und Frauen Katzen. Wenn du dich ihnen näherst, wedeln sie mit dem Schwanz und die Frauen laufen weg.“ Auch Flachwitze gehören zu Capitonis Repertoire. Kostprobe gefällig? „Kommt ein Autofahrer in die Poststation und legt ein totes Reh auf den Tresen. ‚Was ist das?‘, fragt der Postbeamte entsetzt. ‚Eine Retoure‘, erwidert der Autofahrer.“
Zu guter Letzt: Warum ist der „Italo-Schwab““ Roberto Capitoni im Taufbecken fast ertrunken? – Weil er mit vollem Namen heißt: Roberto Emilio Francesco Paolo Sergio Leonello Capitoni. Nach italienischer Sitte sollen alle wichtigen Angehörigen im Vornamen repräsentiert sein. Dadurch zog sich Robertos Aufenthalt im Taufbecken bei der Namensgebung doch arg in die Länge. Da fällt nun aber auf: Onkel Luigi taucht in der Vornamenskette gar nicht auf. Dessen Bedeutung in der Familie war wohl doch nicht so groß, auch wenn er spricht und guckt wie Robert De Niro.