Bundestagswahl 2025: Kandidaten für den Wahlkreis Lippe I im LWZ-Gespräch

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Politischer Austausch im LWZ-Verlagshaus: (von links) Udo Hemmelgarn, Kerstin Vieregge, Yves Brummel, Carsten Steinecker, Torben Hundsdörfer, Julien Thiede und Robin Wagener. Fotos: Hajo Gärtner

Kreis Lippe/Detmold. Im Wahlkreis Lippe I treten fünf Kandidaten zur bevorstehenden Bundestagswahl an: Kerstin Vieregge (48, CDU), Robin Wagener (44, Grüne), Udo Hemmelgarn (65, AfD), Julien Thiede (26, SPD) und Torben Hundsdörfer (21, FDP) stellen sich am 23. Februar dem Votum der Wähler.

Um ihre Positionen und Pläne vorzustellen, hat die LIPPISCHE WOCHENZEITUNG die Politiker zu einem Gespräch in das LWZ-Verlagsgebäude eingeladen.

Dabei diskutierten sie mit LWZ-Verlagsleiter Carsten Steinecker und Redaktionsleiter Yves Brummel zentrale Themen wie Innere und Äußere Sicherheit, Strategien zur wirtschaftlichen Erholung und die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Zudem wurden Maßnahmen zur Aufwertung des Lebens im ländlichen Raum und Möglichkeiten, wie vor allem junge Menschen zum Wählen motiviert werden können, thematisiert.

Kerstin Vieregge tritt für die CDU an. Die 48-Jährige sitzt bereits seit 2017 im Bundestag.

„Was muss getan werden, um die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln? Was wollen Sie tun, damit es künftig noch ausreichendes Personal zum Beispiel in der Pflege gibt?“

Kerstin Vieregge (CDU)
Die Wirtschaft braucht Stabilität und Planungssicherheit, weshalb die CDU eine Unternehmenssteuerreform anstrebt und Energiekosten senken möchte. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung am Arbeitsplatz muss gefördert werden, und mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in Forschung und Entwicklung fließen. Bürokratieabbau ist ebenfalls ein zentrales Anliegen, besonders der Stopp des Lieferkettengesetzes und die Verkürzung von Genehmigungsverfahren stehen im Fokus. Wir wollen weg von den Berichtspflichten, die sowieso niemand kontrolliert und liest. Zudem sollte das Bundesbeschleunigungsgesetz wieder eingeführt werden, insbesondere für den Infrastrukturausbau.
Eine verbesserte Kinderbetreuung und soziale Anreize für Vollzeitbeschäftigte sind ebenso nötig. Überstunden und Rentnerverdienste bis 2.000 Euro sollten darüber hinaus steuerfrei sein.
Eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften ist notwendig, aber es braucht auf der anderen Seite auch eine Willkommenskultur. Das Spannungsfeld zwischen Gefährdern und denen, die wir gerne aufnehmen möchten, sowie steigender Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit haben dazu geführt, dass viele Fachkräfte das Land wieder verlassen haben. Der gesellschaftliche Zusammenhalt muss wiederhergestellt und die Integration verbessert werden.

Udo Hemmelgarn (AfD)
Es ist klar, dass die Deindustrialisierung in Deutschland schnell gestoppt werden muss. In allen anderen westlichen Industrieländern läuft es einigermaßen rund, nur in Deutschland nicht. Viele der Probleme sind hausgemacht. Daher ist eine Unternehmenssteuerreform notwendig, ebenso wie der Abbau von Bürokratie und unnötigen Nachweispflichten, die für unternehmerisches Handeln hinderlich sind.
Günstige Energie ist ebenfalls entscheidend, denn sie bedeutet Wohlstand und Prosperität. Die aktuellen Energiepreise, die Deutschland bezahlt, sind unökonomisch, vor allem wenn man bedenkt, dass Länder wie die USA weiterhin von russischen Energiequellen profitieren und Deutschland den Zugang verwehren. Dieses Handeln führt in die Katastrophe.
Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sollte langfristig die Geburtenrate in Deutschland steigen, da eine stabile Bevölkerung für das wirtschaftliche Wachstum wichtig ist. Aktuell liegt die Geburtenrate bei knapp 1,4 Kindern pro Frau, während 2,1 Kinder nötig wären, um die Bevölkerungszahl zu stabilisieren.
Bei einer Streichung des Bürgergelds und qualifizierten Umschulungen kann es für einige der rund drei Millionen Arbeitslosen wieder attraktiv werden, eine Arbeit aufzunehmen.
Sollte die Zuwanderung von Fachkräften unvermeidbar sein, werden wir dieser Lösung natürlich zustimmen. Doch die Fachkräfte, die wir in den vergangenen Jahren aus dem Ausland erhalten haben, waren nicht immer das, was wir uns vorgestellt haben. Daher sollten wir uns zunächst aus dem bestehenden Reservoir des deutschen Arbeitsmarkts bedienen.
Eine schnelle Lösung kann auch in der Remigration unserer Abwanderer bestehen. Viele unserer besten Fachkräfte (zum Beispiel Ärzte) sind aus Deutschland fortgezogen; mit Rückkehrprämien können wir sehr schnell deutsche Fachkräfte dem Arbeitsmarkt kostengünstig zur Verfügung stellen.

Robin Wagener (Grüne)
Investitionen in Bildung sind entscheidend, um Menschen besser für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Wir müssen alle Optionen und alle Möglichkeiten optimieren, damit die Menschen, die da sind und arbeiten wollen, das auch können. Auch eine bessere Kinderbetreuung kann helfen, mehr Arbeitsstunden bereitzustellen.
Gleichzeitig braucht Deutschland gezielte Zuwanderung von Fachkräften, um den Arbeitsmarkt zu stärken. Da müssen wir Anreize setzen, nach Deutschland zu kommen, was die derzeitige Bundesregierung auch bereits auf den Weg gebracht hat.
Um die Wirtschaft zu fördern, ist die Forschungsförderung ein wichtiger Faktor. Da muss der Staat stärker darauf abzielen, Innovationen und Spitzen-Know-how in Deutschland zu halten und mehr Gründungen zu ermöglichen, besonders in der IT-Branche. Da findet ziemlich viel in Amerika und ziemlich wenig in Europa statt, obwohl wir hier auch viele kluge Köpfe haben. Unternehmen und Gründer benötigen daher Anreize und Unterstützung bei der Modernisierung, etwa durch eine Investitionsprämie, die wir gerne auf den Weg bringen würden.
Die Transformation der Industrie, die aktuell stattfindet, muss staatlich begleitet werden, etwa für ressourceneffizienten grünen Stahl oder eine wettbewerbsfähige Automobilindustrie. Statt alte Technologien künstlich zu schützen, muss der Staat Mittel bereitstellen, um Unternehmen bei Innovationen zu unterstützen. Das brauchen wir, um ein starkes, wirtschaftlich leistungsfähiges Land zu sein. Dafür muss der Staat aber auch die entsprechenden Mittel in die Hand nehmen.

Julien Thiede (SPD)
In der Wirtschaft gibt es grundsätzlich zwei Ansätze: die sogenannte unsichtbare Hand, sprich freie Marktkräfte, oder staatliches Eingreifen. Die SPD befürwortet staatliche Investitionen in Krisenzeiten, wie den vom Kanzler angeführten „Made in Germany“-Bonus, der Unternehmen Steuererleichterungen von zehn Prozent der Investitionskosten in Deutschland bietet.
Ein großes Problem ist auch die Bürokratie. Sämtliche Geschäftsleute, mit denen man spricht, klagen einem das Leid des Papierkrieges. Neue Gesetze zum Bürokratieabbau dürfen daher nicht noch mehr Vorschriften schaffen – es braucht nachhaltige Lösungen.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, reicht es nicht, junge Menschen in bestimmte Berufe zu lenken. Wenn sich mehr Schülerinnen und Schüler zum Beispiel für die Pflege entscheiden, dann fehlen sie etwa im Handwerk.
Deutschland ist demnach auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, besonders in der Pflege und im öffentlichen Dienst. Ohne sie würde die Wirtschaft zusammenbrechen. Die Anwerbung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland muss intensiviert werden.

Torben Hundsdörfer (FDP)
Die Diskussion um den Bürokratieabbau wird oft als wenig glaubwürdig wahrgenommen, besonders wenn Politiker immer wieder betonen, dass es unbedingt passieren muss, aber keine konkreten Maßnahmen folgen. Ein Moratorium auf Bundesebene einzuführen, das verspricht, keine neuen bürokratischen Mehrbelastungen zu erzeugen, ohne Netto-Bürokratie für Unternehmen abzuschaffen, wäre eine sinnvolle Selbstverpflichtung der kommenden Bundesregierung. Das bedeutet: kein neues Gesetz oder Nachweispflicht, ohne gleichzeitige Auflösung bestehender Bürokratie und Entlastung von Unternehmen.
Besonders für Start-ups sollte es Erleichterungen geben, zum Beispiel, indem sie das erste Jahr komplett von bürokratischen Pflichten befreit werden. Sie sollten sich ausschließlich auf ihre Idee und den Markt konzentrieren können.
Ein weiteres Anliegen ist das Lieferkettengesetz, das auf europäischer Ebene gestoppt werden muss, um die Unternehmen nicht weiter zu belasten. Steuererleichterungen sind ebenfalls ein Thema: Die Unternehmenssteuerlast sollte auf maximal 25 Prozent gesenkt werden, und der Soli sollte vollständig abgeschafft werden, damit Unternehmen wieder mehr Spielraum haben.
Viele mittelständische Unternehmen und Handwerker fühlen sich von bürokratischen und arbeitsrechtlichen Regelungen erdrückt. Sie haben das Gefühl, dass es sich nicht lohnt, mehr zu arbeiten, wenn sie dafür nur mit mehr Bürokratie und höheren Abgaben konfrontiert werden. In vielen Bereichen braucht es daher nicht mehr Staat, sondern weniger. Gleichzeitig sind Investitionen in Infrastruktur unerlässlich, jedoch steht die FDP weiterhin zur Schuldenbremse.

Udo Hemmelgarn (AfD) sammelte schon von 2017 bis 2021 Bundestagserfahrung.

„Wo sehen Sie die wichtigsten Herausforderungen auf dem Gebiet der Inneren und Äußeren Sicherheit?“

Kerstin Vieregge (CDU)
Ein großes Thema der Äußeren Sicherheit sind Cyber- und Sabotageangriffe, denen wir ausgesetzt sind, wie entzündete Pakete in Transportflugzeugen oder durchtrennte Unterwasserkabel in der Ostsee.
Wir müssen unsere kritische Infrastruktur und Unternehmen besser schützen. Auch Spionage durch russische Agenten und Russlands Versuch, Menschen in Deutschland dafür anzuwerben, steht im Fokus. Zudem wird Migration als Waffe eingesetzt, was auch die Innere Sicherheit betrifft. Das zeigte sich jüngst in Aschaffenburg.
Wir müssen nachschärfen – diese hohe Zahl an Migranten können wir nicht aufnehmen! Ausreisepflichtige oder straffällige Personen müssen schneller zurückgeführt werden und dürfen bis dahin nicht auf freiem Fuß sein, wie der Aschaffenburg-Attentäter.
Letztendlich ist Resilienz entscheidend: Deutschland muss sich gesellschaftlich und wirtschaftlich stärker aufstellen, um unabhängiger und widerstandsfähiger zu werden.

Udo Hemmelgarn (AfD)
In puncto Innerer Sicherheit kann es nur heißen: Grenzen dicht – und das nachhaltig. Das Problem begann nicht erst kürzlich, sondern verstärkt seit 2015 mit Angela Merkels „Wir schaffen das“.
Doch wir schaffen das eben nicht! Die meisten Zuwanderer sind Wirtschaftsmigranten, keine Flüchtlinge, und die braucht unser Land nicht.
Ich war 2018 und 2019 in Syrien. Und bereits damals haben wir uns darum bemüht, einen sicheren Beispielstaat und damit Rückkehrmöglichkeiten zu schaffen, doch die Bundesregierung tat nichts – im Gegenteil, sie ließ noch mehr Menschen ins Land. Rückführungen müssen indes für alle Ausreisepflichtigen gelten, auch in Länder wie Afghanistan und in sichere Gebiete der Ukraine. Viele Migranten, insbesondere aus der Ukraine kommen beinahe touristisch organisiert zu uns, beziehen Bürgergeld und belasten den deutschen Steuerzahler.
Für unsere Äußere Sicherheit brauchen wir eine eigenständige europäische Verteidigung, unabhängig von den USA. Dazu gehören die Wiedereinführung der Wehrpflicht und eine massive Erhöhung des Wehretats.

Robin Wagener (Grüne)
Die größte Gefahr für Deutschlands Sicherheit sind Diktaturen und ihre Unterstützer, auch innerhalb unseres Landes. Die AfD fungiert als Sprachrohr für Diktatoren und trägt deren Botschaften nach Deutschland.
Der Krieg in der Ukraine zeigt zudem, wie Freiheit und Demokratie derzeit angegriffen werden. Gleichzeitig ist Deutschland Ziel russischer Sabotage, Spionage, Morde und Desinformation. Daher muss Deutschland mehr militärische Verantwortung in Europa übernehmen – das ist über Jahrzehnte hinweg nicht hinreichend umgesetzt worden. Die militärische Sicherheit vonseiten der USA ist keine Selbstverständlichkeit mehr, vielmehr müssen wir deren Forderungen entgegenkommen. Sicherheit umfasst jedoch mehr als militärische Stärke: Cyber- und Spionageabwehr, Resilienz der Demokratie, Zivilschutz und den Erhalt der europäischen Friedensordnung, mit der Vereinbarung, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden.
Innenpolitisch müssen Rechtsstaatlichkeit und die Durchsetzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gesichert werden – mit gut ausgestatteten, respektierten Sicherheitskräften.

Julien Thiede (SPD)
Auch die Sozialen Medien beeinflussen die Innere Sicherheit, insbesondere durch Fake News. Problematisch ist unter anderem Metas Ankündigung, keine Faktenchecks und Inhaltskontrollen mehr durchzuführen. Kritische Infrastruktur muss ebenfalls besser geschützt werden. Dazu zählen aber nicht nur Gasleitungen und Hochsicherheitskraftwerke, sondern auch Trinkwasserspeicher, Kläranlagen oder die örtlichen Stadtwerke.
Zudem müssen ausreisepflichtige Personen schneller das Land verlassen, wobei sorgfältig geprüft werden muss, wer betroffen ist und wer nicht.
Für die Äußere Sicherheit braucht es eine europäische Lösung. Europa hat aber nicht die Kraft, sich komplett von anderen Partnern auf der Welt abzuspalten. Daher bleibt auch Deutschland langfristig auf die USA als wichtigsten Partner angewiesen.
Zudem muss mehr Geld in die Bundeswehr fließen – es ist untragbar, dass sie teilweise noch mit veralteten Fahrzeugen aus den 1970er-Jahren operiert, die beinahe auseinanderfallen.

Torben Hundsdörfer (FDP)
Die Zusammenarbeit der Behörden bei der Inneren Sicherheit ist unzureichend. Gewalttäter sind oft lange bei unterschiedlichen Behörden bekannt, doch eine Ausweisung scheitert an mangelnder Koordination. Da muss behördenübergreifend mehr zusammengeführt werden, um solche Fälle treffsicherer zu erkennen.
Asylverfahren dauern ebenfalls zu lange, da Gerichte massiv überlastet sind. Zudem braucht die Landespolizei mehr Personal und Mittel, um Ausreisen effizient durchzusetzen.
Des Weiteren muss sich Deutschland stärker in der NATO und für die europäische Sicherheit engagieren. Eine europäische Armee wäre sinnvoll, da Europa mittelfristig unabhängiger von den USA werden muss und als außen- und sicherheitspolitische Einheit auftreten sollte.
Die Bundeswehr muss als Arbeitgeber speziell für junge Menschen attraktiver werden. Das Sondervermögen war ein guter Anfang, aber es braucht kurzfristig noch mehr Investitionen.

Führen durch das Gespräch in der LWZ-Redaktion: (von links) Redaktionsleiter Yves Brummel und Verlagsleiter Carsten Steinecker.

„Was wollen Sie unternehmen, damit das Leben im ländlichen Raum, in Dörfern und Kleinstädten, attraktiver wird?“

Kerstin Vieregge (CDU)
Es gibt eine hohe Nachfrage nach Wohnraum, unabhängig von der Art – ob Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus oder Single-Wohnung. Es stellt sich die Frage, warum man nicht in ländlichen Gebieten verdichtet, anstatt immer neue städtische Gebiete auszuweisen. Die Infrastruktur wie Straßen und Leitungen ist bereits vorhanden, und mehr Menschen auf dem Land könnten auch zur Belebung der Dörfer beitragen. Früher lebten in einem Haus im Schnitt vier bis sechs Menschen, heute sind es oft nur noch Einzelpersonen oder vielleicht noch ein Paar, was zur Schrumpfung der Dörfer führt und viele Dienstleistungen unrentabel macht.
Die Verbesserung des ÖPNV in ländlichen Regionen, wie im Kreis Lippe, stellt eine Herausforderung dar, insbesondere angesichts des Busfahrermangels. Doch flexible Nachfragelinien wie die „Limo“ könnten eine gute Lösung sein. Auch die Schienenmobilität ist problematisch, vor allem wegen des Lokführermangels und der Bezahlbarkeit. Die Mobilität bleibt somit ein zentrales Thema, vor allem in Hinblick auf die alternde Bevölkerung, um sicherzustellen, dass alle, auch Alleinstehende, noch Zugang zu wichtigen Einrichtungen wie Supermärkten und Arztpraxen haben.
Ein weiteres Problem ist der Rückgang von Veranstaltungen in Dörfern. Aufgrund der vielen bürokratischen Auflagen und der Verantwortung scheuen sich immer mehr Menschen, solche Events zu organisieren. Gerade im Hinblick auf Einsamkeit, die mittlerweile als Volkskrankheit gilt, ist es wichtig, Begegnungsstätten zu schaffen, an denen Menschen aller Altersgruppen zusammenkommen können.

Udo Hemmelgarn (AfD)
Es wird eine deutliche Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs benötigt, wobei das Auto nicht verteufelt werden sollte. Autofahren bietet hohe Flexibilität, und wir müssen uns von der „Klimahysterie“ verabschieden. Die Einführung der CO2-Steuer und das Heizungsgesetz waren und sind völliger Wahnsinn, die insbesondere die Landbevölkerung belasten, während die Städte weniger betroffen sind. Es ist notwendig, dass Städte und Gemeinden im ländlichen Raum günstige Grundstücke anbieten und etwa die Grunderwerbsteuer beim Erstkauf senken. Im Bereich der Nahversorgung, speziell bei Ärzten, kann ich es nicht nachvollziehen, warum der Numerus Clausus weiterhin besteht. Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland viel zu wenig Plätze für Medizinstudenten. Als Akutmaßnahme kann man auch Medizinstudenten das Studium finanzieren, wenn sie sich verpflichten, danach mehrere Jahre als Landarzt zu arbeiten. Außerdem ist eine bessere Infrastruktur, insbesondere der Internetausbau, notwendig, da Deutschland hier im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zurückliegt.

Robin Wagener (Grüne)
Das Dorfleben empfinde ich, wenn ich in Lippe unterwegs bin, als ungemein wertvoll. Kleine Dörfer mit engagierten Vereinen, wie Schützenvereinen oder Volksfesten, spielen eine wichtige Rolle für die Gemeinschaft und müssen unterstützt werden. Dabei ist der bürokratische Aufwand für Ehrenamtliche ein großes Thema – Regelungen sollten an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden, anstatt einheitliche Vorschriften für alle zu haben. Es gibt Regelungen, die sind wichtig für die Sicherheit auf dem Münchner Oktoberfest, aber ob sie auch die passenden für das Wüstener Volksfest sind, stelle ich mal in Frage.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Mobilität, insbesondere in ländlichen Gebieten. Der Kreis Lippe fördert bereits multimodale Verkehrslösungen wie Schnellbuslinien und On-Demand-Verkehre, um den Anschluss an größere Verkehrsnetze und den Fernverkehr zu verbessern. Und darum wollen wir eine stärkere Unterstützung für den ÖPNV im ganzen Land erreichen und ein zuverlässiges System schaffen, wie etwa das „S-Bahn-Netz OWL“, um eine schnellere, verlässliche Verbindung in den Ort und eine engere Taktung zu gewährleisten – denn Mobilität ist wichtig.
Aber es wird auch weiterhin Orte geben, in denen die Menschen vorwiegend mit dem Auto unterwegs sein werden. Wir planen daher unter anderem mit einem 1.000-Euro-Führerscheinzuschuss für Azubis, um ihnen den Zugang zu ihren Ausbildungsplätzen zu erleichtern.
Schnelles Internet ist ebenfalls überall notwendig – für Homeoffice, landwirtschaftliche Arbeiten oder Verwaltungsanträge. Das Vertrauen in den Staat hängt davon ab, dass Investitionen auch in ländliche Infrastruktur fließen. Eine Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist notwendig, um eine stabile Versorgung zu garantieren. Der „Deutschlandpakt“ soll die Grundlage für solche Investitionen bilden und die Schuldenbremse reformiert werden, um diese Ziele zu erreichen.

Julien Thiede (SPD)
Investitionen in die Infrastruktur sind ein entscheidender Punkt, besonders in ländlichen Gebieten. Ein Beispiel sind die vielen Feuerwehrgerätehäuser in Lippe, viele davon aus den 1950er- und 1960er-Jahren, die durch Förderprogramme des Bundes endlich saniert wurden oder noch dringend modernisiert werden müssen. Die Feuerwehr und Heimatvereine sind oft das Zentrum eines Dorfes und müssen stärker unterstützt werden, da sie eine wichtige Rolle für das Gemeinschaftsleben spielen. Ein Problem sind aber auch dort die bürokratischen Hürden, wie zum Beispiel die Forderung nach Lärmschutzgutachten für Neubauten von Vereinsgebäuden, die finanziell für viele kleine Vereine gar nicht tragbar sind.
Ein weiteres Problem ist die unzureichende Versorgung mit schnellem Internet, wie bei einem mir bekannten Fall, bei dem Glasfaserleitungen durch ein Dorf verlegt wurden, aber das Dorf selbst nicht angeschlossen wurde, weil es sich für den Anbieter nicht gerechnet hat. In solchen Fällen muss der Staat eingreifen, um die Menschen auf dem Land nicht abgehängt zu lassen. Ähnliches gilt für die Wärmeversorgung, insbesondere Fernwärme, die in vielen ländlichen Gebieten nicht verfügbar ist, da es sich ebenfalls wirtschaftlich nicht rechnet. Auch hier braucht es staatliche Unterstützung und wir müssen die Leute mitnehmen, weil es sonst zu einem Vertrauensverlust kommt.
Die Mobilität ist ebenfalls ein zentrales Thema. On-Demand-Verkehrssysteme wie die „Limo“ in ländliche Regionen haben sich als nützlich erwiesen und sollten ausgebaut werden. Aber auch Bahnstrecken wie die von Lemgo nach Hameln benötigen eine bessere Anbindung. Zudem bietet das neue Zentrum am Innovation-Campus in Lemgo die Möglichkeiten, um neue Antriebsarten wie das Mono-Cab zu erforschen und zu entwickeln sowie die Anbindung ländlicher Gebiete zu verbessern. Lippe könnte als Modellregion für entsprechende Projekte dienen.

Torben Hundsdörfer (FDP)
Die großen bundespolitischen Herausforderungen wirken sich besonders auf ländliche Gebiete aus. Ein Beispiel ist die Schwierigkeit, Nachfolger für kleine Handwerksbetriebe, Bäckereien oder Metzgereien zu finden. Das liegt an der hohen Bürokratie und den steigenden Arbeitskosten, die es für Arbeitgeber beinahe unmöglich machen, Mitarbeiter zu finden und zu bezahlen. Diese Probleme führen zu einer Spirale, in der, wenn ein Betrieb schließt, auch andere, wie Banken oder Supermärkte, folgen können. Dies verschärft die Versorgungslage auf dem Land, was dazu führt, dass es für Familien weniger attraktiv wird, aufs Land zu ziehen.
Ein weiteres Problem sind baurechtliche Hürden, die es in ländlichen Gebieten erschweren, Infrastruktur zu erweitern oder zu verbessern. Da kann man sich teilweise nur an den Kopf packen. So können Supermärkte, die sich vergrößern wollen, aufgrund von komplizierten baurechtlichen Vorschriften oft nicht expandieren, was letztlich zu einem Rückzug der Nahversorgung führt. Diese Probleme betreffen das tägliche Leben auf dem Land viel stärker als in der Stadt. Auch das Ehrenamt ist betroffen, da die finanziellen Belastungen der Kommunen steigen und der Bund immer mehr Aufgaben an die Kommunen abgibt, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen. Dadurch fehlt es an Ressourcen, um wichtige Einrichtungen wie Sportplätze zu sanieren. Diese Missstände gefährden das gesellschaftliche Zusammenleben auf dem Land, da die Menschen die nötige Unterstützung und Infrastruktur verlieren.

Julien Thiede (links) möchte erstmals für die SPD in den Bundestag einziehen. Robin Wagener ist seit 2021 Teil der Bundestagsfraktion der Grünen in Berlin.

Wie wollen Sie junge (Erst-)Wähler erreichen und überzeugen, wählen zu gehen?

Kerstin Vieregge (CDU)
Wir kämpfen für ein Deutschland, in dem alle gut, gerne und sicher leben können. Und es sollte im Interesse der Kinder sein, sich für die Politik zu interessieren, die das ermöglicht. Gleichzeitig nehmen wir natürlich wahr, dass die Kommunikation mit Teilen der Gesellschaft schwieriger geworden ist. Trotz zahlreicher Angebote wie Veranstaltungen, Bürgersprechstunden und Social Media erreichen wir oft nur eine kleine Zielgruppe beziehungsweise eine bestimmte Blase und nicht die breite Masse, was ich als großes gesellschaftliches Problem ansehe. Daher ist es umso wichtiger, Orte zu schaffen, an denen Menschen wieder zusammenkommen, sei es durch Nachbarschaftskreise oder Sportvereine.
Politik ist in vielen alltäglichen Dingen präsent, auch wenn viele das nicht so wahrnehmen. Politik fängt morgens an, wenn wir den Lichtschalter bedienen oder den Wasserhahn aufmachen oder man den gewünschten Kitaplatz nicht erhält. Deshalb müssen wir das vermehrt in die gesellschaftlichen Debatten einbringen und die Menschen wieder ansprechen.

Udo Hemmelgarn (AfD)
Lust und Neugier auf Politik beginnt in der Familie, bei Freunden und Bekannten, in Vereinen und Schulen. In den Schulen wird heutzutage oft eine politisch links-grüne Ausrichtung durch die Lehrer an die Schüler weitergegeben, insbesondere Themen wie Gendern und Wokeness. Mit dieser Ausrichtung wird man langfristig bei jungen Menschen nicht erfolgreich sein.
Das kann man deutlich daran erkennen, dass wir als AfD zwar nicht die größte Partei in Deutschland sind, aber mit Abstand den größten Erfolg bei Kindern und Jugendlichen haben, insbesondere über die Social-Media-Kanäle. Und vielleicht gucken sich die anderen Parteien mal an, wie das geht. Dann haben sie Anregungen für die Zukunft.

Robin Wagener (Grüne)
Die Selbstwirksamkeit ist ein wichtiger Faktor, um das Vertrauen und die Begeisterung für die Demokratie zu stärken. Das gilt für alle Generationen. Die Menschen, vor allem junge Menschen, müssen erkennen, dass sie aktiv in ihrer Umgebung etwas verändern können, und dass ihre Themen ernst genommen werden. Wir müssen wieder die Begeisterung dafür wecken, wie großartig es eigentlich ist, in unserer freiheitlich-liberalen Demokratie zu leben.
Und gerade junge Menschen müssen das Gefühl bekommen, ernst genommen zu werden. Denn Jugendliche haben vielfältige Sorgen, sei es bezüglich Wohnraum, Klimaschutz oder Wirtschaft. Ich habe schon mit Jugendlichen über Steuervorschläge gesprochen, da musste ich hinterher selbst googeln, weil ich deren Wissen so nicht auf dem Schirm hatte. Diese Themen müssen ernsthaft angesprochen und im Dialog mit den jungen Menschen vertieft werden, auch wenn diese Themen zunächst flapsig wirken, wie etwa die Diskussion über eine „Dönerpreisbremse“.
Dabei sind die Dönerpreise ein Punkt, bei dem auch junge Menschen die Inflation hautnah spüren. Politik muss daher bereit sein, auch auf Plattformen wie TikTok, die ich aufgrund der chinesischen Kontrolle und erheblichen Datensicherheitsbedenken lange gemieden habe, präsent zu sein, um verschiedene Gesellschaftskreise zu erreichen. Aber wir dürfen diese Plattformen nicht den Extremisten überlassen. Social Media bietet eine wichtige Möglichkeit, auch mit jungen Menschen in Kontakt zu treten. Als Politiker ist es unsere Verantwortung, alle Teile der Gesellschaft zu vertreten und auf allen Kanälen präsent zu sein, um die Menschen dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten.

Julien Thiede (SPD)
Das Vertrauen in die Politik ist ein zentrales Thema, und es gibt eine zunehmende Abkehr von der Politik seitens der Bevölkerung. Einige Menschen sind so in ihrer eigenen Blase gefangen, dass sie mit sachlichen Argumenten nicht mehr erreicht werden können. Das empfinde ich als gefährlich und traurig. Politik muss daher auf verschiedenen Kanälen präsent sein, um die Menschen zu erreichen, sei es über Social Media wie TikTok oder Instagram.
Immer nur meckern bringt aber auch nichts – es ist wichtig, aktiv zu werden. Politik findet in vielen Bereichen des Lebens statt, sei es im örtlichen Sportverein, dem Trainer-Rausschmiss beim BVB oder eben der Wahlbeteiligung. Jeder Bereich unserer Gesellschaft ist mit Politik verknüpft und sollte entsprechend wahrgenommen werden.

Torben Hundsdörfer (FDP) ist mit 21 Jahren der jüngste der fünf Kandidaten.

Torben Hundsdörfer (FDP)
Der Staat und die Parteien tragen eine große Verantwortung, um den Kontakt zwischen Jugendlichen und Politikern zu fördern. Es ist ein Unding, dass im Wahlkampf nur selten Podiumsdiskussionen an Schulen stattfinden, und auch dann meist in einer sehr begrenzten Zahl. Schüler haben oft keinen wirklichen Kontakt zu Politikern, was zu einem verzerrten Bild von Politik führt.
Umso wichtiger ist es, dass junge Menschen in ihrer Schul- oder Ausbildungszeit die Gelegenheit bekommen, mit Politikern zu diskutieren und zu verstehen, dass wir auch nur normale Menschen und an ihren Nöten und Sorgen interessiert sind. Es kann nicht sein, dass Jugendliche die Schule verlassen, ohne jemals mit einem Politiker gesprochen zu haben.
Es ist die Verantwortung des Staates, dafür zu sorgen, dass Jugendliche in der Schule oder Ausbildung auch mit Politikern in Kontakt kommen, um ein realistisches Bild von Politik zu erhalten. Podiumsdiskussionen sollten zudem nicht nur eine oberflächliche Show sein, bei der Schüler uninteressiert zusehen.
Vielmehr müssen diese Diskussionen so gestaltet werden, dass sie für die Schüler einen Mehrwert bieten und sie motivieren, selbst aktiv zu werden. Die Verantwortung liegt auch bei den Parteien, die das Gespräch authentisch führen und den jungen Menschen zeigen müssen, dass Engagement in der Politik möglich und wertvoll ist. Es geht darum, die politische Welt zugänglicher und greifbarer zu machen und jungen Menschen zu helfen, ihre eigenen politischen Interessen zu entwickeln und zu verfolgen.