Lage-Hardissen: Repair-Café hilft beim Wiederbeleben alter Schätzchen

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Magier am Werk: Rolf Zilske, Nikolaus Neugebauer, Bruno Senffleben und Rainer Okunek machen sich vor nichts bange und reparieren alles, „was irgendwie ein Kabel hat. Helmut Behnisch hat das Bastel-Eldorado ermöglicht, indem er sein Elternhaus „Alte Schmiede“ an der Hardisser Straße 2b zur Verfügung gestellt hat. Fotos: Hajo Gärtner

Lage-Hardissen. Sie sind nicht mehr die Jüngsten, dafür aber reich an Erfahrung: die Bastel-Genies im Repair-Café der „Alten Schmiede“ an der Hardisser Straße 2b. 

Beim flüchtigen Hinsehen von außen könnte man meinen, es gehe nur um Fahrräder. Weit gefehlt: Notwendige Operationen für die Drahtesel gehen dort zwar auch über die Bühne, aber das ist nur ein Teil des Reparatur-Programms, das besonders ins Auge fällt, weil man die Fahrräder auf dem Hof und im Schuppen stehen sieht. Drinnen aber passiert noch sehr viel mehr.

„Haushaltsgeräte aller Art“ bilden eine Bastel-Herausforderung für Rolf Zilske. „Bis zu einer bestimmten Größe“, schränkt er im Gespräch mit der LWZ ein. Waschmaschinen oder Eisschränke ragen über den Horizont des Machbaren hinaus. Aber eine Geschirrspülmaschine, die hat der passionierte Bastler schon mal auf Vordermann gebracht.

Sie sind dem Projekt treu geblieben: Schüler des integrativen VHS-Kurses „Deutsch bei der Fahrrad-Reparatur“. Idee: Durch praktisches Handeln sprachliche Fähigkeiten entwickeln.

Nach eingehender Analyse wäre ein rund 200 Euro teures neues Bauteil nötig gewesen, um das streikende Haushalts-Schätzchen wieder auf Vordermann zu bringen. 119 Euro hätte die Firma Miele abgerechnet, wenn das Team des Repair-Cafés das Teil zur Reparatur angeschleppt hätte. Zilske nahm das gute Stück komplett auseinander und fand den Fehler: Ein spannungsabhängiger „Varistor“, nicht viel größer als ein Daumennagel, wollte nicht mehr arbeiten. 64 Cent kostete das Ersatzteil, und dann musste das Cafè-Team nicht mehr von Hand spülen und abtrocknen. Die Dankbarkeit war groß.

Und genau das ist die Motivation von Rolf Zilske und seiner ehrenamtlichen Bastel-Kollegen: die Freude in den Augen der Menschen sehen, deren kaputte „Schätzchen“ sie reanimieren. Ob Mixer, Drucker oder elektrischer Dosenöffner: Da gibt’s fast nichts, was das Team nicht schon mal wiederbelebt hätte.

Vorgeschichte: Zilske hat seine jungen Jahre in der damaligen DDR verbracht. „Wegwerfen und neu kaufen konnten wir uns nicht leisten“, erzählt er im Gespräch mit der LWZ. „Geld und Ressourcen waren knapp, und wir haben alles repariert.“ So waren Nachhaltigkeit und Recycling eine Selbstverständlichkeit im ostdeutschen Alltag. Diese harte Schule hat sich ausgezahlt: „Wir reparieren alles, was irgendwo ein Kabel hat“, sagt er und schließt das ganze Team im „Repair Café“ ein, das sich stets an den „Altmeister“ wendet, wenn es auf ein scheinbar unlösbares Problem trifft.

Es geht an der Hardisser Straße 2b nicht um „making Money“: Die Reparatur-Praxis folgt einer sozialen Idee. Als Helmut Behnisch sein Elternhaus „Alte Schmiede“ vor rund fünf Jahren für den Vereinszweck zur Verfügung stellte – vor dem Hintergrund eines europäisch geförderten Leader-Projektes -, musste er sich verpflichten, zwölf Jahre lang keine Gewinne einzufahren. Alle „Handwerker“ arbeiten ehrenamtlich; die Betriebskosten kommen durch Mitgliedsbeiträge und Spenden rein.

Bis zu 50 Gäste tummeln sich derweil dienstags zwischen 15 und 18 Uhr im Repair-Café, und es geht nicht nur ums Aufpäppeln von kranken Alltags-Schätzchen. Man trifft sich bei Kaffee und Kuchen zu einem gemütlichen Pläuschchen; die „Service Crew“ liefert auf Nachfrage sogar komplette Mahlzeiten. Eine heiße Suppe ist in der kalten Jahreszeit allemal drin.

Am Tisch sitzen auch vier Geflüchtete aus Afghanistan und dem Iran, die in der Institution gewissermaßen „hängen geblieben“ sind. Denn das Repair-Café ist vor rund fünf Jahren aus einem VHS-Sprachkurs „Deutsch“ hervorgegangen: Der sollte Zwecken der Integration dienen. Idee: Sprache lernen im Kontext von Alltagshandlungen. Und das Fahrrad spielt gerade im Alltag von Menschen, die nicht mit Reichtümern gesegnet sind, eine große Rolle. Also: Drahtesel reparieren oder tunen und dabei tüchtig sprechen: So lernt man schnell und praktisch eine Sprache. Das war die Idee, und sie funktioniert heute noch.