Ein Blitzer an jeder Straßenecke? Stadt Detmold bietet Kontroll-Partnerschaften an

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Bei Autofahrern nicht gerade beliebt: die Geschwindigkeits-Messgeräte der Verkehrsüberwachung. Geradezu verhasst sind die mobilen Varianten. Sollen sie nun flächendeckend installiert werden, um das Sicherheitsgefühl zu verstärken? Foto: Pixabay

Kreis Lippe/Lage/Detmold. Da ist der Rat der Stadt Lage gestern Abend doch noch einmal zurückgezuckt. Sollen in der Zuckerstadt flächendeckend „Blitzer“ aufgestellt und Raser in Serie zur Strecke gebracht werden? Diese Frage ist in der gestrigen Ratssitzung auf die kommende Sitzung vertagt worden.

Tatsächlich kann die Gemeinde in ein Angebot der Stadt Detmold einsteigen, im Rahmen eines Verbundes der Städte Augustdorf, Blomberg, Detmold, Horn-Bad Meinberg und Schlangen ins „ganze große Geschäft“ der Geschwindigkeitskontrollen auf Straßen einzusteigen. Allerdings behalten sich die Detmolder vor, den Löwenanteil der Einnahmen abzusahnen.

Kommentar

Der Kreis Lippe hält nicht viel von der Detmolder Initiative ausgeweiteter mobiler Verkehrskontrollen, denn er will gern die Hoheit über die Blitzerei behalten und hat nicht vor, diese Überwachung über Gebühr auszuweiten.

Stieß die Idee schon im Hauptausschuss auf Skepsis, so scheute der Rat nun noch einmal zurück. Gewinne fürs Stadtsäckel sind dabei nämlich durchaus nicht garantiert: Davor steht der finanziell schmerzhafte Ankauf neuer Geräte und eine kostspielige Ausweitung des Überwachungssystems.

Und wenn die angestrebte „Erziehung der Autofahrer“ im erstrebten Ausmaß gelingt und alle sich immer und überall penibel an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit halten, hört die Kasse auf, zu klingeln. Dann bleibt Lage auf seinem Anteil an den Kosten sitzen, ohne irgendwas einzunehmen. Angesichts des Geldhungers der Stadt Detmold stehen den sicheren Kosten ungesicherte Einnahmen gegenüber.

Lage hat in den 80er- und 90er-Jahren mit dem Prädikat „autofreundliche Stadt“ geworben. Dem verdanken wir unter anderem den komfortablen und kostenfreien Parkplatz in der Stadtmitte, der früher „City-Center-Parkplatz“ hieß. Zwar gab es anfänglich Versuche einer Bewirtschaftung, die aber wegen Vandalismus an den Schranken und schwieriger Verwaltung schnell aufgegeben wurden. Freies Parken hat sich inzwischen mehr als bewährt, und nicht nur im Zentrum der Stadt.

Das Prädikat „autofreundliche Stadt“ erschien dann Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß. Aber muss es nun durch ein autofahrerfeindliches Prädikat ersetzt werden? Sind Blitzer an jeder Straßenecke für das Image einer kleinen Stadt wirklich zielführend?

Die Einstellung des Kreises Lippe, die mobile Verkehrsüberwachung im Maß zu halten, erscheint mir durchaus vernünftig. Sympathisch auch die Haltung, auf das Verantwortungsgefühl der Autofahrer zu setzen, statt sie überall mit dem erhobenen Finger des „Erziehungsanspruchs von Väterchen Staat“ zu konfrontieren.

Mich beeindrucken die selbst gemalten Plakate von Elterninitiativen vor neuen Tempo-30-Zonen. Da fahre ich dann auch gern Schritt-Tempo statt der erlaubten 30 Kilometer pro Stunde, die mitunter Sicherheit nur vorgaukeln.

Mir gefallen die Lachgesichter von Tempo-Messanlagen mehr als die kalten Drohungen von „Caddys“ und „dicken Bertas“ an Stellen, wo sie wirklich gar nichts sichern, sondern eher die Gewinn-Erwartungen von Verkehrsbeamten bedienen.

Permanent den Tacho zu fixieren, lenkt den Blick vom Verkehrsgeschehen ab, der viel wichtiger für die Unfall-Vermeidung ist. Mir klingelt der Schluss-Satz des obersten Kontrollettis aus „Matrix Resurrections“ im Ohr. Der sagt am Ende zu Neo und Trinity: „Ich kenne die menschliche Spezies. Der Herdenmensch mag meine Welt. Der will dieses sentimentale Zeug nicht. Der will keine Freiheit oder Selbstbestimmung. Der will viel mehr kontrolliert werden.“