Sia Korthaus hat ihr Publikum fest im Griff während der „Zwei-Stunden-Beziehung“. Tatsächlich passt alles zusammen: Wenn die Kabarettistin satirisch über das „schöne Alter“ zwischen „post-menstruell“ und „prä-kukidental“ räsoniert, bringt sie die Erlebnisse und Erfahrungen des Boomer-Publikums spitz auf den Punkt. Montage: Gärtner
Wilder Wechsel zwischen Wallungen
Lage. Sia Korthaus macht mit ihrem 170köpfigen Publikum eine Reise durch Jahrzehnte und verschiedene Themen ihres Lebens: Es ist das der Boomer-Generation. Die Zuschauer erkennen sich wieder und gehen begeistert mit.
Die Kabarettistin Sia Korthaus (Jahrgang 1968) liefert im „Ziegelei-Museum“ eine verblüffende Definition für „Wechseljahre“ ab: Das sei die Zeit, in der man den Partner wechselt oder selbst ausgewechselt wird. Grund: Die Hormone spielen verrückt. Deshalb erscheint ihr diese Phase wie eine Art „zweite Pubertät“. Das Beispiel Gerd Schröder zeige, dass man durchaus auch mehrmals in diese Entwicklungsfalle geraten könne. Frauen aktivieren auf dieser Stufe ungeheuer starke Energien, behauptet sie. Das Klimakterium erscheint ihr als „eigener kompletter Klimawandel“, in der die Frau unter Strom steht und jede Menge Kilowattstunden produziert. Diese Energie könnte man eigentlich grandios nutzen. Warum geschieht das nicht? „Weil 82 Prozent der Ingenieure Männern sind. Deshalb passiert nichts.“
Dass Sehkraft und Hörvermögen nachlassen, sollte man doch eher als „eine Gnade“ empfinden, rät die Kabarettistin. Man müsse vieles nicht mehr mit ansehen oder können manches schlicht überhören. Für Frauen, die mit der Veränderung ihres Aussehens hadern, empfiehlt sie, fünf Jahre alte Fotos zu betrachten, statt in den Spiegel zu schauen, und dabei zu sagen: „Mann, sah ich doch mal gut aus.“ Der aktuelle Zustand werde dann – ein weiteres halbes Jahrzehnt später – ebenfalls als „super“ empfunden. Bloß nicht im Handy die inverse Kamera einschalten. „Wo kommt der Truthahn denn her?“, frage man sich unweigerlich.
Komödiantische Treffer in Serie und massive Publikumsaktivierung – darauf kommt es bei der Kleinkunst immer an – erreicht die Kabarettistin mit der Erinnerung an die Werbespots ihrer Kindheit und Jugend. Sie gibt eine Zeile vor – und die Zuschauer liefern lauthals und treffsicher die Fortsetzung nach. Sia: „Nimm den Husten nicht so schwer“ – Publikum: „Hier kommt der Hustinetten-Bär.“
Impfzentrum im Kölner Puff
Eigene Erlebnisse stehen im Mittelpunkt. So erzählt die Kabarettistin von einem Impfzentrum, das während der Korona-Zeit ausgerechnet in einem Kölner Puff errichtet worden ist. Die „Dame in gewohnter Arbeitskleidung“ habe ihr ein Wattestäbchen rhythmisch in der Nase vor und zurück geschoben. Als sie gefragt habe, ob man das Stäbchen nicht auch mal drehen müsse, bekam sie zur Antwort: „Schätzchen, ich kann das Stäbchen auch für dich drehen. Aber das kostet was extra.“
Sias satirischer Blick trifft aber nicht nur die eigenen Generation. Bei den jungen Mädchen fällt ihr auf: „Alle haben lange Haare und Schlauchboot-Lippen“. Das habe allerdings den Vorteil, dass sie bei einem Kreuzfahrtschiff-Unfall „wie die Karpfen oben schwimmen und nach Luft schnappen können“. Mit 20 sei man gern überall „gebotoxt“ und mit künstlichen Wimpern bewehrt, die beim Augenaufschlag einen Luftstoß aussenden wie ein Fächer.
Das Publikum zeigte sich hellauf begeistert und geizte nicht mit Beifall. Noch mehr als der grandiose Schlussapplaus zählt jedoch die pausenlose Zwerchfell-Massage und erbarmungslose Anspannung der Lachmuskeln. Da lässt Sia Karthaus einfach nicht locker. Erholen können sich die Zuschauer dann bei den kunstvollen und gesanglich schön vorgetragenen Liedern und Chansons; umgedeutet und auf das jeweilige Thema bezogen.