Lemgo. Seit dem 18. Februar zeigt das Schloss Brake im ersten Obergeschoss eine besondere Ausstellung: die Kunstwerke der Brüder Wolfgang und Joachim Tatje. Erstmals ist diese außergewöhnliche Sammlung nun in Lemgo zu sehen.
Insgesamt umfasst die Ausstellung 69 Werke, die auf drei Standorte verteilt sind: Der Großteil ist im Schloss Brake ausgestellt, während 17 Werke in der VHS Detmold-Lemgo und sieben im Café Vielfalt der Stiftung Eben-Ezer/Bethel präsentiert werden.
Die Brüder Tatje haben ihre Wurzeln in Lemgo, wohin es ihre Eltern einst zog – obwohl die Mutter aus dem Schwarzwald und der Vater vom Steinhuder Meer stammten. 1949 bezog die Familie ein Haus an der Benzstraße. Joachim wurde 1947 geboren, Wolfgang folgte 1960.
Während Joachim zunächst die Ostschule besuchte und später auf das Engelbert-Kaempfer-Gymnasium wechselte, wurde bei Wolfgang früh das Down-Syndrom diagnostiziert. Er besuchte deshalb zunächst die Tophelenschule der Stiftung Eben-Ezer/Bethel. Anfang der 1980er-Jahre zog die Familie in den Schwarzwald. Dort fand Wolfgang Tatje bei der Lebenshilfe eine neue Heimat und arbeitete in einer Werkstatt.
Trotz unterschiedlicher Lebenswege verband die Brüder von Kindesbeinen an eine tiefe Leidenschaft für die Kunst. Während das Elternhaus zwar kein künstlerisches Talent besaß, hatte es doch ein feines Gespür für Ästhetik. Wolfgang Tatje, der 2021 im Alter von 61 Jahren verstarb, hinterließ einen umfangreichen künstlerischen Nachlass. Fast 40 Jahre lebte er in einem Wohnheim der Haslacher Lebenshilfe und brachte seine Eindrücke und Gefühle mit leuchtenden Farben auf die Leinwand. Seine Werke zeigen vor allem Bäume, Blumen und Menschen aus der Region, die ihm zur Heimat geworden war.
Bei der Eröffnung der Ausstellung betonte Jörg Düning-Gast, Verbandsvorsteher des Landesverbandes Lippe: „Wir möchten als Landesverband Lippe einen bedeutenden Beitrag zur Inklusion leisten, die unseren Alltag ganz selbstverständlich prägen sollte.“ Auch Joachim Tatje verfolgt mit der Ausstellung dieses Ziel: Er widmet sie seinem verstorbenen Bruder und möchte damit die Wahrnehmung beeinträchtigter Künstler fördern.
Der Kontakt zu einer beeinträchtigten Malerin in Karlsruhe brachte ihn dazu, den künstlerischen Nachlass seines Bruders mit neuen Augen zu betrachten. Gemeinsam mit seinem dritten Bruder Ulrich sichtete er Wolfgangs Werke und erkannte ihre besondere Qualität – was schließlich zur ersten Ausstellung an dessen letztem Wohnort führte.
Auch Vera Scheef, Kunsthistorikerin des Landesverbandes Lippe, zeigt sich von der einzigartigen Bilderwelt beider Brüder begeistert. Nach einer kurzen Einführung führte sie mit Joachim Tatje ein Gespräch, das die rund 70 Besucher im Schloss Brake sichtlich fesselte. Die Werke beider Brüder zeichnen sich durch eine dynamische Ausdruckskraft und intensive, reine Farben aus, die das Bildgeschehen dominieren und kunsthistorische Bezüge erkennen lassen.
Dr. Sonja Girod von der VHS Detmold-Lemgo freut sich, dass 17 Kunstwerke nun im Haus Wippermann präsentiert werden. Auch Igor Oster von Eben-Ezer unterstützt die Ausstellung, sodass sieben Werke aktuell im Café Vielfalt zu sehen sind.
Die Ausstellung läuft an allen drei Standorten bis zum 8. April und kann kostenfrei zu folgenden Zeiten besucht werden: im Schloss Brake von Montag bis Donnerstag, 8 bis 16 Uhr und Freitag von 8 bis 13 Uhr; in der VHS Detmold-Lemgo von Montag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr sowie Montag, Dienstag und Donnerstag von 14 bis 17 Uhr; im Café Vielfalt von Montag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr und Sonntag von 10 bis 18 Uhr.
Vor Ort ist zudem ein Ausstellungskatalog erhältlich. Die meisten Werke sind käuflich zu erwerben; Preislisten mit und ohne Rahmen liegen an den jeweiligen Standorten aus.