Lemgo. Mit der Sonderausstellung „Alles außer irdisch“ zeigt das Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, wie Menschen in verschiedenen Epochen die Welt gedeutet haben. Von der Sichtweise der „Flacherdler“ bis zur modernen Kosmologie. Ein gefragter Lernort: Im vergangenen Jahr besuchten rund 20.000 Wissbegierige das Museum, gibt Silvia Herrmann, die neue Museumsleiterin, bekannt.
Ein großer Plüschbär im Museum? In einem historischen Bollerwagen mit eisenbeschlagenen Holzrädern, wie er jahrhundertelang im Lipperland gebaut und genutzt worden ist? Eine der vielen pfiffigen Ideen, mit denen die einfallsreiche Crew des Weserrenaissance-Museums ihren historischen Stoff an den Mann bringt.
Museumspädagogin Dr. Susanne Hilker erläutert im Gespräch mit der LWZ, wie der Bär in den Bollerwagen kommt. Eigentlich ziert er als Sternbild „Großer Bär“ oder auch „Großer Wagen“ den Nachthimmel, und genau darum geht es im Raum für Sonderausstellungen, der den anderen interessanten historischen Gemächern vorgelagert ist, die wir in dieser Serie vorstellen werden.
„Alles außer irdisch“ lautet das schillernd mehrdeutige Motto des Intro-Szenarios. Denn es geht um den Weltraum; aber immer auch um die Fantasie der Menschen, die sich die Welt in verschiedenen Epochen vollkommen unterschiedlich vorgestellt haben, eben entsprechend dem jeweiligen „Zeitgeist“. Dass es so etwas gibt, ist geradezu mit Händen zu greifen, aber nur schwer direkt zu erklären. Man muss sich in den geistigen Horizont der jeweiligen Epoche hineinbegeben. Sonst versteht man nur „Bahnhof“.
Mit historischen Ausstellungsobjekten, informativen Erläuterungstafeln und zehn interaktiven Spielstationen macht die Museums-Crew Zusammenhänge im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“. Man darf – geradezu untypisch für ein Museum – zupacken, Objekte hin und her wenden, forsch experimentieren, um den Sinn der jeweiligen Stationen zu verstehen.
Kinder und Erwachsene finden beispielsweise heraus, wie viel sie auf dem Mond wiegen würden. Sie drehen am Exoplaneten-Glücksrad, schauen durch ein Fernrohr, spielen Planeten-Memory und betatschen einen echten Meteoriten aus dem 16. Jahrhundert. Der zeigt sich trotz seiner geringen Golfball-Größe als verblüffend schwer.
Warum muss der griechische Held im Lendenschurz die ganze Weltkugel auf seinen Schultern tragen? Darauf kommt niemand, und deshalb wird die Geschichte in der zugehörigen Schautafel erzählt. Pechvogel Atlas stand einfach auf der falschen Seite, als Zeus, der spätere Göttervater, seinen Erzeuger Kronos (die Zeit) entmachtete.
Zeus verdammte Atlas dazu, den Himmel zu tragen, damit dieser sich nicht wieder mit der Erde (Gaia) vereinigen könne, was schon einmal zu einem gigantischen Konflikt unter Göttersöhnen geführt hatte. „Die Trennung der Erde vom Himmel bedeutete das Ende des ursprünglichen Chaos, den Beginn der Herrschaft des Zeus als Sachwalter einer göttlich geordneten Welt“, erläutert Dr. Susanne Hilker.
Interessant ist die kleine silberne, aus Bergkristall geschnittene Skulptur allein schon deshalb, weil sie das Weltbild der Antike vor mehr als 2000 Jahren beleuchtet. Man stellte sich den Himmel als Gewölbe über der „Flacherde“ vor, das mit Sternbildern verziert sei. Immerhin dachte man sich, den Himmel nun dreidimensional als Sphäre mit 41 Sternbildern.
Apropos Himmel und Sterne: „Rund 86 Prozent der Menschen haben eigentlich ein anderes Sternzeichen, als sie denken“, führt die Museumspädagogin und Kuratorin der Ausstellung aus. Die „Präzession“, also die Taumelbewegung der Erdachse, führt dazu, dass die Sternzeichen von heute gegenüber ihrer Kreation aus dem antiken Tierkreiszeichensatz um rund einen Monat verschoben sind. „Der heutige Widder ist eigentlich ein Fisch“, sagt sie schmunzelnd.
In einem Ausstellungsmodell kann jeder nachvollziehen, dass die Sternzeichen in der überlieferten Zusammenstellung von Himmelsleuchtkörpern wild im Weltall verteilt sind und nur von der Erde aus charakteristisch geordnet erscheinen. Tatsächlich gehören sie räumlich auch ganz anders zusammen, als der Augenschein von der Erde aus vermuten lässt. Wie so vieles andere auch: Alles eine Sache der Perspektive.
Wer das mit eigenen Augen überprüfen will, hat dazu noch bis zum 25. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr Gelegenheit. Das ist die Öffnungszeit des Museums. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt.