Baustelle B239 in Lage: Erster Unfall wegen bizarrer Beschilderung [Update]

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Das ist jetzt schon der zweite Unfall binnen weniger Tage im Zusammenhang mit der Baustelle an der B239. Für den ersten am "Landgasthaus Ellernkrug" war jedoch nicht die bizarre Absperrung ursächlich. Fotos: Gärtner

Lage. Nun ist passiert, was zu erwarten war: Es hat gekracht in der bizarr ausgeschilderten Langzeit-Baustelle an der B239. Direkt vor dem Firmengebäude von Hempelmann Lippe-Bikes. Firmenchef Tobias Hempelmann macht seit Wochen auf die gefährliche Situation vor seinem Firmengelände aufmerksam.

Zum Beispiel bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Denn die Firma, die mit der Sicherung der Baustelle beauftragt ist, versagt auf der ganzen Linie.

Unfall wenige Tage nach dem Crash am Landgasthaus „Ellernkrug“

Verwegene Verkehrslösung: Obwohl die rechte Fahrbahn von Hindernissen frei ist, wird der Verkehr in Richtung Detmold – nahe der Zuckerfabrik – durch eine überflüssige Absperrung zum Spurwechsel gezwungen und in den Gegenverkehr gelenkt. Fotos: Hajo Gärtner

Es war klar, dass die aberwitzige Beschilderung, die zu Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung verleitet, über kurz oder lang die ersten Unfälle verursacht. Autofahrer werden nämlich verleitet, in die Kreuzung am Ostring hineinzufahren, um dann, wenn es nicht mehr weitergeht, abenteuerliche Wendemanöver durchzuführen.

Besonders „gekniffen“ sind die Brummi-Piloten, für die 180-Grad-Kehren auf enger Fahrbahn höchste Anforderungen an ihre Manövrier-Kunst stellen. Seit Wochen berichten die LIPPISCHE WOCHENZEITUNG und lage-aktuell.de über den Missstand. Die Stadt weiß Bescheid, die Polizei weiß Bescheid. Aber niemand hielt es bislang für nötig und geraten, etwas gegen die aberwitzige Beschilderung zu unternehmen: Das sei Sache der bauausführenden Firma. Man nennt so etwas ein „dickes Fell“. 

Tatsächlich ist es nicht erlaubt, in die B239 Richtung Detmold einzubiegen: Diese Fahrt endet auch vor Absperrungen in Höhe der Einfahrt zum Gewerbegebiet Sülterheide. Das sagt unmissverständlich ein „Einfahrt verboten“-Schild, verbunden mit einer Absperrbarke, die aber seltsam auf die Seite gerückt ist. Gilt das Verbot nun oder nicht? Man kann diese Stelle aber – rein physisch – problemlos passieren. Drei Mahnungen sieht der Autofahrer unterwegs: am „Markkauf-Kreisel“, auf Höhe der Friedrich-Wienke-Straße und schließlich vor Holz Speckmann. „Frei bis Dieselstraße“ steht da jedes Mal, obwohl die Strecke vom Ostring zur Dieselstraße nicht von Lage aus in Richtung Detmold befahren werden darf. Sie gilt während der Bauphase als Einbahnstraße Detmold -> Lage. Wer das Einfahrt-Verbot missachtet, bewegt sich praktisch gegen die Einbahnstraße. 

Als die Polizei das Verbot der Einfahrt in die Detmolder Straße im Januar kontrolliert hat, verbuchte sie in drei Stunden 45 Verkehrsverstöße und stellte entsprechend viele Strafbescheide im 50-Euro-Wert aus. An der Beschilderung und Absperrung hat sich nichts geändert, aber jetzt kontrolliert niemand mehr und die Autofahrer versuchen von Lage aus nach Detmold durchzudringen oder auf kurzem Weg und ungestört die Firma Meise oder das Gewerbegebiet Sülterheide zu erreichen. 

Am Freitag, 4. April, hat die Baufirma auf Druck von Stadt und Polizei etwas verändert. Aber es ist kaum besser geworden, beobachtet Tobias Hempelmann, der mit seinem Unternehmen an der B239 direkt betroffen ist. Einen Versuch, die Lage zu verbessern, beurteilt Hempelmann als „unzureichend“: Immer noch fahren Autos verbotenerweise in die Baustelle rein und produzieren die gefährliche Situation eines Crashs mit dem Gegenverkehr oder den Nachfolgern beim Turnaround.

Aber es kommt noch besser: Auf Höhe der Friedrich-Wienke-Straße zwingt Absperrung Nummer zwei die Autofahrer, auf die linke Fahrbahn zu wechseln, um das Hindernis zu umfahren: ab in den Gegenverkehr.  Und dann müssen die Autolenker auch noch ein weiß umrandetes Flächenfeld mit dicken weißen Querstreifen durchqueren.

Jeder Autofahrer weiß, was das bedeutet: Eine Sperrfläche darf gemäß StVO nicht mit einem Fahrzeug benutzt werden. Daher ist es nicht gestattet, die Markierung zum Ausweichen, Überholen, Halten oder Parken zu verwenden. In Höhe der Friedrich-Wienke-Straße werden Fahrzeuge zum Passieren der Sperrfläche aber gezwungen. 

Und warum fahren alle in Höhe des Ostrings die Detmolder Straße weiter wie die Lemminge? Im Februar hat man Autofahrer gesehen, die sich vorsichtig und zaghaft an der Absperrung vorbeimogelten. Dann folgten andere selbstsicher, und jetzt gibt es dort einen regelmäßigen Verkehrsfluss der Selbstbewussten, die dann aber ganz unsanft gestoppt werden. Die Entwicklung muss man sich ähnlich vorstellen wie bei der Entstehung einer veritablen Müllhalde im Wald. Erst wirft einer einen Müllsack rein, ein zweiter wirft seinen kompletten Hausmüll nach – und dann gibt’s kein Halten mehr.

Nachfrage bei der Polizeiwache in Lage: Die Polizei sei dort nicht zuständig, sagen die Beamten. Verantwortlich sei vielmehr das Unternehmen, das eine Firma mit der Baustellen-Absicherung beauftragt hat, und letztlich die Stadt. Aber darf die Polizei tatenlos zusehen, wenn die Stadt Autofahrer zu Straftaten im Straßenverkehr verleitet? Und das auch noch quasi vor der eigenen Haustür?

Lassen wir die Kirche im Dorf. Nehmen wir an, das gegebene Ignorieren einer Absperrung werde toleriert, solange die Baufirma noch nicht losgelegt hat. Nehmen wir sogar mal an, die Passage vom Ostring zur Dieselstraße her gelte als erlaubt, und die drei Verbotsschilder davor seien eine Art Straßen-Dekor. Dann kann man sich doch fragen: Wann fängt die Firma denn an, ihre Kabel zu verlegen?

Im Januar fand die erste halbseitige Sperrung der B239 statt, die dann nach Anwohnerprotesten gegen den Umgehungsverkehr eine Woche später wieder aufgehoben wurde. Dann diskutierte man eine zweistreifige Lösung mit Bauampeln, um auch die wieder zu verwerfen, weil der Rückstau vor der Ampel zu lang würde. Ende Februar sollte die Baumaßnahme beendet sein. Jetzt, Anfang April, hat sie noch nicht einmal begonnen.

Wie lange will sich die Stadt Lage denn noch auf der Nase herumtanzen lassen? Der Sprecher der Firma, die das Glasfaserkabel im Auftrag der Firma EWE verlegen soll, haut mal diese, mal jene Nachricht über den geplanten Baubeginn heraus; und dann noch eine dritte, die den beiden anderen zuwiderläuft. Mal ist die Witterung zu schlecht, mal schmeckt auch der bereits geplante Zeitpunkt nicht so richtig. 

Noch eine Kuriosität: Auf der B239 in Höhe der Stadtwerke weist ein großes gelbes Straßenschild die Umleitung „U3“ über die Pivitsheider Straße aus. Die Abfahrt über die Breite Straße wird für „gesperrt“ erklärt (doppelt rot durchgestrichen). Wie das? Die Straße führt doch vollkommen frei am Schulzentrum und Marktkauf vorbei. Damit sollen wohl potenzielle Linksabbieger schon im Vorfeld daran gehindert werden, später am Marktkauf rechts abzubiegen und durch Heiden zu düsen. Sympathischer Zug: Das Dorf Heiden wird geschont, denn die Umleitung über die Pivitsheider Straße ist verkehrstechnisch sicherlich das geringere Übel.

Aber: Darf man eine Straße einfach so als „unbefahrbar“ ausgeben, obwohl sie von Hindernissen vollkommen frei ist? Außerdem möchten dort gern Autofahrer lang fahren, die auf kurzem Weg nach Bad Salzuflen und Herford oder zur A2 in Richtung Hannover wollen und denen kein bisschen der Sinn danach steht, einen Schlenker durch Heiden oder gar Detmold einzuschieben. Folgen sie der ausgewiesenen Umleitung U3, wird ihnen ein mächtiger Umweg auferlegt: über die Pivitsheider Straße, am „Kohlpott“ scharf links um die Kurve, runter bis zur Kreuzung „Ellernkrug“, und dann zurück über die Detmolder Straße (B239) bis zum Ausgangspunkt-Kreisel, um sich – diesmal auf der anderen Straßenseite – in Richtung Oerlinghausen, Bad Salzuflen oder Herford führen zu lassen. Macht ’ne gute Stunde Fahrtzeit obendrauf. 

Ist es fair, dem Umgehungsverkehr eine Stunde Umweg aufzubrummen, indem man eine Straße für gesperrt erklärt, damit das Dorf Heiden von eventuellem Umgehungsverkehr verschont bleibt? Nach links abbiegen möchte hier auch gern, wer nach Bad Salzuflen, Herford oder zur A2 will. Natürlich kommt man da auch nach Lemgo oder Detmold, wenn man will. Warum wird an dieser Stelle gelogen, dass sich die Straßen biegen?

Noch eine Kuriosität: Wer die Baustelle aus Richtung Detmold nach Lage passiert, kann – wenn er gut aufpasst und auf der Streckenhälfte genau hinsieht – am Rand der rechten Fahrbahn ein „Tempo 70“-Schild entdecken. Es ist weder durchgestrichen noch mit einem Tuch verhängt oder sonst wie ungültig gemacht. Tempo 70 in einer Baustelle wie dieser?

Malteser passieren auf einer Rettungsfahrt die Breite Straße in Richtung Klinikum Detmold. Foto: Jörn Fries

Was ist das? Da sausen die Malteser-Retter mit Blaulicht von ihrem „Nest“ die Friedrich-Petri-Straße hinab, um den Kreisel herum in Richtung Breite Straße – die laut Anzeige des großen gelben Verkehrsschildes unbefahrbar ist -, um dann am Marktkauf-Kreisel in die Detmolder Straße einzubiegen und schnurstracks zum Klinikum Detmold zu düsen. Einbahnstraße hin, Einbahnstraße her. Ja, die dürfen das. Ganz nach dem lateinischen Motto: „Quod licet Jovi, non licet Bovi“. Übersetzt: „Was Jupiter sich herausnehmen darf, geziemt dem Ochsen noch lange nicht.“

Tatsächlich haben die Malteser für Rettungsfahrten eine Sondergenehmigung, genau so wie Polizei und Feuerwehr. Das heißt aber noch lange nicht, dass die „Bovi“ es ihnen nachtun und am Ostring die B239 weiter in Richtung Detmold befahren dürfen. Das ist allein schon wegen der Unfallgefahr in der Baustelle verboten, auch wenn die Beschilderung nach wie vor dürftig und fantasielos daher kommt. Im Klartext: Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge erlaubt, aber nicht für „Kamikaze-Fahrer“.