
Kreis Lippe/Kalletal-Varenholz. Der 31. März 1925 war der Tag, an dem die Fährverbindung zwischen Varenholz und Veltheim in die Weltpresse geriet. Damals ereignete sich der größte militärische Unfall in Friedenszeiten. Bei der Überquerung der Weser auf einer von Pionieren gebauten Gierfähre ertranken 80 Soldaten und ein Zivilist. Heute erinnert ein Mahnmal mit einem Obelisken auf der Veltheimer Seite an dieses Unglück.
In diesem Jahr jährt sich das Unglück zum 100. Mal. Daran erinnerten nun Vera Varlemann und Hans-Ulrich Krause vom Arbeitskreis Heimatgeschichte aus Varenholz. Anders als vor zehn Jahren gibt es zur 100-jährigen Wiederkehr aber keinen Festakt auf der Varenholzer Seite. Lediglich auf der Veltheimer Seite soll es eine Gedenkstunde geben, so Vera Varlemann.
Die beiden Heimatforscher erinnerten am Fähranleger an den Hergang der Tragödie. Am 31. März vor 100 Jahren brach bei einer Pionierübung zum Übersetzen der Weser, die aus Pontons gebaute und mit Brettern verbundene Fähre auseinander. Die marschmäßig ausgerüsteten Soldaten des 18. Regiments aus Detmold stürzten in die Hochwasser führende Weser.
Viele von ihnen, aber auch Soldaten, die mit einem zweiten Ponton, der dann ebenfalls kenterte, zur Rettung eilten, ertranken ebenso wie der einzige Zivilist, der Kaufmann Wilhelm Brand aus Varenholz. Er hatte darum gebeten, mit übersetzen zu dürfen, weil die reguläre Fähre aufgrund der Übung nicht verkehrte. Zudem herrschte Hochwasser.
Der Redakteur Georg Strutz war damals nur zwei Stunden nach dem Vorfall am Unglücksort und berichtet darüber in der Mindener Zeitung „Freie Presse”.
Er schrieb, dass das Bataillon aus Detmold mit Verspätung eingetroffen sei und deshalb die Verladung auf die bereitstehende Ponton-Fähre „in aller Eile“ stattfinden musste. Sehr detailliert beschreibt er die Situation der sich neigenden und offensichtlich überladenen provisorischen Gierfähre und die Versuche der Kameraden des Rettungspontons, sowie zahlreicher Zivilisten, die ertrinkenden Soldaten zu retten.
Besonders hervor getan habe sich bei der Rettungsaktion der aus Minden stammende Pionier Gerhard Pape. Acht bis zehn Kameraden, habe er gerettet, heißt es. Auch der Fährmann Huck, der das Unglück habe kommen sehen, rettete vielen Soldaten das Leben, da er mit seiner Fähre bereitgestanden habe.
Weiter heißt es, dass die meisten der Soldaten nicht schwimmen konnten und aufgrund der straffen Befehlshierarchie sich weder von ihrem Rucksack noch ihren Waffen trennten. Diese zogen sie nach unten und wurden den vielen Opfern zum Verhängnis. Der lippische Landespräsident Heinrich Drake, der zum Unglücksort eilte, ordnete Landestrauer für den gesamten Freistaat Lippe an. Fortan, so der Chronist, spräche man in Lippe vom „Schwarzen Freitag“.
Zur Rechenschaft wurde übrigens niemand gezogen. Im späteren Prozess wurde alles auf die „unzureichenden Dienstvorschriften“ geschoben. Heute erinnert nichts mehr, außer der Gedenkstätte, an dieses große Unglück. Friedlich und sicher überqueren heute Wanderer und Fahrradfahrer mit der Gierfähre die Weser. Fährmann Martin Deppe vom Heimatverein Varenholz-Stemmen sorgt dafür seit einigen Jahren.
Auch der jahrhundertelange Streit zwischen Veltheim und Varenholz, also Preußen und Lippe, über die Hoheit der Fähre, ist seit nunmehr elf Jahren zu Gunsten der Lipper entschieden. Aus Geldmangel sah sich die Stadt Porta Westfalica damals nicht mehr in der Lage, die historische Fähre zu betreiben. In Kooperation zwischen den beiden Heimatvereinen diesseits und jenseits der Weser, sowie der lippischen Gemeinde Kalletal, ist der Betrieb weiterhin gesichert. So ist sicher auch auszuschließen, dass es zukünftig zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen an der „Weserfront“, so hieß es noch im Jahr 1727, kommen wird.
Die geschichtlichen Details entstammen dem Buch „Leben am Fluss“ von Reinhold Kölling. Herausgeber ist der Heimatverein Veltheim. Reinhold Kölling hat sich als Ortsheimatpfleger von Veltheim ausgiebig mit der Geschichte der Weserfähre beschäftigt.