Bad Salzuflen: Deutschlands einziges Puschen-Museum steht in Lippe

85
Klaus Süllwald wartet noch auf die Abholung dieser Schuhe aus den frühen Jahren des alten Jahrhunderts, die schon oft repariert wurden. Der Preis für die letzte Reparatur betrug 4,50 Reichsmark. Rechts ist die Arbeitskleidung seines Vaters zu sehen. Foto: Reiner Toppmöller

Kreis Lippe/Bad Salzuflen/Wülfer-Bexten. Im Salzufler Vorort Wülfer-Bexten, an der Bekampstraße 19, gibt es ein für Deutschland wohl einmaliges Museum: das Puschen-Museum von Klaus Süllwald.

In der Schuhmanufaktur, in der noch bis zu Beginn der Corona-Pandemie produziert wurde, bekommen die Besucher jetzt einen Einblick in die Entwicklung eines kleinen Familienbetriebes, der wie zahlreiche weitere zum wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands beigetragen hat.

Was vor allem viele junge Menschen nicht mehr wissen, in Bad Salzuflen gab es seit den 1920er-Jahren etwa 40 meist kleinere Schuhfabriken, die sogenannten „Puschen-Buden“, in denen überwiegend Hausschuhe und Sandalen hergestellt wurden. Darunter Betriebe, die über Jahrzehnte einen guten Namen hatten, wie etwa Plöger, Schwabedissen, Tellbüscher oder Echterdiek.

Klaus Süllwald möchte mit seinem Schuh-Museum die Geschichte und Entwicklung dieses für Bad Salzuflen bedeutenden Industriezweiges mit hunderten von Exponaten und noch funktionierenden Maschinen darstellen. Bis vor circa fünf Jahren produzierten an den Maschinen noch bis zu 20 Mitarbeiter 150 Paar Schuhe und Puschen am Tag.

Ein Puschen, was ist das überhaupt? Der Name stammt vermutlich aus dem Französischen vom Wort „babouche“ (deutsch: Lederpantoffel) und bezeichnet jede Art von Fußbekleidung mit einer Sohle, die zur Nutzung innerhalb des Hauses oder der Wohnung hergestellt und überwiegend in Norddeutschland benutzt wird. Es können damit aber auch weiche Filzpantoffel oder Ähnliches gemeint sein.

Und dort liegen vermutlich die Wurzeln für die vielen Fertigungsbetriebe in der Badestadt. Wie Klaus Süllwald zu berichten weiß, sind daran nicht zuletzt Hoffmann’s Stärkefabriken beteiligt. Denn dort wurde zu Zeiten der frühen Industrialisierung die Ware in Filzsäcken angeliefert und aus eben diesen Filzsäcken fertigten sich die einfachen und armen Leute ihre Filzpantoffeln.

Doch zurück zur Familie Süllwald: Firmengründer August Süllwald startete, nachdem er seine Ausbildung beim Schumacher Tiemann in Salzuflen abgelegt hatte, direkt nach dem Zweiten Weltkrieg in der Waschküche seiner Mutter. Schon kurze Zeit später kam ein alter Schuppen im Garten dazu.

„Weil sich das Geschäft aber auf Dauer im Dorf nicht rechnete und mein Vater schon immer schrift- und redegewandt war, nahm er an einer Ausschreibung zur Reparatur von Stiefeln teil. Wie sich schnell herausstellte, handelte es sich um Militärstiefel der neuen Kaserne in Augustdorf“, erzählt der 62-jährige Klaus Süllwald. Diese Arbeit wurde soviel, dass schon bald die ersten Mitarbeiter eingestellt werden mussten.

Doch schon einige Jahre später sorgte die Bundeswehr für eine eigene Reparaturwerkstatt am Standort, und das so lukrative Geschäft fiel weg. Schnell wurde aber Ersatz gefunden, indem in der Dorfwerkstatt Lohnarbeit für die vielen anderen Schuhfabriken in Salzuflen übernommen wurde. Das ging bis Anfang der 1960er-Jahre gut. Da warf die  Berufsgenossenschaft ein Auge auf den Betrieb und legte dem Unternehmer nahe, den Betrieb in den maroden alten Gemäuern aufzugeben. Im Jahr 1961 wurde der zweigeschossige Neubau bezogen, in dem jetzt das Puschen-Museum zu finden ist.

Als Klaus Süllwald, der bei Cavallo in Bad Oeynhausen zum Schuhfertiger ausgebildet wurde und später auf der Schuhfachschule in Pirmasens seine Ausbildung zum Betriebswirt und Schuhdesigner abgeschlossen hatte, den Betrieb übernahm, führte er in den Achtzigern die neue gewinnbringende Kollektion der Lammfell-Puschen ein.

Das lief, auch durch Unterstützung eines Handelsvertreters, ganz gut bis zum Jahr 2010. Dann spürte auch das Familienunternehmen auf dem Land den Preisdruck und die Probleme in Fachhandel und musste reagieren. Mit Beteiligungen und Teilprodukteinkäufen im Ausland ging es so noch einigermaßen bis zur Corona-Zeit.

All das und vieles mehr erfahren die Besucher des Puschen-Museums in der gut zweistündigen Führung durch die Fertigungsräume und das Lager, in dem jetzt viele sorgfältig ausgesuchte und gesammelte Erinnerungen zu finden sind.

Zwei Jahre akribische Arbeit hat Klaus Süllwald in die Präsentation gesetzt, dabei Maschinen und Werkzeuge und viel Schuhwerk wieder hergerichtet, um den Besuchern die Reise durch die Geschichte zu ermöglichen. Dazu hat er viel zu erzählen aus der Familien- und Firmengeschichte.

Hin und wieder wird an den Maschinen, die alle noch funktionsfähig sind, auch gearbeitet. Klaus Süllwald selbst fertig dann noch maßgeschneiderte Tanzstiefel für die Tanzmariechen des Kölner Karnevals und seit neustem bietet er auch Puschen-Workshops in Zusammenarbeit mit der VHS Bad Salzuflen an. Dort können die Teilnehmer ihre Puschen sellbst nähen.

Der „Museumsdirektor“ im Puschen-Museum freut sich immer wieder, die Vielfalt des Schuhmacher-Handwerks sowie der Schuhindustrie zu zeigen und erläutern zu dürfen. Der Eintritt kostet 5 Euro pro Person.

Wer Interesse an einer Museumsführung hat, kann unter der Telefonnummer 05222/7639 oder per E-Mail einen Termin vereinbaren.