Lage: Fürstliche Ärzte-Residenz an der Werre soll Mediziner anwerben

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Kann sich sehen lassen: das geplante Ärztehaus an der Werre. Das Projekt ist jedoch seit mehr als fünf Jahren umstritten, weil die Stadt ein hohes finanzielles Risiko eingehen würde. Foto: Hajo Gärtner

Lage. Ein Dilemma: Um abzuschätzen, ob Ärzte ein „Ärztehaus“ an der Werre annehmen würden, müssten die Mediziner Details wie zum Beispiel die Raummiete wissen, um ihre Kosten am neuen Standort kalkulieren zu können. Sie geben angestammte und vertraute Standorte doch nicht ins Blaue hinein auf.

Zahlen kann der Rat der Stadt jedoch nicht bekannt geben, weil sie im „nichtöffentlichen Bereich“ gehortet werden, um die laufenden Verhandlungen mit dem Projektentwickler und potenziellen Investor nicht zu gefährden.

Und da liegt der Hase im Pfeffer: Vom „Ärztehaus-Plan“ ist inzwischen so viel bekannt, dass der Investor das Millionen-Risiko nicht allein tragen möchte. Lage soll sich verpflichten, mehr als 500 Quadratmeter für eine Laufzeit von zehn Jahren anzumieten. Was aber, wenn Ärzte – zum Beispiel wegen zu hoher Mietkosten – nicht anbeißen? Nutzen kann die Stadt die Fläche für eigene Zwecke wohl kaum. Das macht auch in Anbetracht von preisgünstigeren Leerständen in der City wenig Sinn.

Und wer soll denn da einziehen im neuen, üppig und schick zugeschnittenen medizinischen Zentrum an der Werre? Wenn Lagenser Mediziner einfach nur umziehen, wäre unterm Strich nichts gewonnen, wenn man das Ziel im Auge hat, Lage mit mehr Ärzten zu versorgen. Man müsste sie also von außerhalb anwerben, also aus dem Umland oder aus Nachbarstädten. Eine Belastung für das gut-nachbarschaftliche Verhältnis, denn auch an diesen Orten fehlen Mediziner, vor allem Fachärzte.

Das Problem stellt sich auch deshalb verschärft, weil viele Ärzte über 60 sind und der Rente entgegensehen. Sie suchen Nachfolger für ihre Praxen, die nicht verwaisen sollen.

Die Problemlage ist so verzwickt, dass die geplante Unternehmung „Ärztehaus an der Werre“ mittlerweile ins sechste Jahr geht. So lange schon steht das schöne große, einladende Plakat im Baustellen-Gerümpel neben der Malteser-Rettungswache. Die Meinungen sind in der politischen Szene gespalten. Während sich die großen Fraktionen von CDU und SPD bedeckt halten, nahmen die kleineren mit ihren Bedenken kein Blatt vor den Mund. „Wir stecken viel Geld in fremdes Eigentum“, gab Martina Hannen (FDP) in der jüngsten Ratssitzung zu bedenken und verwies auf Leerstand, den man günstiger „ertüchtigen“ und nutzen könne.

Angelika Schapeler-Richter (FWG/BBL) verwies auf den Umstand, dass von der Kassenärztlichen Vereinigung gar nicht so viele Stellen für neue Niederlassungen ausgewiesen seien. „Es gibt doch eigentlich gar keine freien Stellen für Fachärzte in Lippe“, resümierte sie. Auch Grüne und AfD äußerten sich skeptisch gegenüber dem Plan. Thomas Assmann (Aufbruch C) deutete „enorme Mietkosten“ an, „die es erheblich erschweren, Ärzte nach Lage zu holen.“ Es sei besser, auf Bestandsimmobilien zu setzen.

Projekt-Sympathie deutete sich bei den großen Fraktionen CDU und SPD an. Sie können sich eine Forcierung des Projektes in Gestalt eines „Vorvertrages“ bis zu einem gewissen Punkt vorstellen: Man könne ja jederzeit aussteigen, urteilte CDU-Fraktionschef Michael Biermann. Tatsächlich hat die Stadt dem „Vorvertrag“ in nicht öffentlicher Sitzung inzwischen mehrheitlich zugestimmt.