Neue LWZ-Serie „Auf einen Kaffee mit“: Dr. Marika Thiersch, Detmolder Bürgermeisterkandidatin

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Zu Besuch im LWZ-Verlagshaus: Dr. Marika Thiersch (CDU) möchte Detmolds neue Bürgermeisterin werden. Foto: Yves Brummel

Kreis Lippe/Detmold. In der neuen LWZ-Serie „Auf einen Kaffee mit“ werden regelmäßig Menschen vorgestellt, die das Leben in Lippe aktiv mitgestalten – oft im Rampenlicht, manchmal im Hintergrund, aber stets mit Leidenschaft und Engagement. Ob Politiker, Künstler, Vereinsmitglieder, Unternehmer oder Ehrenamtliche: Bei einer Tasse Kaffee sprechen sie über das, was sie antreibt, bewegt – und warum ihr Herz daran hängt. Die LWZ-Leser dürfen sich auf persönliche Einblicke, ehrliche Gespräche und Anekdoten freuen.

In der ersten Folge ist Dr. Marika Thiersch zu Besuch im LWZ-Verlagshaus. Die 42-Jährige geht bei der Kommunalwahl am 14. September als CDU-Bürgermeisterkandidatin für Detmold ins Rennen.

Bei einer Tasse Kaffee berichtet sie über ihren bisherigen Werdegang, was sie im Leben antreibt, welche Themen sie als Bürgermeisterin zuerst angehen würde und wie hoch sie ihre Chancen auf einen Wahlsieg einschätzt.

LIPPISCHE WOCHENZEITUNG (LWZ): Für diejenigen, die Sie noch nicht kennen – wer ist Dr. Marika Thiersch?
Dr. Marika Thiersch: Ich möchte gerne mit einem Motto beginnen, das mir viel bedeutet. Es lautet: „Wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein.“ Dieses Zitat von Philip Rosenthal habe ich mir sogar in die Innentasche meiner Sakkos sticken lassen. Speziell im Kontext von Künstlicher Intelligenz finde ich es passend, da sie ein Feld ist, das sich ständig weiterentwickelt – und genau deshalb ist es wichtig, offen für Verbesserung und Weiterentwicklung zu bleiben.

LWZ: Was sollten die Menschen noch über Sie wissen?
Thiersch: Ich bin in Detmold-Hiddesen aufgewachsen, wo meine Familie seit Generationen verwurzelt ist. Nach dem Abitur musste ich aber mal raus aus Detmold. Daher bin ich für mein BWL-Studium mit Schwerpunkt Personal nach Göttingen gezogen, später nach Kiel – auch, weil ich dort Beachvolleyball trainieren konnte. Bei meiner Größe musste ich nicht viel machen – einfach nur am Netz stehen, dafür brauchte ich nicht viel Talent (lacht). Während des Studiums wurde ich angesprochen, ob ich mir nicht vorstellen könnte, nebenbei Geld zu verdienen. So bin ich zum Versicherungswesen gekommen.

LWZ: Wie hat die Arbeit Ihr Leben geprägt und wie ging es beruflich für Sie weiter?
Thiersch: Es war zunächst keine schöne, aber wichtige Erfahrung. Durch die Arbeit in der Kaltakquise habe ich aber gelernt, auf Menschen zuzugehen, Gespräche zu führen – auch wenn einem der Gegenüber vielleicht nicht direkt sympathisch ist. Zusätzlich machte ich die Ausbildung zur Versicherungsfachfrau, leitete zeitweise eine eigene Agentur bei Hamburg und schloss mein Studium berufsbegleitend ab. Im Anschluss war ich in einer Bank tätig, bin aber schnell zurück in die Versicherungsbranche gewechselt. Das ist meine Welt, weil man Menschen wirklich helfen kann. Besonders berührt hat mich eine junge Familie, bei der der Vater plötzlich schwer erkrankte. Wir hatten kurz zuvor gemeinsam die Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Die Absicherung bedeutete für die Familie in dieser schweren Zeit finanzielle Stabilität – und für mich die Gewissheit, dass meine Arbeit wirklich einen Unterschied macht. Später wechselte ich als Nachwuchsführungskraft zur Volksfürsorgeversicherung im Raum München, wurde Bezirksdirektorin und begann parallel ein MBA-Studium mit dem Schwerpunkt Finanzmanagement und Controlling, um ein tieferes Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und Kennzahlen zu entwickeln.

LWZ: Wie sind Sie dann in der Politik gelandet?
Thiersch: Während meiner Zeit bei der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) habe ich meine Dissertation über das Thema „Einfluss staatlicher Regulierung auf die Kundenzufriedenheit in der Finanzdienstleistungsberatung“ geschrieben. Begleitet hat mich firmenseitig Friedrich Bohl, ehemaliger Kanzleramtsminister von Helmut Kohl und langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der DVAG. Zudem führte mich meine Arbeit in den Wirtschaftsrat Deutschland, der als Stimme der Sozialen Marktwirtschaft die Interessen von Unternehmen in die entscheidenden politischen Ressorts und auf allen Ebenen in den politischen Dialog einbringt. Es war eine spannende Zeit, in der ich mit vielen interessanten Persönlichkeiten zusammenarbeiten durfte – und zugleich mein Einstieg in die politische Arbeit.

LWZ: Also ist Ihre CDU-Mitgliedschaft eher Zufall?
Thiersch: Nein, ich war schon immer ein Verfechter von Ludwig Erhard, der den Spruch geprägt hat: „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.“ Diese Haltung vertrete ich auch in der Kommunalpolitik. Ich bin überzeugt, dass wir in Detmold und Umgebung eine starke und vielfältige Unternehmenslandschaft haben – vom soliden Mittelstand bis hin zu international agierenden „Hidden Champions“. Ein gesundes Gewerbe ist für mich die Grundlage für sichere Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stärke. Das wirkt sich positiv auf viele Bereiche aus: den Wohnungsmarkt, die Innenstadtentwicklung und das gesellschaftliche Miteinander.

LWZ: Wenn man Ihren Lebenslauf betrachtet, haben Sie lange fernab der Heimat gelebt. Was führte Sie zurück nach Detmold?
Thiersch: Mein Mann und ich fragten uns, wo wir langfristig leben wollen. Er sagte: „Lass uns zurück nach Bullerbü.“ Gemeint war Detmold. Unsere Zwillinge kamen in die Schule und wir wollen ihnen ein idyllisches Umfeld bieten. Also sind wir nach Jahren in verschiedenen deutschen Großstädten zurückgezogen. Und trotz aller Probleme ist Detmold wirklich noch ein „Bullerbü“.

LWZ: Wie verlief das Wiedereinleben in die alte, neue Heimat?
Thiersch: Sehr gut! Ich bin mittlerweile selbstständig tätig. Mein Mann hat eine Consulting-Firma, in die ich mit eingestiegen bin. Zudem arbeite ich als Interimsmanagerin für ein mittelständisches Detmolder Unternehmen und unterstütze zwei Unternehmen im Versicherungswesen beratend. Und jetzt bin ich hier – glücklich (lacht).

 LWZ: Nun kandidieren Sie als Bürgermeisterin. Wie kam es dazu?
Thiersch: Nach unserer Rückkehr habe ich die CDU mit der Frage kontaktiert, ob sie nicht ein engagiertes Mitglied suchen. Viele meckern, aber nur wenige sind bereit, selbst Verantwortung zu übernehmen. Ich wollte etwas verändern und mithelfen, mein Detmold aktiv mitzugestalten – das Detmold, das ich aus meiner Kindheit kenne. Daraufhin wurde ich zu einem Gespräch eingeladen, aus dem sich die Idee einer Kandidatur entwickelte. Erst dachte ich: Nein! Aber dann kamen Argumente, die mich überzeugten: Eine Bürgermeisterin arbeitet nie allein, sondern im Team – wie ich es aus meinem Berufsleben kenne. Ich habe große Verantwortungsbereiche geleitet, Changemanagement gelebt und hatte immer kompetente und zuverlässige Menschen um mich.

LWZ: Welche Themen, neben einer florierenden Wirtschaft, würden Sie als Bürgermeisterin zuerst anpacken?
Thiersch: Die Verwaltung muss wieder ein Dienstleister für die Bürger sein. Ich bin überzeugt, dass dort engagierte und kompetente Menschen arbeiten, aber starre Strukturen und Bürokratie bremsen vieles aus. Wir brauchen Leitplanken, aber innerhalb dieser muss Eigenverantwortung und eine Kultur der Ermöglichung herrschen. Gleichzeitig müssen wir die Bürger stärker einbinden und sie ermutigen, Detmold gemeinsam weiterzuentwickeln.
Finanziell stehen wir unter Druck: Ohne Veränderung ist der Detmolder Haushalt bis 2028 ausgeschöpft. Das bedeutet unter anderem Kürzungen bei sozialen Projekten. Wir brauchen mehr vorausschauende Haushaltsführung – mit Fokus auf Einnahmen, Ausgaben und die tatsächlichen Aufgaben. Das wird aus meiner Sicht aktuell zu wenig getan.
Auch Kultursicherheit und Innenstadtbelebung sind mir wichtig. Detmold soll Kulturstadt bleiben – indem wir sie aktiv und attraktiv gestalten. Die Innenstadt braucht ein tragfähiges Konzept, um Menschen wieder nach Detmold zu locken und Gewerbetreibende langfristig zu halten. Derzeit profitieren manche Gewerbe nur kurzzeitig – das ist nicht nachhaltig. Wir brauchen nicht den x-ten Kiosk oder Friseur in Bestlage – davon haben wir genug.

LWZ: Was fehlt der Detmolder Innenstadt konkret?
Thiersch: Vor allem Angebote, die Familien und junge Menschen ansprechen. Ein einfaches Beispiel: Kindermode – aktuell gibt es da kaum etwas. Früher gab es viele kleine Boutiquen mit individuellem Sortiment, heute dominieren große Ketten, und die Vielfalt geht verloren. Das finde ich schade, denn gerade diese Vielfalt macht eine Innenstadt lebendig.
Ich glaube, wir müssen die Innenstadt als Erlebnisraum neu denken – als Ort, an dem sich Menschen begegnen, wohlfühlen und gern Zeit verbringen.
Dazu gehören kreative und hybride Marketingkonzepte für den lokalen Einzelhandel, die Online- und Offline-Welt miteinander verbinden. Aber auch ganz praktische Dinge: ausreichend Parkplätze, familienfreundliche Services wie Kinderbetreuung während des Einkaufs oder auch Veranstaltungen, die Kunst, Kultur und Shopping miteinander verbinden – als generationsübergreifende Erlebnisse. Und nicht zuletzt: Ideen, wie wir auch ältere Menschen wieder stärker ins Stadtleben einbinden können. Die Innenstadt hat so viel Potenzial – wir müssen es nur gemeinsam heben.

LWZ: Ein Thema, das die Menschen seit Monaten bewegt, ist die Sicherheit. Wie möchten Sie ihnen das „gute Gefühl“ zurückbringen?
Thiersch: Zwar liegt die Verantwortung bei diesem Thema bei Kreis und Polizei, aber wir können Synergien schaffen. Es gibt viele Akteure – Polizei, Jugendamt, Streetworker, Kinderschutzbund – aber die Kommunikation untereinander ist ausbaufähig. Wir brauchen gebündelte Anlaufstellen und gemeinsame Lösungen. Zudem setzte ich mich für eine Videoüberwachung an sogenannten „Brennpunkten“ ein, um Informationen über Gefahrenquellen einzuholen, Diebe und Täter zu verfolgen, auffällige Betrunkenheit oder belästigendes Verhalten zu entlarven oder Sachbeschädigung aufzuklären. Für mich gehören Sicherheit, Stadtbelebung und Kultur zusammen. Ich gehe gerne in eine Stadt, die sicher ist. Das macht für mich eine lebendige, attraktive Stadt aus, in der man sich mit Freuden aufhält, isst, trinkt, einkauft.

LWZ: Passen denn zu Ihren genannten Schwerpunktthemen auch Klimaschutzziele?
Thiersch: Definitiv! Ich setze mich besonders für den Erhalt und die Wiederbelebung unserer Moore ein. Sie sind wahre Klimaschützer, binden CO2, bieten Lebensraum für zahlreiche Arten und sind Teil unserer natürlichen Vielfalt. Sie sind natürliche CO₂-Speicher und Teil unseres Ökosystems. Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meinem Vater durch ein Moor gewandert bin – heute trocknet es aus. Das darf nicht sein. Außerdem gibt es eine geheimnisvolle Atmosphäre in Mooren. Das Nebeneinander von unberührter Natur und irrlichterndem Wesen ist es, was die Menschen von Anfang an an Mooren fasziniert hat. Vielleicht wäre auch das ein Punkt, um Tourismus und Klimaschutz Hand in Hand weiterzuentwickeln.

LWZ: Noch eine abschließende Frage: Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, die mehr als 30 Jahre währende SPD-Dominanz in Detmold zu durchbrechen?
Thiersch: Realistisch betrachtet sind meine Chancen eher gering. Aber ich glaube: Es ist Zeit für Veränderung. Ausreden sind immer da – Chancen nicht! Und selbst wenn ich nicht gewinne, werde ich meine Themen weiter vertreten – dann eben als starke Stimme in der Opposition.


Das Gespräch führte Yves Brummel.