Lage. Vortrag und Ausstellung von Fotos im Technikum, die das zerbombte Lage im April 1945 vorstellen, trifft auf ein riesiges Publikumsinteresse. Ein verstörendes Bild von Zerstörung und Verzweiflung orientierungslos herum irrender Menschen.
Als die amerikanischen Truppen Lage erreichten, war die Stadt bereits durch vorherige Luftangriffe stark beschädigt. Viele Gebäude waren zerstört, und die Bevölkerung war verängstigt. Nichts zu spüren von einem Gefühl der Befreiung oder gar Erlösung. Für viele Menschen in Lage bedeutete das Eintreffen der Alliierten vor 80 Janren zunächst das Ende der unmittelbaren Kampfhandlungen – und damit eine große Erleichterung. Zugleich begann jedoch eine Zeit der Unsicherheit.
574 Gebäude waren beschädigt; rund 400 Wohnungen zerstört, berichtet Lokalhistoriker Konrad Soppa seinem Publikum im voll besetzten Technikum. Rund 150 Zuhörer lauschen gebannt seiner Darstellung. Etwa 2000 Menschen waren massiv betroffen in der kleinen Stadt mit etwa 8000 Einwohnern. Obdachlos geworden, versuchten sie bei Freunden und Bekannten unterzuschlüpfen oder sonst in irgendeiner Notunterkunft zu stranden. Die Lebensmittelversorgung war denkbar schlecht; viele Männer waren gefallen oder in Gefangenschaft, und die Infrastruktur war durch Luftangriffe und Kriegseinwirkungen stark beschädigt. Zudem trafen in den folgenden Wochen zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Ruhrgebiet und den ehemaligen deutschen Ostgebieten in Lage ein. Die Stadt musste zusätzliche Unterkünfte schaffen, so gut es nur irgend ging, obwohl es nicht mal genug Wohnungen für die eigene Bevölkerung gab.
Rauchende Trümmerhaufen, wohin man auch blickt; Einschlagkrater von 20-Zentner-Bomben bis hoch zum 450-Kilo-Kaliber: ein Bild des Grauens. Selbst der Friedhof an der Pottenhauser Straße zeigt einen Einschlagkrater neben dem anderen; Gräber waren aufgerissen, Leichen an die Oberfläche gewirbelt. Soppa berichtet von Kindern, die auf dem Friedhof noch einmal ihre verstorbenen Freunde sehen wollen, aber von wohlmeinenden Erwachsenen daran gehindert werden.
Es herrscht nackte Existenz-Angst: Wohnungsnot, Lebensmittelknappheit, keine Kohle zum Heizen und Plünderungen an allen Ecken und Enden. „Die Plünderungen waren das beherrschende Thema“, berichtet Soppa. Augenzeugen schildern ein unbeschreibliches Durcheinander und Chaos auf den Straßen. „Soldaten desertieren und Frauen wie Kinder sollen das Vaterland retten.“ Die machtvoll einrückenden US-Streitkräfte feuern über Straßen und Häuser hinweg.
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Viel Beifall bekommt auch Dr. Hans C. Jakobs für seine Darstellung, wie er kleine, geradezu unscheinbare Schwarz/Weiß-Fotos vom Kriegsende in Lage zu einer eindrucksvollen Performance aufgearbeitet hat: Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) hat er die Bilder verlustfrei vergrößert, coloriert und sogar in Bewegung gesetzt. Mit seinem etwa 5minütigen Animationsfilm beeindruckt er das Publikum außerordentlich. „Kann man das machen, ist das erlaubt?“, fragte er als Geschichtwissenschaftler selbstkritisch, um nach Abwägung aller Aspekte zu dem Schluss zu gelangen: „Ja, das darf man, um Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen.“ Tatsächlich ist die Wirkung einer solchen Präsentation tausendfach stärker als das bloße historische Fotomaterial. Man kann sich lebhaft vorstellen, was der Krieg für die Menschen in Lage 1945 bedeutet hat, man kann es nachfühlen.