Gaga-Gerichtsauftritt in Lemgo: Angeklagter erscheint im Schlafanzug

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Symbolbild. Foto: Adobe Stock

Lemgo. Zu einem ungewöhnlichen Auftritt des Angeklagten kam es am Mittwoch, 30. April, vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Lemgo.

Nachdem der wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung angeklagte 37-jährige Deutsche aus Lemgo zur Hauptverhandlung um 8.50 Uhr nicht erschienen war, wollte der Vorsitzende des Schöffengerichts, Richter am Amtsgericht Prof. Dr. Hobbeling, den Angeklagten polizeilich vorführen lassen.

Dessen Strafverteidiger, Rechtsanwalt Klein aus Lemgo, informierte den Angeklagten telefonisch, der zusicherte, sich umgehend auf den Weg zu machen. Bereits um 9.05 Uhr erschien der Angeklagte – barfuß, in Schlafanzug und Adiletten.

Sein ungewöhnliches Outfit erklärte der Angeklagte – nachvollziehbar – damit, dass er verschlafen habe, weil er am Vorabend Alkohol getrunken habe und von Jugendlichen geschlagen worden sei. Wegen einer deutlich wahrnehmbaren Alkoholfahne ordnete Richter am Amtsgericht Prof. Dr. Hobbeling zunächst einen Atemalkoholtest an, der eine BAK von rund 0,74 Promille ergab. Der Angeklagte versicherte aber, sich fit zu fühlen und verhandeln zu wollen, so dass sämtliche Beteiligten seine Verhandlungsfähigkeit feststellen konnten.

Noch vor Verlesung der Anklage kündigte der Angeklagte ein Geständnis an und war ausgesprochen auskunftsfreudig. Er erklärte, wegen diverser persönlicher Schicksalsschläge, unter anderem dem Tod seines Vaters vor zwei Jahren, regelmäßig Alkohol und Marihuana zu konsumieren und den Plan gehabt zu haben, sich „zu Tode zu saufen“, was er aber jetzt „zurückschraube“.

Zudem sei sein Kater angefahren worden und müsse wegen einer gebrochenen Pfote behandelt werden, was für ihn als Bürgergeldbezieher schwierig sei. Seinen Beruf als Kfz-Mechatroniker könne er nicht ausüben, weil ihm der Führerschein entzogen worden sei.

Den Anklagevorwurf räumte der Angeklagte ein. Vorgeworfen wurden ihm Sachbeschädigung und Brandstiftung im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit. Der Angeklagte hatte am 24. August 2024 gegen 0.40 Uhr zunächst vor seinem Wohnhaus seine eigene Gitarre mittels eines Brandbeschleunigers angezündet, wodurch die Straßenmarkierung beschädigt wurde.

Durch eine etwa drei Meter hohe Stichflamme wurden Nachbarn aufmerksam und verständigten die Polizei. Diese nahm die Anzeige auf und stellten eine BAK von 2,4 Promille fest. Der Angeklagte begab sich hiernach in seine Wohnung und trank weiter Alkohol. Gegen 2 Uhr zündete er den Pkw einer Nachbarin an, der im Frontbereich vollständig ausbrannte und einen Totalschaden erlitt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine BAK von knapp drei Promille.

Der Angeklagte gab hierzu an, an dem Tatabend mit einem Bekannten Wodka getrunken zu haben, „um kein Frosch zu sein“. Der Wodka habe ihm „echt die Latschen ausgezogen“, weshalb er sich schlafen gelegt habe. Seine Gitarre habe er aus Verärgerung darüber angezündet, weil er nicht Gitarre spielen könne.

Als Brandbeschleuniger habe er eine Sprühdose mit Bremsenreiniger eingesetzt, die er als Mechatroniker zu Hause gehabt habe. Das Fahrzeug habe er nicht in Brand setzen wollen; er habe wohl etwas unter dem Fahrzeug angezündet und sei geschockt gewesen, als das Fahrzeug auf einmal in Flammen stand. Warum er überhaupt noch einmal nach draußen gegangen sei, wisse er nicht. Er sei Pazifist und habe keinen Terror verbreiten wollen.

Weshalb er überhaupt an dem Pkw etwas angezündet habe, konnte der Angeklagte nicht plausibel erklären. Er zeigte sich aber nachhaltig verärgert, dass Leute in der Straße vor seiner Wohnung „wie die Geisteskranken“ fahren würden, wodurch sein Kater schon zwei Mal angefahren worden sei.

Der Angeklagte erklärte, eine Suchttherapie machen zu wollen. Er entschuldigte sich bei der geschädigten Pkw-Eigentümerin und kündigte an, den Schaden wiedergutmachen zu wollen. Zudem erklärte er sich mit der Einziehung diverser Sprühdosen mit Kfz-Reinigungsmitteln, die die Polizei in seiner Wohnung sichergestellt hatte, einverstanden.

Den Anträgen der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers entsprechend verurteilte das Gericht den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Dem Angeklagten wurde als Bewährungsauflage aufgegeben, mindestens 810 Euro an die geschädigte Fahrzeugeigentümerin zu zahlen, 200 Sozialstunden zu leisten und sich einer Alkoholentwöhnungstherapie zu unterziehen. Für jeden vollständigen Monat Therapie werden dem Angeklagten zehn Sozialstunden erlassen.

Das Urteil ist rechtskräftig. Nach der Verhandlung holte der Angeklagte vor dem Gericht nach, was er offenbar vorher nicht mehr geschafft hatte: Er holte einen Elektrorasierer raus und rasierte sich.