Absage von Traditionsveranstaltungen: Lippe arbeitet an Sicherheitskonzepten

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Neben den bekannten Betonklötzen (links) kommen jetzt auch die flexiblen Straßensperren (rechts) bei Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zum Einsatz. Diese beweglichen Sperren könnten zukünftig unter den Kommunen ausgetauscht werden. Foto: Reiner Toppmöller

Kreis Lippe. Die Kommunen in OWL stehen vor einem schwierigen Veranstaltungssommer. Seit den Anschlägen in der Vorweihnachtszeit herrscht große Sorge um den Erhalt und die Sicherheit von Traditionsveranstaltungen.

Die Kommunen, Werbegemeinschaften, aber auch Vereine und private Veranstalter müssen kostspielige Sicherheitskonzepte erarbeiten und vorlegen. Erste Veranstaltungen im Frühjahr wurden in Lippe bereits abgesagt, weil die Kosten oder das Sicherheitsrisiko für die Veranstalter zu hoch waren.

Die LIPPISCHE WOCHENZEITUNG (LWZ) hat deshalb eine Umfrage unter den lippischen Bürgermeistern und Veranstaltern sowie beim Kreis Lippe, wie sie sich die Zukunft der Traditionsfeste (Dorffeste, Schützenfeste, Kirmes oder Weihnachtsmärkte) in ihren Gemeinden unter den veränderten Bedingungen vorstellen.

Anhand der bisherigen Antworten lässt sich festhalten, dass ein Bedürfnis nach klaren Ansagen aus Berlin oder Düsseldorf besteht, wie man sich verhalten solle. Doch von diesen Stellen ist, soweit man es derzeit sagen kann, keine klare Linie zu erwarten und die Verantwortung somit auf die untere Ebene verlagert.

Fest steht, es gibt keine klaren Handlungsanweisungen. Auch der Kreis teilt auf Anfrage mit, dass es keine Vorgaben oder Absprachen mit den Gemeinden gäbe. Die Sicherheit sei Sache der Kommunen oder der Veranstalter, so die Auskunft. Selbst die Polizei hat keine klaren Anweisungen und vermutlich auch zu wenig Personal. So gibt es also nur zwei Möglichkeiten: Die Veranstaltungen mit hohem Sicherheitskonzept durchführen oder ausfallen lassen wie die Osterkirmes in Lage oder das „LeoEvent“ in Leopoldshöhe.

Situation in Detmold und Leopoldshöhe

Die Bürgermeister von Leopoldshöhe und Detmold haben dazu bereits in separaten Berichten in dieser Zeitung Stellung genommen. Besonders Detmolds Bürgermeister Frank Hilker vertritt eine klare Meinung und sagt, dass in Detmold alle Veranstaltungen in der Stadt stattfinden müssten. „Was ist an der Sicherheitslage anders als an einem gut besuchten Samstag in der Stadt? Ich bin bereit dazu, im gewissen Rahmen Verantwortung zu übernehmen, aber die Menschen müssen auch wissen, dass sie bei jedem Besuch in der Stadt ihr eigenes Risiko tragen. Wir können nicht alles sicher machen.“

Situation in Bad Salzuflen

In ähnlicher Weise äußert sich auch Bad Salzuflens Bürgermeister Dirk Tolkemitt. „Der Aufwand wird immer größer und passiert etwas, sucht man sofort nach einem Verantwortlichen. Das ist dann der Bürgermeister oder der Veranstalter. Die Haftung will in Zukunft aber keiner mehr übernehmen, auch wenn die Kosten für ein Sicherheitskonzept in der Regel nicht das Problem sein werden. Ich sehe die Feste zukünftig wieder auf Festplätzen und nicht in der Stadt, weil es dort eine höhere Sicherheit geben kann“, erklärt Tolkemitt.

Stellungnahme des Kreises Lippe

Eine solche Veranstaltung auf einem Festplatz ist etwa der Wilbaser Markt, für den der Kreis verantwortlich zeichnet. Dazu gibt es von der Pressestelle eine eindeutige Stellungnahme: „(…) die gestiegenen Anforderungen stellen grundsätzlich eine Herausforderung für die Weiterführung solcher Feste dar. Dabei sollte nicht die Angst im Vordergrund stehen, sondern die positive Atmosphäre des gesellschaftlichen Miteinanders und das Vergnügen. Der Kreis Lippe setzt sich dafür ein, dass Traditionen und Brauchtümer erhalten bleiben, während gleichzeitig ein hohes Maß an Sicherheit für die Besucherinnen und Besucher hergestellt wird. Für jedes Marktjahr erfolgt eine Überprüfung und Anpassung auch an die jeweilige Sicherheitslage. Das Gelände wird zum Beispiel an den Eingängen mit IBC-Wegsperren abgesichert.“

Im Anschluss zählt der Kreis in seiner Stellungnahme weitere wichtige Punkte auf, die zur Sicherheit beitragen sollen. Die Frage, ob es Vorgaben des Kreises an die Kommunen gäbe, so wie einige Bürgermeister erklären, beantwortet er ebenfalls mit einer klaren Aussage: „Nein, es gibt keine!“ Demnach liegt die Verantwortung bei jedem einzelnen der lippischen Bürgermeister.

Situation in Lemgo

Aus dem Büro von Lemgos Bürgermeister Markus Baier kommt die Auskunft: „Absagen sind zurzeit nicht vorgesehen. Die Alte Hansestadt Lemgo passt die Sicherheitskonzepte der jeweiligen Veranstaltung, gegebenenfalls in Absprache mit den externen Veranstaltern, immer auf aktuelle Bedrohungslagen an.“

Wie seine Amtskollegen aus Detmold und Bad Salzuflen sieht auch der Lemgoer Bürgermeister eine Absprache unter den Kommunen für wichtig an. Dabei könnte es nicht nur darum gehen, wie Equipment gemeinsam angeschafft und genutzt werden kann, sondern auch darum, dass Feste in verschiedenen Städten und Gemeinden nicht am selben Tagen stattfinden, was zur Weihnachtszeit aber sicher schwer einzuhalten ist.

Situation in Augustdorf

Der Augustdorfer Bürgermeister Thomas Katzer wiederum hat die schwierige Aufgabe, die anstehende Jubiläumsfeier seines Ortes auf kreative Art lösen zu müssen. „Auf dem Festumzug sind 18 Straßen zu sichern. Wir wollten uns das Brauchtum aber nicht kaputt machen lassen und haben im Vorfeld Unterstützer gesucht, die mit ihren finanziellen Beiträgen für die Kosten für die Sicherheit gesorgt haben. So ist ein hoher fünfstelliger Betrag zusammengekommen“, berichtet er.

In Zusammenarbeit mit der Patenkompanie 212, die zur Jubiläumsfeier in bestimmten Bereichen eine Ausstellung ihrer Fahrzeuge organisiert und der Firma Freise, die an bestimmten Straßen große Fahrzeuge und Fahrer zur Verfügung stellt, wird der Umzug für zweieinhalb Stunden abgesichert sein. Dafür sei er der Patenkompanie und dem Transportunternehmen sehr dankbar, betont Katzer.

Situation in Barntrup

Der Barntruper Bürgermeister Borris Ortmeier teilt indes mit, dass die Diskussion für seine Kommune nicht so relevant sei, da es dort keine Großveranstaltungen gäbe. Die kleinen Veranstaltungen im Ort seien in Zusammenarbeit mit den Vereinen und der Feuerwehr schnell und sicher zu schützen.

Bürgermeister Mario Hecker aus dem Kalletal, der dort im August das Heimatfest mit einem großen Festumzug durch Hohenhausen feiert, gibt auf Anfrage der LWZ, genauso wie die Vorsitzende des veranstaltenden Heimatvereins, keine Antwort. Er verweist aber auf Gespräche mit dem Kreis, die diesbezüglich stattgefunden hätten.

Laut Aussage eines Mitgliedes des Orga-Teams des Heimatvereins gegenüber der LWZ müssten für das Heimatfest im Kalletal jedoch rund 20 Straßen abgesperrt werden. Dazu benötige man 20 Trecker oder Sattelzüge mit jeweils zwei Mann Besatzung. Eine fast unerfüllbare Aufgabe. Über Facebook werden vom Veranstalter jetzt Trecker und Sattelschlepper gesucht, um wichtige Zugänge zur Umzugsstrecke abzusperren.

Fazit

Die Diskussion über Schutzmaßnahmen gibt es nicht nur unter den Verantwortlichen. In der Bevölkerung ist das Thema ebenso umstritten, viele Menschen haben Angst, dass alte, traditionsreiche Feste künftig nicht mehr gefeiert werden können.