Susanne Matthiessen liest im Lagenser Technikum aus ihrem Erfolgsroman „Ozelot und Friesennerz“

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Susanne Matthiessen mit ihrem Erfolgsroman neben einem edlen Ozelot-Mantel, den ihr Freund und Pelzhändler Thorsten Pohle besorgt hat. Fotos: Hajo Gärtner

Pelze, Promis und Provinz mit Stil – nostalgisch, bissig und wunderbar komisch. Susanne Matthiessen weiß, wie man Geschichten erzählt, die gleichermaßen glitzern und kratzen. In „Ozelot und Friesennerz“ lässt sie uns eintauchen in das Sylt der 70er und 80er Jahre – ein Ort zwischen Glamour und Gummistiefel, Jetset und Jever, Pelzmodenschau und Protestplakat. Mehr als 100 Zuschauer erlebten die Erfolgsautorin im Lagenser Technikum.

Die Autorin stammt selbst von der Insel, und zwar aus ganz besonderem Hause: Tochter eines Pelzhändlers, aufgewachsen zwischen Nerz und Nieselregen. Ihre Erinnerungen sind dabei alles andere als weich gebürstet. Vielmehr präsentiert sie ihre Kindheit wie ein aus der Zeit gefallenes Modeheft – liebevoll beschrieben, scharf geschnitten, mit feinem Futter aus Ironie.

Im Mittelpunkt steht der gesellschaftliche Wandel jener Zeit. Während sich auf Sylt Prominente in Ozelotmäntel warfen und Pelz als das ultimative Statussymbol galt, rollte bereits die Welle der Kritik heran – angeführt von keiner Geringeren als Brigitte Bardot, die ihre Anti-Pelz-Kampagnen mit medialem Nachdruck in Szene setzte. Der einst begehrte Nerz wurde plötzlich zum ethischen Problemfall. Und das bekam auch die Familie Matthiessen zu spüren.

Ein besonderes Highlight – im wahrsten Sinne haarsträubend – ist die Anekdote rund um einen Bikini aus Nerz, der für eine Filmszene mit Jane Fonda entworfen werden sollte. Der Clou: Der Bikini war so extrem knapp bemessen, dass selbst der ehrgeizigste Pelzdesigner kapitulieren musste. Fell, so die bittere Erkenntnis, eignet sich nur bedingt für hoch erotische Bademode – es trägt eben auf. Ob dieser Bikini je existierte oder nur in einem kreativen Fiebertraum entstand, bleibt offen. Aber allein die Vorstellung von Jane Fonda, wie sie im viel zu engen Pelzteil durch die Barbarella-Kulisse turnt und dabei beinahe von der Exzessmaschine verschlungen wird – sie ist pures Kino. Und Matthiessen erzählt sie mit einem Augenzwinkern, das gleichzeitig entlarvt und liebevoll zurückblickt.

Doch der Roman ist keine bloße Persiflage. Er ist auch ein Nachruf auf eine verschwindende Welt – die der traditionellen Kürschnerkunst, der saisonalen Sommerfrische auf Sylt, der mondänen Auftritte mit Muff und Mumm. Pelz, so lernen die mehr als 100 Zuhörer im Technikum, war nicht einfach Mode, sondern eine soziale Aussage. Ein Mann, der seiner Frau einen Nerzmantel schenkte, war auf dem Niveau eines mittelgroßen Diamanten – das Luxus-Kleidungsstück galt als „Eheversprechen deluxe“. Und wer sich in einen Mantel hüllte, fühlte sich nicht nur warm, sondern auch begehrt und gesellschaftlich geadelt.

Wie aktuell das Thema heute wieder ist – nur mit anderer Perspektive – zeigt ein Ereignis weit weg von Sylt: Eine Lesung der Autorin in der Stadt Lage, im Technikum, organisiert vom Förderverein der Stadtbücherei. Eingeladen und charmant begleitet wurde Matthiessen von Thorsten Pohle, einem echten Könner der Zunft. Kürschner, Pelzdesigner, Reformer. Sein Familienbetrieb fertigt seit 1877 Mode in Pelz und Leder – heute mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Upcycling alter Pelze. Pelz als Ressource, nicht als Skandal – das ist sein Ansatz. Und so wurde die Lesung zu einer Zeitreise mit ethischer Einordnung und echtem Lokalflair.

Pohle, der Matthiessen seit Jahren kennt, brachte eine persönliche Note in den Abend. Als Freund, Berufskollege und Gönner vermittelte er zwischen Nostalgie und Neubewertung. Die Autorin wiederum brachte das Publikum zum Lachen, Staunen – und zum Nachdenken über eine Zeit, in der man sich mit einem Friesennerz noch unter-, mit einem Ozelot aber definitiv überversichert fühlte.

„Ozelot und Friesennerz“ ist keine einfache Sylter Kindheitserinnerung. Es ist ein glänzend geschriebenes Stück Zeitgeschichte – flauschig an der Oberfläche, aber mit Widerhaken im Detail. Matthiessen gelingt es, das Schräge, Schrille und Schöne ihrer Herkunft so zu erzählen, dass man zwischen den Lachern den leisen Wandel spürt, den sie beschreibt. Ein Buch wie eine edle Pelzjacke vom Flohmarkt: ein bisschen verrückt, sehr besonders – und mit jeder Menge Geschichten im Futter.

Unbedingt lesen. Auch ohne Pelz. Und gerne mit einer heißen Tasse Tee. Gegen die soziale Kälte. Oder für heiße Erinnerungen.

Noch ein Freund aus Lage: Ferdinand Schmedding vom Förderverein der Stadtbücherei begrüßt die berühmte Autorin herzlich.