Von Böcken und Frisbee-Scheiben – Haferbachfest in Kachtenhausen

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Das nennt man Spaß in den Backen: Die „Malteser“ fühlen sich in Kachtenhausen gut aufgenommen und pudelwohl, wie man dem Bild von ihrer Teilnahme am „Haferbachfest 2025“ ablesen kann. Auch an den anderen vielen Ständen herrschte „Bombenstimmung“. Vor allem am Stand der „Eisenbahnfreunde Lippe“. Fotos: Hajo Gärtner

Lage-Kachtenhausen. Der Haferbach rief – und der lippische Westen trat ziemlich geschlossen und in Partielaune an. Zum 15. Mal verwandelte sich der Festplatz an der Ehlenbrucher Straße in ein Paralleluniversum aus Bratwurstduft, Musikgewitter und fliegenden Plastikscheiben. Und das alles unter dem ur-lippischen Motto: „Gemeinsam für unsere Ortsteile“ – was so klingt, als hätten sich vier Dörfer auf ein NATO-Bündnis gegen Langeweile geeinigt.

„Gemeinsam für unsere Ortsteile“, das ist das alles überragende Thema im Lagenser Westen von Kachtenhausen über Ohrsen-Ehlenbruch und Wellentrup bis Wissentrup. Natürlich prägt ein so „völkerverbindendes Motto“ auch d a s herausgehobenes Ereignis des gesellschaftlichen Lebens im lippischen Westen: das dreitägige „Haferbachfest“. Das ist nun schon das 15. Mal über die Bühne gegangen, geriet aber jedes Mal, wenn das Wetter passte, zu einem Knüller dörflichen Lebens.

Wenn man Organisator Nils Elgert – „ich bin hier nur der Moderator“ – nach Bedeutung und Geschichte des Großevents fragt, liegt ihm sofort der Name Dirk Gerstendorf (1960 – 2024) auf der Zunge. Elgert gerät ins Schwärmen und der Zuhörer hat das Gefühl, ohne den einstigen rührigen und einfallsreichen Pfarrer würde es Kachtenhausen gar nicht geben; jedenfalls nicht in seiner aktuellen Blüte. Und dann fällt auch gleich der nächste wichtige Name: Ilse Erfling. Die Blutspende-Chefin und Bundesverdienstkreuzträgerin liefert in der Getränkebude unverdrossen Heiß- und Kaltgetränke aus, ganz in der Rolle der „Mutter des Haferbachfestes“.

Der musikalische Startschuss fiel am Freitag mit der Lagenser Band „HIRSCH.BÖCKE“. deren Name klingt wie ein Wildunfall auf der B66, pendelt musikalisch aber irgendwo zwischen „Ramones“ und den „Toten Hosen“. Die tobende Menge war sich einig: Wenn das Dorf rockt, dann bitteschön mit Vollgas und Gitarrensolo.

Ein Dorffest ist wie Familie – nur mit mehr Bratwurst

Ein Dorffest ist im Grunde wie ein Familientreffen – nur dass man sich freiwillig darauf freut. Und wie in jeder guten Familie kommen natürlich auch die Kleinsten zu ihrem Recht. Die Kinder tobten durch die Festwiese, als hätte jemand den Zuckerstreuer überm Müsli vergessen: Auf der Hüpfburg hüpften sie wie frisch gefütterte Fohlen im Frühling, beim „Boden-Bungee“ rannten sie mit vollem Karacho vor einem traurig dreinschauenden Gummiband-Pharao davon, der sie mit stoischer Geduld immer wieder einfing – eine Art aufgeblasener lippischer Sisyphos. Und dann ließen sich kleine Mädchen von großen Mädchen, die was können, auch noch am Schminkstand in Katzen, Mäuse und Einhörner verwandeln.

Hans-Jörg Horn, stellvertretender Jungendwart der Eisenbahnfreunde Lippe, zeigt das „Rangierdiplom“, dass die Einsteins unter den Kids am Stand der Eisenbahnfreunde erwerben konnten.

Für die Einsteins unter den Kids hatte der Stand der Lippischen Eisenbahnfreunde viel zu bieten: Wer das „Rangierdiplom“ bestand, durfte sich nicht nur für einen Lokführer auf dem Wartegleis halten, sondern hatte – möglicherweise  auch das  vielleicht erste Mal im Leben – so richtig Vorfahrt – ein Extra-Bericht zu dieser hochkarätigen Prüfung folgt morgen, versprochen!

Während sich die Kinder körperlich und geistig schafften, hatten sich die Eltern in die gemütlichere Parallelwelt der gastronomischen Ruheoasen zurückgezogen. Dort, wo Kaffee fließt, Kuchen duftet und der Bierpegel mit der Gesprächslaune steigt, saßen sie an Biertischen und erklärten sich gegenseitig, warum sie dieses Jahr wirklich nichts machen, nur mal zuhören wollten.

Für die akustische Sahnehaube sorgte das generationsübergreifende Musik-Trio Dieter Mursch, Tochter Wiebke Kemmler und Enkelin Violett von der „Dorfgemeinschaft Wissentrup“. Mit musikalischen Harmonien zwischen Schunkel-Charme und Kaffeehaus-Chic lieferten sie den perfekten Soundtrack zum Dauerplausch unter Freunden – und solchen, die es innerhalb von drei Minuten wurden, weil sie aus Versehen denselben Stuhl erwischt hatten.

Am Samstag dann das Highlight für alle, die Sport und Zielverfehlung lieben: das Frisbee-Turnier um den Haferbachpokal. Zehn Teams traten an, um Plastikscheiben durch Löcher in einer Torwand zu werfen. Klingt einfach – ist es aber nicht. Den Sieg trug das sagenumwobene „Unicorn-Beachteam“ davon, das sich mit einem schallenden „Vier Hufe, ein Einhorn!“ gegen Feuerwehr und Handball-Mädels durchsetzte. Preisgeld? Wird direkt in Volleyball-Startgebühren und isotonische Kaltgetränke reinvestiert, versprach Teamsprecher Pit Kramp, augenzwinkernd und durstgeplagt.

2025 ist auch das Jahr, in dem PayPal Einzug hielt – nicht etwa fürs Bierzelt-Shopping, sondern ganz lippisch-pragmatisch an der Wertmarkenausgabe. Die Zukunft ist jetzt – und sie kommt mit QR-Code. Dabei blieben die Preise fair, „trotz allem“ – was so ziemlich alles einschließt, von der Inflation bis zur überraschenden Nachfrage nach veganer Bratwurst.

Und wer dachte, Dorfleben sei nur was für die Jugend, wurde spätestens Sonntagmorgen eines Besseren belehrt. Die älteste Besucherin, Lore Hagemann (96), und der älteste Besucher, Karl-Heinz Börchers (88), erhielten Applaus, Anerkennung und vermutlich einen Ehrenplatz in der ersten Reihe beim Festgottesdienst. Wer so lange durchhält, verdient mehr als nur ein Bändchen am Handgelenk. Ach ja, fast vergessen: Zwischen Pommes und Popmusik ging es auch noch um die Zukunft. Rudolf Stölting warb für einen Dorfgemeinschaftsverein, der sich künftig um die Mittsommernacht kümmern soll – getreu dem Motto: Wenn schon alles ehrenamtlich ist, dann bitte auch organisiert. Erste Gespräche liefen vielversprechend – vielleicht auch deshalb, weil alle Beteiligten gerade in der Warteschlange für Kuchen standen und ohnehin nichts Besseres zu tun hatten.

Fazit

Das Haferbachfest 2025 war mehr als ein Dorffest. Es war ein Statement: Für Zusammenhalt, Humor, laute Musik und innige Gespräche am Getränkestand. Für Einhörner, die Frisbees werfen, und 96-Jährige, die den Tanzboden beäugen. Und vor allem dafür, dass man mit Herz, Humor und ein bisschen PayPal auch 2025 noch richtig gut Dorf feiern kann.

Umlagerter Stand und immer eine große Attraktion für kleine Mädchen: die Verwandlung in ein Fabelwesen durch die Hände großer Mädchen, die etwas von ihrem Fach verstehen.