Lage. Eine schmerzhafte Operation steht dem Stadtrat bevor: Er muss entscheiden, an welchen Stellen des Haushaltes 2026 freiwillige Leistungen gekürzt werden. An „Pflichtaufgaben“ können die Kommunalpolitiker nicht rangehen. Und so bleibt nur die kulturelle, soziale und sportliche Substanz der „freiwilligen Leistungen“ für die chirurgischen Schnitte übrig, die den Körper als Ganzes retten sollen. Vielleicht ist Lage hinterher nicht mehr wiederzuerkennen.
Kein leichter Job, den die gewählten Vertreter zu bewältigen haben. Die Zuckerstadt ist hoffnungslos überschuldet. Zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft schon im laufenden Haushalt eine Lücke von rund 13 Millionen Euro. Alle Ersparnisse sind aufgezehrt, das Tafelsilber verkauft. Um der Kommunalaufsicht einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, muss die Stadt einen Kredit in Millionenhöhe aufnehmen. Und die missliche Finanzlage spitzt sich in den nächsten Jahren voraussichtlich noch zu. Wenn die Stadt den Ausgleich nicht mehr schafft, gerät sie unter Kuratel: „Haushaltssicherung“ heißt das Instrument der Aufsichtsbehörde, und es ist ein sehr scharfes Schwert. Alles an Ausgaben wird gestrichen, was irgendwie verzichtbar erscheint. Drei Freibäder und ein Hallenbad für Lage? Zuschüsse für Musikschule und Stadtbücherei, Unterstützung für Sportvereine? Umfangreicher Beratungsservice für Alter, Ehrenamt und soziale Fragen? – „Gehört nicht zur unmittelbaren Daseinsvorsorge, braucht kein Mensch zum Leben“, heißt es dann von der Aufsicht führenden Kreisbehörde in Detmold.
Kämmerer Uwe Aust stellte in der jüngsten Ratssitzung das Einspar-Maximalpaket quer durch alle Abteilungen der Verwaltung und Sektoren der Stadtgesellschaft vor. Ergebnis: Selbst mit der brutalsten Streichorgie wird das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes nicht erreicht. Obwohl die Konsolidierungsvorschläge von rund 260.000 Euro (2025) über 800.000 (2026) auf 1,30 Mio Euro (2027 und 2028) steigen, erscheint die Einsparung wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und das obwohl der Rotstift die normalen Ausgaben um bis zu einem Drittel (33,6 Prozent in 2026) zusammenstreicht. Wenn die gebotene Konsolidierung nicht wirklich möglich ist, warum dann überhaupt sparen? „Wir müssen guten Willen zeigen“, sagt der Kämmerer mit Blick auf das Damokles-Schwert „Haushaltssicherung“.
Wie schwer der Konsolidierungsjob den Kommunalpolitikern fallen wird, kann man am Beispiel von Michael Biermann gut zeigen. Als CDU-Fraktionschef hat er mit Blick auf den ausufernden Schuldenhaushalt von der Verwaltung vehement ein Einsparungskonzept eingefordert. Gleichzeitig ist er als Vorsitzender des Fördervereins der Stadtbücherei fundamental auf Zuschüsse angewiesen. Anfang des Jahres musste der Förderverein schon eine Lücke überbrücken, als der alte Haushalt ausgelaufen, der neue aber noch nicht in Kraft gesetzt war. Das schaffte der agile Verein mit Einkünften und Spendengeldern aus eigener Kraft. So etwas hält ein gemeinnütziger und ehrenamtlich organisierter Verein aber nicht auf Dauer durch. Die Leistungen des Fördervereins liegen offen zutage: tolles Kulturprogramm im Technikum, kleine „Lesezwerge“ und große Büchervielfalt im Stöber-Eldorado.
Schwer schluckten die andächtig lauschenden Kommunalpolitiker, als der Rotstift auch an ihre Sitzungsgelder ranging, die bislang eh höchstens den Aufwand deckten. Und Bürgermeister Matthias Kalkreuter stellte die Frage, ob Lage vier Bürgermeister braucht (mit Stellvertretern). Tatsächlich kann einer allein aber gar nicht all die repräsentativen Termine abdecken, die zum Tagesgeschäft jedes Bürgermeisters zählen. Besuch hochbetagter Lagenser mit einem Blumenstrauß? Kannste dann ebenso vergessen wie die Würdigung verdienter Ehrenamtler.
Das sieht nach Tabula Rasa aus. Deshalb mahnte Kalkreuter, die Axt nicht an jene freiwilligen Leistungen zu legen, die den Charme und die Substanz des sozialen und kulturellen Lebens der Zuckerstadt ausmachen. Wo aber dann? Alle Fraktionen waren sich einig, dass Investitionen in die Infrastruktur von Verkehrswegen und öffentlichem Nahverkehr, Straße und Schule, Kanalisation und Kläranlage unbedingt stattfinden müssen. Denn die Folgekosten einer unbedachten Vernachlässigung wären gewaltig. Dann zeigte sich in ein paar Jahren: „am falschen Ende gespart.“
Brisant wird die Haushaltskonsolidierungs-Debatte vor allem vor der Kommunalwahl im September. Welche Partei wird welche Opfern kreieren? Wird die eigene Klientel geschont? Eins kann man jetzt schon sagen: Das wird ein Hauen und Stechen. Oder alle Parteien einigen sich darauf, die Axt, die das Format eines Vorschlaghammers hat, bis nach der Kommunalwahl im Wald zu lassen, wo es so dunkel hergeht, dass man das dräuende Unheil allenfalls in unscharfen Umrissen ahnen kann.