Bad Salzuflen. „Ich will ins Till“, das war noch vor Jahren eine Ansage, bei der jeder in der Stadt schmunzeln musste. Denn die Bar an der Ecke Beetstraße/ Ahorstraße war in den 1980er-Jahren nicht nur bekannt für einen vergnüglichen Abend, sondern auch für junge, hübsche, käufliche Damen.
Das „Till“ kennt in der Stadt auch nach 65 Jahren noch jeder und nicht nur dort. Prominente Gäste, die damals in der Stadt waren, wie Frank Elstner, Peter Maffay oder Sepp Maier, fanden auch den Weg dorthin, denn die Bar hatte auch geöffnet, wenn alles andere schon geschlossen war.
Von Walter und Maja Kraus im Jahr 1960 eröffnet, war das Lokal eher als Tanzlokal mit Hotelbetrieb für die Salzufler Gesellschaft gedacht. Als Sabine Groth es 1980 übernahm, änderte sich das. In den Achtzigern besaß nicht nur ihr Vater das Hotel Korf, ein einschlägig bekanntes Edelbordell, es gab auch im Umkreis noch weitere derartige Etablissements. Die Zeit war eine andere, die Gesellschaft offener.
Sabine Groth wuchs mit den Umständen des Rotlichtmilieus auf, es war ihr vertraut. Die Prostituierten lebten mit im Haus ihrer Eltern an der Begastraße und seien wie „Tanten“ für sie gewesen. Zum 21. Geburtstag machte ihr Vater ihr dann ein besonderes Geschenk: das „Till Eulenspiegel“.
„Ich dachte, jetzt werde ich in kurzer Zeit schnell richtig reich“, erzählt sie. Aber der Alltag war anders. Das Geld musste hart verdient werden und das Milieu hatte sich über die Jahre verändert. Die Bars im Umkreis schlossen und auch im „Till“ kam das Umdenken im Jahr 2018. Zusammen mit ihrer Tochter Saskia, die wie ihre Mutter im Bordell-Umfeld aufwuchs, traf Sabine Groth die Entscheidung, aus dem Bordell ein Event-Lokal zu machen.
Das Ambiente sollte aber bleiben und so erwartet die Besucher der heutigen Partys eine Zeitreise, wenn sie durch die massive Eingangstür schreiten. Dunkles massives Holz und dunkelrote Wände, dazu die Poolstange auf der Tanzfläche, der Beichtstuhl an der Theke, die geschnitzten Narrengesichter, viel Glitzer oder weiter hinten: eine halbe Kutsche als Séparée. Dahinter, hinter einer Westerntür, steht ein plüschrotes Doppelbett, auf dem sich die heutigen Partygäste lasziv fotografieren lassen können. Die Frivolität der vergangenen Jahre dient heute dem verruchten Touch der Party im Haus.
Das ist das neue Konzept der beiden Frauen, das sie im Jahr 2018 mit der „Kult trifft Kult“-Party zusammen mit Stefan Drexhage, besser bekannt als „Curry“, starteten. Seither gibt es Motto-Partys zu unregelmäßigen Terminen, und wer will, kann das „Till Eulenspiegel“ auch für seine private Feier buchen.
„Das läuft ganz gut und hat schon zu einigen komischen Situationen geführt, wenn zum Beispiel ein Partygast über die Theke hinweg Grüße von seinem Opa ausrichtet“, erklärt die 65-Jährige lachend. Ihre Tochter Saskia sei der kreative Kopf, da sie auch die nächste Generation im „Till“ sei, fügt sie hinzu.
Die junge Erzieherin in einem Leopoldshöher Kindergarten erzählt, dass sich auch für sie einiges geändert habe: „In der Schule wurde oft mit dem Finger auf mich gezeigt, weil jeder wusste, dass ich aus dem ‚Till’ komme. Heute kommen viele meiner ehemaligen Mitschüler zu den Partys zu uns. Denn jetzt ist das ‚Till’ plötzlich Kult.“
Am vergangenen Samstag, 5. Juli, wurde das 65. Jubiläum groß gefeiert. So soll es auch in Zukunft weitergehen, denn: „So etwas wie das ‚Till Eulenspiegel‘ gibt es nicht mehr. Das wollen wir auf jeden Fall erhalten“, sagt Saskia Groth.