Detmold/Marienmünster. Nach der Sommerpause eröffnet das Originalklangensemble Boulevard Baroque seine neue Saison und präsentiert sich mit zwei ganz unterschiedlichen, aber gleichermaßen besonderen Konzerten.
„Wir können es kaum erwarten, unser lippisches Publikum wiederzusehen“, verrät die Künstlerische Leiterin des Ensembles, Karla Enríquez. Mit Gastauftritten bei renommierten Alte-Musik-Festivals in Köln und Antwerpen kehrt das junge Ensemble nun mit den beiden Konzerten in Detmold und der Abtei Marienmünster an seine Entstehungswurzeln zurück.
Bekanntermaßen watet das Ensemble wiederum mit unkonventionellen und dabei die Tradition nie unterwandernden Konzertformaten auf hohem musikalischem Originalklangniveau auf.
Den Auftakt bildet das Werkstattkonzert am 11. September in der Detmolder Martin-Luther-Kirche (Beginn: 19 Uhr). „Das Konzert ist eine Einladung, uns beim Musizieren über die Schulter zu schauen“, erläutert Enríquez. Ohne den üblichen formellen Konzertrahmen, ganz pur und direkt, soll der Austausch mit und über Musik zwischen den Ausführenden und den Hörenden gelingen.
Das etwa einstündige Konzertformat ohne Pause regt zur aktiven Auseinandersetzung mit der Praxis historischer Aufführungskunst an und bietet zugleich musikalische Höhepunkte mit Werken von Händel, Carl Philipp Emanuel Bach und Baldassare Galuppi. Im Zentrum steht die Sinfonie h-Moll sowie das Cello-Konzert von C. Ph. E. Bach mit dem Solisten Ira Givol. „Empfindsamkeit“ war das Schlagwort für den Nachfolger Telemanns (der auch sein Taufpate war) als Musikdirektor an den fünf Hamburger Hauptkirchen.
Der zweitälteste Sohn Johann Sebastian Bachs setzt in seiner Musik weniger auf formale Geschlossenheit und Strenge wie sein Vater als vielmehr auf Ausdruck, Überraschungsmomente und emotionale Tiefe. Damit spielt er eine zentrale Rolle bei der Entstehung des norddeutschen empfindsamen Stils. Das Werkstattkonzert verspricht einen Abend voller Emotion, Nähe und Offenheit – ein einzigartiger Zugang zur Musik des Barock und zu den kreativen Prozessen der Musiker.
Am 13. September präsentiert Boulevard Baroque ein einzigartiges musikalisches Experiment im ehemaligen Schafsstall der Abtei Marienmünster (Beginn: 17 Uhr): Barockmusik verschmilzt mit Live-Electronic zu einem interaktiven Erlebnis.
„Wir wollen unsere Zuhörer nicht nur musikalisch unterhalten, sondern sie zu einem aktiven Teil des Konzerts machen. Wir wollen sie einladen, die Musik zu erleben, mit ihr zu fühlen und sie sogar mitzugestalten“, erklärt Enríquez. Die Zuhörer werden ermutigt, über die Musik nachzudenken und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, die den Verlauf des Abends beeinflussen.
Dazu bringt Boulevard Baroque eine reiche Auswahl an frühbarocker Musik von unter anderem Muffat, Händel und Monteverdi. Das Publikum erhält farbige Zettel, mit denen es das „Orakel“ befragen und Einfluss auf die Musik des Konzertes nehmen kann.
So entsteht ein dynamisches, kollektives Musikerlebnis, bei dem die Zuhörenden aktiv an der Gestaltung des Programms beteiligt sind. „Befragt das Orakel!“, führt das Publikum in die geheimnisvolle Welt der Barockmusik und ermöglicht eine Reise durch emotionale, teils unerforschte Geschichten, die durch die Musik erzählt werden.
Die Solistinnen des Abends sind zwei herausragende Spezialistinnen ihres Fachs: die Sopranistin Isabel Schicketanz, die mit ihrer farbenreichen Stimme und ihrer tiefen Textnähe in der Welt des 17. und 18. Jahrhunderts zu Hause ist, sowie die vielseitige Mylène Kroon, die elektronische Musik mit vokalen Elementen kombiniert und sich musikalisch zwischen den Welten von klassischem Gesang, Jazz und Elektro einer Björk oder Kraftwerk bewegt.
Kroon wird in ihrer Rolle der „Phytia“, die weissagende Priesterin im Orakel des antiken Delphi, mit ihren elektronischen Klangkreationen die Orakel-Maschinerie in die Gegenwart holen. Ein interaktives Konzert, das die Grenzen zwischen Tradition und Innovation, Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen lässt.
Der Eintritt zu beiden Konzerten erfolgt auf Spendenbasis.