Kämpft sich wacker durch den dichten Verkehr: der ULTIMO auf seinem Weg vom Bahnhof in die City. Der Fahrer im weißen Transit (links hinten) staunt nicht schlecht über den Bus ohne Fahrer auf der Gegenfahrbahn. Der Pilot des Autos vorne rechts hat vor Begeisterung seine Trinkflasche auf dem Autodach vergessen (roter Pfeil). Archivfotos: Jörn Fries

Herford. Bald drehen Busfahrer Däumchen, denn die Entwicklung autonomen Fahrens wird in Ostwestfalen mächtig vorangetrieben. Die Deutsche Bahn geht aufs Ganze und wagt einen Probebetrieb im normalen Straßenverkehr.


Herford unternimmt beherzt den Schritt in die Zukunft – und zwar einen, bei dem die Busfahrer bald nur noch Däumchen drehen. Seit Mittwoch rollen die neuen ULTIMO-Shuttles über Herfords Straßen. Klein, elektrisch, autonom und mit so viel Sensorik bestückt, dass man meinen könnte, sie scannen auch den Himmel über Ostwestfalen auf russische Drohnen.

Die futuristischen Minibusse tuckern vom Bahnhof einmal quer durch die City und zurück; also genau dort entlang, wo man sonst gerne mal im Stau steht. Nur dass die Shuttles vermutlich bessere Nerven haben.

Damit sich die Passagiere sicher fühlen, sitzt in jedem Shuttle noch ein Sicherheitsfahrer. Der Job ist simpel erklärt: nicht fahren, aber trotzdem alles im Blick haben – quasi wie ein Engel auf Mission mit Superkräften.

Sitzplätze wie im Raumschiff – nur mit Stopptaste

Die Gefährte bieten Platz für neun Passagiere und sogar für einen Rollstuhl. Schneller als 45 km/h werden sie nicht, was so schnell ist wie ein Kleinmotorrad oder ein E-Bike auf Höchstgeschwindigkeit. Allemal zügiger als ein Rollerfahrer, der mit Einkaufstüten balanciert. Die Mitfahrt ist kostenlos, was das Ganze noch futuristischer macht.

Allerdings: Einfach einsteigen wie beim guten alten Linienbus ist nicht drin. Wer mitfahren will, muss sich vorher online registrieren und per App ein Ticket buchen. Schließlich handelt es sich um einen „Erprobungsbetrieb“ – was vermutlich bedeutet, dass das System erstmal testen muss, ob die Passagiere überhaupt mit Apps klarkommen. Wer diesen Test besteht, ist auch in der Lage, eine autonome Mitfahrt zu bewältigen.

Wer nun denkt, er könne sich kostenlos chauffieren lassen, ohne etwas zurückzugeben, ist auf dem Holzweg: Er muss sich zwischendurch befragen lassen. Vermutlich nach so weltbewegenden Dingen wie: „Fühlen Sie sich wohl?“ „Haben Sie Angst um Ihre Sicherheit?“ „Wie finden Sie die Geschwindigkeit?“ oder „Wie fühlt es sich an, von einem Computer gesteuert  zu werden?“

Das Ganze ist Teil des europäischen Projekts ULTIMO, das in Oslo schon gestartet ist und in Genf bald beginnen soll. Die Region OWL darf also quasi den Mittelteil der europäischen Testfahrt spielen. Finanziert wird der Spaß mit 24 Millionen Euro von der EU – vermutlich die teuerste Stadtrundfahrt, die man hierzulande je gesehen hat.

Und so beginnt also die Ära des autonomen Fahrens nicht in irgendeiner Metropole, sondern in der Region. Ob die Shuttles irgendwann wirklich alle Busse ersetzen oder doch nur als futuristische Attraktion zwischen Bahnhof und Innenstadt kleben bleiben, wird sich zeigen. Sicher ist: Wer künftig verschlafen am Bahnhof steht, kann sich wenigstens nicht mehr über den Busfahrer beschweren.

Der ULTIMO macht auch optisch etwas her: Ein Ding zwischen Bus und Raumschiff. Mit seiner üppigen Sensorik, die auch nach oben gerichtet ist, scheint er in der Lage zu sein, sogar russische Drohnen im Himmel über Ostwestfalen zu orten.