Kreis Lippe/Kalletal. Zwei Tage vor der Kommunalwahl hatten die Unabhängigen Kalletaler Bürger (UKB) einen Termin vor dem Landgericht in Detmold. Am Freitag, 12. September, um 10.30 Uhr, ging es im Saal 143 in der öffentlichen Versammlung um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen der Wählerinitiative, wie es der Vorsitzende Richter Dr. Jörg Mertens am Anfang der Verhandlung auch dem zahlreich erschienenen Publikum erklärte.
Allerdings war keine der beiden Parteien vor Gericht erschienen. Vielmehr wurde die Verhandlung per Videokonferenz in den Sitzungssaal auf einen großen Bildschirm übertragen.
Rechtsanwältin Julia Basselmann von der Kanzlei Brandi vertrat das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) als Klägerin. Dessen Geschäftsführerin Gabriele Dostal trat dabei weder persönlich in Erscheinung noch äußerte sich öffentlich. Auf der anderen Seite wartete der Anwalt Dirk Effe mit dem Vorstand der Wählergemeinschaft UKB.
Das MVZ als hundertprozentige Tochter der Gemeinde, deren Vorsitzender der Gesellschaftsversammlung der Bürgermeister ist, will sich mit einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gegen angebliche rufschädigende Äußerungen wehren.
Im Wahlkampf hatten die UKB unter anderem gemutmaßt, das MVZ könnte bereits insolvent sein. Grundlage dafür waren die bekannten Zahlen zu den Kosten des MVZ sowie die ihnen bekannten, geringen Patientenzahlen.
Die UKB sind nicht Mitglied der Gesellschaftsversammlung und forderten von Beginn an die Veröffentlichung der Geschäftszahlen, was bis jetzt von Bürgermeister Mario Hecker sowie der Geschäftsführerin Gabriele Dostal abgelehnt wird. Aus diesem Grund wurden Vermutungen, aber auch Tatsachen von der UKB in die Öffentlichkeit gebracht, die zu dem jetzt vor Gericht ausgetragenen Streit führten.
Dr. Mertens stellte klar, dass es in dem Unterlassungstermin um Tatsachenbehauptungen ginge, die die Beklagten beweisen müssten, aber auch um Werteeinschätzungen, die der Meinungsfreiheit unterliegen würden.
So fragte er die Vertreter der UKB, woher sie die Summe von 178.000 Euro hätten, die als Unterstützung der Gemeinde im Raum stünde. Nur mühsam konnten die Vertreter diese Tatsachenbehauptung belegen und bezogen sich auf die Erklärung, man habe diese Zahl selbst errechnet. Bei dem Vorwurf, dass die Gemeinde Steuergeld im MVZ eingesetzt habe, konnte dies aber durch die Einzahlung des Stammkapitals bewiesen werden.
Rechtsanwältin Julia Basselmann konnte im weiteren Verlauf weder belegen, dass niedergelassene Ärzte an der Vorbereitung des MVZ beteiligt waren, noch die Behauptung untermauern, es seien ursprünglich drei Ärzte für die Gründung vorgesehen gewesen, von denen einer nicht über die erforderliche Zulassung verfügte.
Erst nach einer Sitzungsunterbrechung, in der geklärt werden sollte, wie eine Einigung erzielt werden könne, kehrte sie mit einer Liste derjenigen Ärzte zurück, die nach ihrer Darstellung im Kalletal niedergelassen und an der Vorbereitung beteiligt gewesen sein sollen. Rechtsanwalt Dirk Effe kritisierte zuvor, dass die Geschäftsführerin des MVZ nicht anwesend sei, um sie in diesen speziellen Fragen zu befragen.
Noch vor der Sitzungsunterbrechung durch den Vorsitzenden, der einen Vergleichsvorschlag einbrachte, äußerte die Anwältin der Klägerin: „Solche Aussagen wie die der UKB führen nicht dazu, dass mehr Patienten kommen.“ Rechtsanwalt Effe regte daraufhin eine öffentliche Diskussion über die strittigen Punkte an.
Nach der Unterbrechung erklärte die Klägerin, dass ihre Mandantin eine öffentliche Diskussion nicht grundsätzlich ausschließe, bestand aber darauf, dass bestimmte Aussagen nicht mehr getätigt würden. Das lehnten die Beklagten ab und stellten den Antrag, die Klage zurückzuweisen. So kann es letztlich nicht zu einer Einigung.
Der Vorsitzende Richter nahm dies zur Kenntnis und legte den Termin für das Urteil und seine Begründung auf den 26. September, um 10.30 Uhr, im selben Saal fest.
Kommentar
Zwei Tage vor der Kommunalwahl wird ein politischer Wettbewerber wegen angeblicher Rufschädigung vors Gericht gezogen. Statt im Vorfeld für Klarheit und der von vielen Seiten geforderten Veröffentlichung von Zahlen für Klarheit zu sorgen, verschanzen sich die Geschäftsführerin, aber auch der Bürgermeister als Vorsitzender des Aufsichtsrates und politisch Verantwortlicher, hinter einer Mauer des Schweigens.
Immer wieder wird betont, es gehe um nicht-öffentliche Dinge. Das ist aber nicht richtig. Es geht hier um, wie der Name es schon sagt, eine Kommunale Einrichtung, zu der nicht nur Geld zur Gründung bereitgestellt, sondern auch Kredite in Millionenhöhe aufgenommen wurden. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, die bösen Buben sind schuld, die durchs Land ziehen und nicht bewiesene Behauptungen verbreiten, was zum Patientenmangel führe, ist billig und durchschaubar.
Das alles, inklusive der Gerichtsverhandlung, wäre unnötig, wenn der Bürgermeister und die Mehrheitsfraktionen, die zur Gründung beigetragen haben, von Beginn an mit offenen Karten und der größtmöglichen Einbindung der Öffentlichkeit gearbeitet hätten. So bleibt das MVZ weiterhin ein Streitpunkt, der polarisiert, und für die inzwischen gut aufgestellte freie Ärzteschaft im Kalletal ein kommunaler Konkurrent.