Lemgo. Fünf Jahre sind kein klassisches Jubiläum, das so recht erst zweistellig beginnt. Aber für die „Lemgo Voices“ war das Konzert in der Aula des Marianne-Weber-Gymnasiums Grund genug, die eigene Fangemeinde mit einem abwechslungsreichen Programm zu beschenken. Und das tat der Chor mit spürbarer Freude – und gelegentlich überraschenden Effekten.
Fünf Jahre „Lemgo Voices“ – das ist – rein kalendarisch – noch lange keine goldene Hochzeit, eher eine „frühe Grundschulreife“. Aber wenn man so singt, wie dieser Chor singt, dann darf man sich auch schon ganz früh ein Jubiläum gönnen.
Springen wir mitten rein ins Geschehen:
So leitet „Fly like an eagle“ die zweite Hälfte des Abends fulminant ein. Der kraftvolle Vortrag der rund 70 Sängerinnen und Sänger, verstärkt durch MWG-Schüler, verleiht dem Saal Flügel. Dass Chorleiterinnen Anne Miebach und Nadine Brokmann das Lied ursprünglich für ein Schlaflied hielten, wirkt wie eine hübsche Anekdote: Die Darbietung hat doch eher die Wirkung eines musikalischen Espresso.
Ein besonderes i-Tüpfelchen setzen die 13 Ukulele-Spieler aus der Unterstufe dem Programm auf. Nach nur zwei Unterrichtsstunden Vorbereitung zeigen sie, dass man mit dem handlichen Instrument nicht nur bei den Eltern Eindruck machen kann. Zusammen mit dem Chor erklingt „Anikunu“ – ebenfalls aus nordamerikanischem Traditionskontext – vor großem Publikum frisch und sicher intoniert.
Apropos „Schlaflied“: Die musikalischen Leiterinnen der Veranstaltung, Anne Miebach und Nadine Brokmann, berichten, dass sie die nordamerikanische Folklore erst vollkommen falsch verstanden hätten, als eine Art „Schlaflied“, das Kinder sanft in die Welt der Träume bringen soll. Doch inzwischen seien sie eines Besseren belehrt worden: Das Lied singt das Naturvolk in höchster Not, wenn Hunger und Durst die Menschen quälen.
Dieser Hintergrund gibt dem Lied einen philosophischen Boden. Es kommt auf jeden Fall so gut an, dass Brokmann/Niebach entscheiden, den Song für eine Zugabe zu wiederholen. Dabei gelingt es, das Publikum zum Mitsingen zu bewegen. Ein einfacher, unter die Haut gehender Text: „Fly like an Eagle / Fly so high /Circle the Universe / on Wings of pure Light“. Großen Englischkenntnisse scheinen nicht erforderlich, um das Lied mitsingen zu können und seinen tiefen Sinn zu verstehen.
Das weitere Programm list sich wie ein „Best-of“ internationaler Hits: „Happy“ von Pharrell Williams, „Let it be“ von den Beatles, Queens „The Show must go on“ oder Robbie Williams’ „Angels“. Zwischen den Liedern geben die Chorleiterinnen Einblicke in die Entstehungsgeschichten, etwa zu Freddie Mercurys letztem großen Song. Freddie Mercury war an Aids erkrankt, damals ein Todesurteil. Den Song habe er etwa ein Vierteljahr vor seinem Tod geschrieben, gewissermaßen als Abschiedsgeschenk an seine riesengroße und tief betrübte Fangemeinde, berichtet Moderatorin Anne Miebach. So kommt neben der musikalischen Unterhaltung auch die nachdenkliche Komponente nicht zu kurz.
Verblüffend die Altersmischung des Publikums: Alles vertreten, von den Boomern, ihren Eltern und Kindern, der „Gen Z“ und den „Millenials“. Betül Bali („Gen Z“, 30) zeigt sich hoch zufrieden mit dem Konzert. Sie ist „einfach so“ gekommen, ohne freundschaftliche oder verwandtschaftliche Anbindung an Chormitglieder. „Tolle Liedauswahl“, schwärmt sie im Gespräch mit der LWZ. „Und man merkt, dass die Leute auf der Bühne voll bei der Sache sind und richtig mitgehen. Das Engagement der Musiker ist beeindruckend.“ Sie singe zwar selbst nicht: „Um so lieber höre ich gute Musik.“
Sie kenne nur einen Sänger auf der Bühne, der komme aus Lemgo. „Aber ich glaube, dass die Zuhörer aus ganz Lippe angereist sind.“ Wahrscheinlich liegt sie richtige, denn man bekommt ja nicht ohne Weiteres fast eine halbe Tausendschaft an Publikum zusammen. Und die Lipper klatschen zwischendurch fleißig mit und spenden am Ende tosenden Applaus. Der Chor dürfte mit der Resonanz auf dieses erste, und extrem frühe „Jubiläumskonzert“ hochzufrieden sein.
Fazit: Die „Lemgo Voices“ zeigten eindrucksvoll, dass fünf Jahre Gesangsgeschichte schon ein beachtliches Fundament sind – und dass ein Jubiläum auch dann Jubel verdient, wenn es streng genommen noch gar keines ist.