„Und jetzt hebt ihr mal die Hände zum Himmel“: Was klingt wie eine Schlagerfestival-Einheize entpuppt sich als Lockerungsübung nach einer erbarmungslosen Lachmuskel-Tortur. Fotos: Hajo Gärtner

Detmold. Hollywood-Legende Brad Pitt hätte seine Freude an Comedian Vahid – oder verspürte doch wohl eher Mitleid. Der erzählt seinem Publikum nämlich im ausverkauften Sommertheater von seinem ehrgeizigen Versuch, wie der junge Brad Pitt im Film Troja aus dem Mittelmeer zu steigen und den legendären „Water Hair Flip“ zu vollführen. Das Ergebnis? Eine Frisur, die eher wie der alternde Maradona unter einem zu starken Föhn aussieht, als Hollywood-Sexappeal auzurufen.  Zur Wiedergutmachung verteilt Vahid in der Pause  „original gefälschte Maradona-Sticker von 1982“ – als kleines Andenken an seine haarige Show.


Comedian Thomas Bär versteht es meisterhaft, seine lustigen Text mit exaltierter Mimik und Gestik zu unterstreichen.

Mehr als 250 Zuschauer sind gekommen, um die 15. Ausgabe von „Lippe lacht“ zu erleben. Eine Show, in der Nusret Sipkar und Co-Moderatorin Julia Ures junge Talente präsentieren, die Stand-up-Comedy vom Feinsten bieten: frisch, frech und urkomisch. In ihrem Gag-Feuerwerk erzielen sie die besten Treffer, wenn die eigene Person zur Zielscheibe witziger Offenbarungen wird. Lieber einen guten Freund verlieren als auf eine Pointe verzichten: Dieses Prinzip scheint Wuschelbär Vahid konsequent mit Programmen wie „Edelkanacke“ zu verfolgen. Ein Türke darf verbotene Wörter. Denn er referiert mit diesem politisch absolut unkorrekten Ausdruck auf sich selbst, wenn er berichtet, was er als „Edelkanacke“ auszustehen hat: Im Ghetto stecken die Outlaws ihre Köpfe zusammen und tuscheln über Vahit, den „Studierten“ im Fach internationale Politik, der Lehrgänge in England und Wien absolviert hat. Was für eine Ghetto-Schande. Beim Date lädt die Partnerin ihn ein, AfD zu wählen. Antwort: „Bist du blind. Ich sehe aus wie Hitlers Albtraum.“ Dass für ihn „das Dritte Reich“ – oder ein Aufguss davon – auch später nicht in Frage kommt, verrät er aber erst, „nachdem ich sie geknallt habe; dort, wo es richtig schön braun ist.“

Lachen – sagen die Psychologen – wird dadurch ausgelöst, dass eine Geschichte eine vollkommen überraschende Wendung nimmt; oder Spannung aufgebaut und abrupt aufgelöst wird; eine peinliche Situation harmlos ausgeht. Lachen erfordert kleine geistige Stolperstufen, die vom Comedian elegant oder auch „erschreckend unbeholfen“ genommen werden. Und: Lachen steckt an, so ähnlich wie Gähnen, nur viel schneller und eruptiver. Ein Comedy-Szenario mit großem Publikum, gespickt mit jungen Talenten, die sich vor keinem Gag bange machen: Das ist Erfolgsrezept für „Lippe lacht 2025“.

Witzig auch, wenn der Komiker bekannte Sachverhalte aufgreift und sie bis ins Aberwitzige überspitzt. Darin zeigt sich Thorsten Bär als Meister. Wie er die kommunikativen Verhaltensweisen von Hamburgern, Ostwestalen und Kölner aufspießt: Da betteln die Lachmuskeln nach einer minutenlangen Tortur durch die Dialekte um Gnade. Thorsten aber ist ein Bär und er zieht seine Lachnummer gnadenlos kraftvoll durch, begleitet von der exaltierten Mimik und Gestik eines Rowan Atkinson (Mr. Bean) oder Otto Waalkes. So erzählt der Kölner einem beim ersten Kontakt gleich seine ganz Lebensgeschichte, während der Ostwestfale sich nicht auf mehr als ein „Jau“, „Moin“ oder „Läuft bei dir“ einlässt.

Mia Pittroff kommt der weibliche Part im Komiker-Quartett zu. Sie offenbart sich als „moderne Mutter“, die das Tablet als pädagogisches Werkzeug einsetzen kann, weil sie „moderne Kinder“ hat, die keine „analoge Betreuung“ brauchen. Sie sind „digital natives“.  So reicht die Fürsorge völlig aus, wenn sie ihren Kindern einen Avatar von sich erstellt, der all die mütterlichen Ermahnungen drauf hat wie „Pia, zieh jetzt mal die Jacke an“; und „Ja da kann man alles essen, was an dem Brot ist.“ Das erzieherische Konzept ist so zugkräftig, dass die Kinds sich mit dem Tablet abends selbst ins Bett bringen und sich von Elon Musk eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen lassen. Dann wird sich die „moderne Mutter“ aus der Kneipe per Webcam zuschalten und die restliche Nacht lang die Atemgeräusche ihrer Kinder kontrollieren.

Amjad, der arabische Palästinenser, erzählt von seinen speziellen Problemen. Er sei – aufgewachsen im Münsterland – lange mit einer deutschen Frau zusammen gewesen: „aus Liebe; ja, aus Liebe zum deutschen Pass.“ Nun habe er den Pass und dazu eine Freundin, mit der er seit anderthalb Jahren zusammen ist. Sie habe so schöne Augen, „blau oder grün oder so“. Die Farbe ist nicht das Problem. Aber seine Mutter sagt, als er Annegret endlich vorzustellen wagt: „Du hast sehr schöne Augen, Annegret. Aber mit Kopftuch noch schöner.“

Amjad reist gern mit seinem Rucksack, berichtet er, darf dabei aber nicht müde werden, zu versichern, dass da keine Bombe drin ist. Und sein Name „Amjad“ klingt, wenn er beim Aussprechen einen Moment unkonzentriert ist, in den Ohren seines Gegenübers wie „Anschlag“. Es gibt unendlich viele andere Wörter, die er lieber erst gar nicht in den Mund nimmt, weil sie beim Gegenüber spontan Ängste auslösen. Zum Beispiel, wenn er den Anschlag beim Klavierspielen erläutern soll.

Parodie-Meister Thorsten Bär macht den Sack des lustigen Abends am Ende zu, indem er das Publikum zu Mitmachaktionen bewegt. Sie klatschen, bewegen sich rhythmisch und tanzen am Ende sogar. Diese Lockerungsübungen nach der Sitz-Session und ausgiebigen Lachmuskel-Massage haben vor allem einen Zweck: Das Zwerchfell geschmeidig zu halten und einem Lachkrampf vorzubeugen.

Thomas Bär macht am Ende der Comedy-Show den Sack zu und bringt sein Publikum in Bewegung.