Kreis Lippe/Detmold. Die Investigativ-Journalistin Gesa Steeger ist seit 2022 Reporterin der Klima-Redaktion von Correctiv (ein gemeinnütziges und unabhängiges Medienunternehmen). Für namhafte Zeitungen und Magazine hat sie geschrieben, ob für die Taz, Die Zeit, Der Freitag oder Der Spiegel.
Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Wirtschaft und dem Klimaschutz. Vor kurzem war die ausgezeichnete Journalistin mit dem Vortragsformat „Correctiv auf Tour“ zu Gast in Detmold. Im Gespräch mit der LIPPISCHEN WOCHENZEITUNG beantwortet sie unter anderem die Frage, wie es um die Recherche im Lokaljournalismus gestellt ist.
LIPPISCHE WOCHENZEITUNG (LWZ): Wie sieht es im regionalen Bereich aus, kommt die Recherche dort oft zu kurz, da die Finanzen dies nicht hergeben?
Gesa Steeger: Ich glaube, es kommt da tatsächlich immer auf die Chefredaktion an. Es gibt ja durchaus auch Zeitungen, die ihren Reporterinnen und Reportern viel Zeit für die Recherche einräumen, ich denke da zum Beispiel an die Leipziger Volkszeitung oder auch den Tagesspiegel. Aber natürlich ist oftmals die Personaldecke zu dünn und das Geld zu knapp, um langfristige Recherchen anzugehen.
LWZ: Ihr Vortag an der VHS Detmold hieß „Wer verhindert Klimaschutz“ …
Steeger: Um Klimaschutzmaßnahmen gibt es nach wie vor viel politisches Gerangel, in das sich auch Lobbyverbände einbringen. Andererseits scheint mir das Thema Klimaschutz auf der Agenda doch recht weit nach unten gerutscht zu sein, was natürlich auch an der derzeitigen Wirtschaftsministerin liegt und der veränderten Struktur: Die Ressorts Wirtschaft und Klima sind in dieser Legislaturperiode wieder getrennt worden. Und darin steckt eine Problematik, da Wirtschaft und Klima nicht mehr zusammen gedacht werden, was definitiv nicht sinnvoll ist.
LWZ: Für wie groß halten Sie das Interesse der Bevölkerung am Klimaschutz – ist das nicht für viele eher ein lästiges Thema oder ein mit Verlustangst besetztes?
Steeger: Ich glaube, dass das Interesse schon da ist, aber es gibt viele Bereiche, ob Inflation oder Wohnungsnot, einfach vieles, was den Alltag schwierig gestaltet. Aber die Auswirkungen, zum Beispiel durch Extremwetter, sind durchaus präsent, und ich glaube schon, dass viele sich Sorgen machen über die Entwicklung.
LWZ: Amerikanische Filmemacher haben als Klimakiller Nummer eins die industrielle Viehzucht und Agrarwirtschaft ausgemacht – da könnte jeder einzelne durch sein Konsumverhalten zu wesentlich mehr Klimaschutz beitragen; tatsächlich ist dem aber nicht so.
Steeger: Jeder kann dazu beitragen, seinen CO2-Fußabdruck möglichst klein zu halten, aber nichtsdestotrotz denke ich, dass es politische Lösungen geben muss, es sollte nicht auf den einzelnen runtergebrochen werden.
LWZ: Wie rückt man dem von Ihnen auch thematisierten Lobbyismus zu Leibe? Es scheint oftmals so, als müssten politische Entscheidungen der Wirtschaft recht sein …
Steeger: Die Verstrickung zwischen Politik und Wirtschaft aufzudecken, ist eines der Anliegen von Correctiv. Es ist wichtig, genau hinzuschauen: Wo gehen Subventionsgelder hin, wie sinnvoll ist der Gelderfluss, wie entwickeln sich bestimmte Diskurse und wer profitiert von bestimmten politischen Maßnahmen.
LWZ: Sie haben einen Artikel über das Huhn geschrieben, mit der Frage, warum es zum Ramschartikel wurde …
Steeger: Das ist am Ende natürlich auch eine Konsumentenentscheidung – muss ich mir mein Huhn für 2 Euro kaufen oder gebe ich dann doch lieber mehr Geld aus, um dieses Tierleid nicht zu unterstützen. Es ist eigentlich müßig, sich über die Massentierhaltung aufzuregen, dann aber doch zum Billigfleisch zu greifen. Und dazu kommen dann eben noch die politischen Entscheidungen, gerade die zu subventionieren, die schon viel haben, so dass die kleinen Betriebe auf der Strecke bleiben.
LWZ: Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor, wie finden Sie die Themen?
Steeger: Das ist ganz unterschiedlich. Durch Gespräche mit Kollegen, durch Geschichten, die man hört und genauer hinterfragen möchte, manchmal durch Hinweise. Dann gibt es auch Themen, die sich bei uns im Team entwickeln.
LWZ: Würden Sie sich als optimistische Person bezeichnen?
Steeger: Ja, auf jeden Fall. Ich könnte diese Arbeit gar nicht machen, wenn ich pessimistisch veranlagt wäre. Ich denke, dass ich auch bei jeder Recherche das Gefühl habe, wieder einen Schritt weiter gekommen zu sein und damit auch andere dabei zu unterstützen, selber aktiv zu werden.