
Lage. Man glaubt es kaum, aber in Lage hat man ein seltenes Naturphänomen beobachten können: politische Einmütigkeit! Ja, richtig gelesen. Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen: Bei genauem Hinhören nicht einmal ein skeptisches Räuspern im Hintergrund. Die erste konstituierende Sitzung des neuen Rates war derart harmonisch, dass man kurz dachte, es handele sich um eine Probe für den Adventsgottesdienst. Die Ratsmitglieder hätten sich gegenseitig fast die Hände gereicht, hätte das nicht zu sehr nach überparteilicher Zärtlichkeit ausgesehen. Einen Wermutstropfen musst Bürgermeister Matthias Kalkreuter der Harmonie-seligen Ratsmannschaft dann doch einschenken: Die Stadt St. Johann hat der Zuckerstadt soeben ihre Partnerschaft aufgekündigt. Nach 48 glücklichen Jahren!
Doch wer die politische Szene in Lage kennt, der weiß: So viel Frieden hält nie lange. Die Frage liegt also auf der Hand: Sind die frisch gebackenen Ratsleute wirklich so verantwortungsbewusste Leuchttürme kommunaler Vernunft? Oder haben sie nur vergessen, die Keulen mitzubringen?
Denn es sind Rechnungen offen – und nicht zu knapp.
Die AfD hat noch ein Hühnchen mit den Grünen zu rupfen, die im Wahlkampf versuchten, Uwe Detert schon vorsorglich in die politische Verbannung zu schicken. Die CDU wiederum kämpft mit ihren zwei Flügeln: links und rechts – eine Art parteiinterner Schmetterling, der allerdings nicht flattern, sondern eher platzen will. Die „Rest-CDU“ übt derweil noch für den Tag, an dem sie Michael Biermann verzeiht, dass er zur Konkurrenz überlief und das Mandat gleich mitnahm – ein klassischer Fall von „Nicht mit leeren Händen gehen!“.
Die Grünen haben bei der Wahl so viel verloren, dass ihre Fraktion jetzt eher wie ein exklusiver Stammtisch wirkt. Und wahrscheinlich fragen sie sich insgeheim, ob die Anti-Detert-Kampagne nicht doch eher ein politischer Bumerang war – einer, der richtig gut fliegt, aber leider in die falsche Richtung. Das ist zumindest der CDU, die sich der Kampagne aus wahltaktischen Grünen angeschlossen hatte, inzwischen sonnenklar.
Die FDP hingegen wurde vom Wähler abgestraft, obwohl sie nichts falsch gemacht hat. Denn Martina Hannen hatte beim Bewerber-Karussell im Bürgerhaus durchaus den besten Eindruck hinterlassen – rhetorisch jedenfalls, was ja schon mehr ist, als man von manchem Bewerber sagen kann. Und sie ist nicht die weibliche Emanation von Patrick Lindner, der seine Partei mit vollem Bewusstsein geschrumpft hat, als er für sein eisernes Festhalten an der Schuldenbremse „voll ins Risiko ging“ (Lindner bei Sandra Maischberger).
Einziger echter Strahlemann: Andreas Depp vom „Aufbruch C“. Obwohl dem Christlichen Schulverein im Wahlkampf der Vorwurf der „Homophobie“ um die Ohren flog, haben die „Aufbrüchler“ das Ganze erstaunlich unbeeindruckt überstanden. Wahrscheinlich weil sie heimlich schon am Grundriss ihrer „Christlichen Gesamtschule am Stadenhauser Berg“ werkelten – und mit den neuen Mehrheiten sieht das für sie aus wie Weihnachten und Ostern zusammen.
Apropos „Homophobie“: Ich meine, jedes Unternehmen hat das Recht, d i e Mitarbeiter auszusuchen, die es für am geeignetsten hält, um das Unternehmensziel zu erreichen. Wenn ich im Wettbewerb um eine Stelle den Kürzeren ziehe, kann ich mich nicht hinstellen und lamentieren: „Ich bin diskriminiert worden wegen meiner sexuellen Neigungen.“ Den Schuh muss sich „Aufbruch C“ wirklich nicht anziehen. Da könnte ja jeder kommen und behaupten, er sei diskrimiert worden wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, seines Outfits, seiner Brille oder gar der Farbe seiner Schuhe. Hand aufs Herz: Es gibt nunmal d i e berühmte Bibelstelle in einem Römerbrief des Apostels Paulus über Homosexualität, und die kann ein christlicher Verein nicht einfach ignorieren. Genau so gut könnte man von einem Klempner verlangen, seine Rohrzange wegzuwerfen und mit der Pinzette zu arbeiten.
Kein Zankapfel: Reduzierung der ehrenamtliche Bürgermeisterzahl
Ein möglicher Zankapfel ging ebenfalls harmonisch über die Bühne. Die Zahl der ehrenamtlichen Vertreter des Bürgermeisters wird aus Spargrünen von drei auf zwei reduziert. Um den Sack sofort zuzumachen, gab Kalkreuter seine beiden Vizes auch gleich bekannt: Rudolf Stölting (CDU) und Lars Bork (SPD). Die Einsparung des „dritten Mannes“ hilft, ein Problem wie den „Salzufler Eklat“ zu verhindern: Dort war Sabine Reinknecht von der AfD mit Stimmen anderer Parteien gewählt worden; eine Entscheidung, die dann mit großer Mehrheit peinlich revidiert werden musste. AfD-Mann Uwe Detert zeigte sich generös: „Wir tragen die Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen mit“, sagte er und kommentierte als Einziger die Reduktions-Entscheidung als Gebot ökonomischer Vernunft.
Tatsächlich haben alle Fraktionen bislang immer – und nicht nur in Lage – auf eine möglichst hohe Zahl von ehrenamtlichen Vertretern des Bürgermeisters gedränkt, weil sie sich davon eine Repräsentation ihrer Partei in der öffentlichen Wirksamkeit des Bürgermeisteramtes erhoffen konnten. Doch die Zeiten haben sich geändert: Auch andere Entscheidungen des jungen Rates in der ersten Sitzung machten deutlich, dass in Zukunft der Koch „Schmalhans“ die Speisekarte des kommunalpolitischen Menüs regieren wird.
Wie dem auch sei: Am Ende bedankte sich Bürgermeister Kalkreuter bei den Ratsdamen und Ratsherren für die harmonische Sitzung und bei den Zuschauern für deren zahlenmäßig mächtiges Interesse. „Sie haben dokumentiert, dass Ihnen die Kommunalpolitik in Lage am Herzen liegt“, sagte er lobend.










