
Lage. Er kam, sah, seufzte und siegte. Jan Weiler, der Mann, der das „Pubertier“ erforscht hat, betrat die Bühne im Schulzentrum Werreanger. Und niemand war richtig vorbereitet auf das, was folgte: ein Abend wie eine Mischung aus Gruppentherapie, Comedyshow und biologischem Praktikum über eine gar nicht so seltene, dafür extrem anstrengende Lebensform: das Pubertier. Es soll Menschen geben, die den Ausgang aus dieser Lebensform verpassen und ewig drin stecken bleiben.
Das Publikum? Vollzählig. Mehr als 150 Zuschauer. Nahezu volle Schulaula. Nicht, weil man in Lage alles mitnimmt, was irgendwie nach Humor klingt. Eher, weil Eltern grundsätzlich jede Gelegenheit nutzen, mal einen Abend ohne ihre Pubertiere außerhalb des Baus zu verbringen.
Weiler beginnt zu lesen – und plötzlich tobt die Aula. Denn alles, was er schildert, kennen alle nur zu gut: das Seufzen, das Scheitern, das völlige argumentative Überrolltwerden durch Kreaturen, die vormittags todkrank und nachmittags quicklebendig sind. Pubertiere eben. Halb Mensch, halb ungeklärte Laune.
„Warum musst du immer das letzte Wort haben?“ – fragt der Vater in einer Geschichte entnervt seinen Sohn Nick (13). „Woher soll ich wissen, dass dir nichts mehr einfällt?“ – Diese Antwort trifft das Publikum wie ein Tritt gegen das Schienbein – schmerzhaft ehrlich, aber herrlich befreiend, und löst eine Lachsalve wie die Schockwelle einer Atombombe aus.
Dann liefert Jan Weiler Pubertierwissen kompakt:
- Krankheiten treten ausschließlich zwischen 7:30 und 11:15 Uhr auf.
- Hausaufgaben verschwinden in Paralleluniversen.
- „Ich komme gleich“ meint: „Frag mich in zwei Erdzeitaltern nochmal.“
- „Elefanten und Elefantinnen“ sind der Beginn des nächsten familiären Kulturkampfes.
Jan Weiler legt alles darauf an, die Pubertät systematisch zu entzaubern. Zum Beispiel mit der Geschichte, in der ein Junge von der Schule fliegen soll, weil er gedichtet hat: „Rosen sind Titten. Veilchen sind Titten. Ich mag Titten, Titten.“ Der Erzähler setzt sich für den Jungen ein und erreicht mit rhetorischen Klimmzügen dessen Verbleib an der Schule, indem er das kreative Potenzial des Gedichts herauskitzelt, was einem „Mann der Sprache“ wie Jan Weiler dann doch nicht schwer fällt. Denn Autor und Erzähler sind eins: Jan Weiler hat erlebt, wovon er erzählt. Und was sagt der Bengel, nachdem der Erzähler ihn für seine sprudelnde Kreativität – aus durchsichtigen Gründen – über den Klee gelobt hat: „Ihnen gefällt mein Gedicht? – Da, wo es herkommt, gibt es noch mehr davon.“
Als Tochter Karla anfängt, darauf zu bestehen, dass es „Elefanten und Elefantinnen“ gibt, bricht der Krieg um Wokeness und Gendersprache aus. Der Erzähler als „Mann der Sprache“ hält tapfer gegen den Gendergaga. Und dabei gelingt ihm schließlich der Endsieg: Ein „Trinkender ist kein Trinker“ argumentiert er und seziert fein den logischen Unsinn, der von „Gendernden“ mit dem Partizip Präsens getrieben wird. Hier ist er als Schriftsteller mit Wissen über die Struktur der Sprache bewaffnet bis an die Zähne, und endlich fällt dem Pubertier mal nichts mehr ein. Für ungefähr eine Sekunde. Dann besteht es trotzdem weiter auf „Elefanten und Elefantinnen“.
Dann noch ein Ratschlag: Elternratgeber eignen sich als Geschenk an Teenager nur, wenn man gerne Türen knallen hört. Das Publikum ist vor Lachen wie gerädert. Das Zwerchfell erschüttert. Gekrümmt hocken die „Zuschauenden“ in ihren Stühlen.
Und Jan Weiler? Er liest, spielt, gestikuliert sich durch sein Buch, als gäbe es kein Morgen und als würde er die Pubertiere live in der Arena vorführen: entwaffnet, entzaubert und domestiziert. Er wirkt glücklich dabei: Als würde er einen unter großen Opfern schwer errungenen Sieg über das Monster ein zweites Mal erleben. Tatsächlich sei er mit dem Thema durch, berichtet er seinem Publikum. Der Nachwuchs sei inzwischen flügge und aus dem Haus, und es werde kein weiteres Pubertier-Buch geben. Sollen wir ihm das glauben?
Bestimmt holt er sie alle wieder aus dem Regal, wenn die erwachsenen Kinder plötzlich mit eigenen Pubertieren zu kämpfen haben – und Trost brauchen. Und vielleicht schreibt er dann ein „Pubertier“-Buch als Großvater: abgeklärt, altersweise – und trotzdem unvermindert lustig.










