
Lage. Der Gospelchor Stapelage inszeniert beim Weihnachtskonzert in der Marktkirche neben vielen klassischen Gospelsongs ein Medley aus dem Musical „Les Misérables“. Rund 350 Zuhörer verfolgen die Aufführung in der ausgebuchten Marktkirche.
Tosender Applaus, Standing Ovations, und dann fordert das Publikum am Ende vier Zugaben und wollte danach den Chor immer noch nicht gehen lassen. „Standing Ovations“ sind eine Form des Applauses, bei der das sitzende Publikum aufsteht und applaudiert, oft nach außergewöhnlichen Darbietungen mit besonders hohem Beifall. „Standing Ovations“ gelten als besondere Ehre. Die wurde also dem „Gospelchor Stapelage“ für sein 150minütiges Konzert zuteil.
Rund 40 Stimmen des gemischten Chores inszenieren am Sonntagabend ein Vokalprogramm, das den rund 350 Zuhörern außerordentlich gefällt und ihren Erwartungen an eine musikalische Einstimmung auf das bevorstehende Weihnachtsfest voll entspricht. „Wir kommen seit drei Jahren zum Weihnachtskonzert des Gospelchores in die Marktkirche“, sagt Anna Schnitger (88) im Pausen-Gespräch mit Lage Aktuell. Was der rüstigen Rentnerin besonders gefällt: „die Auswahl der Lieder und die tollen Stimmen“. „Ja, die können wirklich gut singen“, pflichtet ihre 78-jährige Freundin bei. „Und die Auswahl der Lieder ist wirklich ansprechend.“
Der Chor startet mit dem Gospel-Song „Here I am, Lord“ von John Michael Talbot (1997). Als „schön und pathetisch“ kennzeichnete Chorvorstand und Konzert-Moderator Achim Lügger den Einstiegssong, der dann auf Anhieb ungewöhnlich viel Applaus einfuhr. Der schwillt zur Pause nach der ersten Halbzeit dermaßen an, dass er sich nach einer Zugabe-Forderung anhörte. Aber die zweite Hälfte sollte ja erst noch kommen.
Beim zweiten Song „I want to be a follower of Christ“ geht es so rhythmisch zur Sache, dass das Publikum spontan mitklatscht, ohne von irgendwem dazu aufgefordert zu sein. Und trotzdem ist noch Luft nach oben drin: Das Publikum singt mit beim Gospel-Klassiker „Go tell it to on the Mountain“ und dem Ohrwurm von Harry Belafonte „Mary’s Boy Child“ 1956, später aktualisiert von Boney M. (1978), und erobert so den Luftraum der Marktkirche. Da reicht die Textkenntnis des Publikums immerhin für den Refrain. Vorher hatte Achim Lügger dem Publikum dementsprechend Mut gemacht: „Sie können ruhig falsch singen. Das hören wir hier vorne gar nicht.“ Er betonte, welchen Auftrieb Publikumsbeteiligung dem Vokal-Ensemble gibt.

Auf Beteiligung und Unterstützung kann sich der Chor verlassen. Die regelmäßig ausufernden Publikums-Kulisse deutet sogar auf einen entwickelten Fanclub hin. Die besondere Stärke des Ensembles sind die Solisten: Mit Einzelstimmen profilierte Vorträge kommen erfahrungsgemäß immer bombig an. Aber nicht alle Chöre sind mit derartigen Talenten gesegnet. Die Stapelager Gospler können damit in Serie aufwarten, sowohl in den Frauen- als auch in den Männerstimmen. Dann lauscht das Publikum immer besonders andächtig. Wer sich vorn an der Bühnen-Rampe exponiert, darf mit großer Sympathie des Publikums rechnen, wenn er’s hinbekommt. Der Chor ist mit tollen Solisten gesegnet wie Mira Weber, Evelyn Deppemeier, Helmut Mühlenmeier, Elmar Wöstenkötter, Asami Horie-Weber, Peter Müller und Rainer Weber himself. Ja, der Dirigent lässt es sich nicht nehmen, dem Song „Let there be Peace on Earth“ seine kraftvolle Stimme zu unterlegen.
Kaum zu glauben: Aber mittlerweile hat der Chor 49 Weihnachtskonzerte über die Bühne gebracht; nächstes Jahr steht Nummer 50 an. Toll, dass der Moderator, später auch das Zweiter-Team, jeden einzelnen Songs erläutert wie zum Beispiel die Geschichte vom skeptischen Jungen, der nicht an den Weihnachtsmann glauben will, dann aber überzeugt wird, dass man viele Dinge wie das Läuten des Glöckchens plötzlich hört, wenn man sich nur auf das Spiel einlässt. Und dann erlebt er schließlich auch den Weihnachtsmann.
Ganz neu im Repertoire: ein Medley aus dem Musical Les Misérables. Es ist das am längsten laufende Musical der Welt, da es seit Oktober 1985 ohne Unterbrechung in London aufgeführt wird. Das Musical basiert auf dem Roman von Victor Hugo aus dem Jahr 1862, der sich mit den moralischen und sozialen Fragen aus dem Frankreich des 19. Jahrhunderts auseinandersetzt. Hat zwar direkt nichts mit Weihnachten zu tun, geht aber so ans Herz, dass die Gefühlslage zum Feeling von Friede, Hoffnung und Zuversicht passt. Ausgerüstet mit der richtigen Gefühlslage verlässt das Publikum am Ende die Marktkirche, nachdem es dem Chor vier Zugaben abgenötigt hat. Darunter: „Go tell it on the Mountain“ und das „Gloria“ (Umberto Tozzi). Die Leute wären wahrscheinlich noch die ganze Nacht geblieben, wenn Chorleiter Rainer Weber und seine Crew das mitgemacht hätten. Aber dann machte Weber einfach den Sack zu: Irgendwann muss mal Schluss sein.










