Das Familienzentrum Maßbruch leistet gute Arbeit wie hier bei seinem Forschertag. Der sechsjährige Aaron bastelt gemeinsam mit Erzieherin Antje Kronig fleißig daran, sein Experiment zu vollenden. Das gilt auch für die Kita: Allerdings ist die in einem maroden Gebäude beheimatet. Es ist zu heruntergekommen, um noch saniert werden zu können. Abriss und Nebau kosten aber viel Geld.  Archiv-Foto: Yves Brummel

LageBürgermeister Matthias Kalkreuter sieht sich einer starken bürgerlich-konservativen Opposition gegenüber, die Vorschläge der Verwaltung nicht einfach durchwinkt. Beispiel: die Querelen um den Plan, eine neue „Kita Maßbruch“ zu bauen.


Das Problem: Die Kita im Familienzentrum Maßbruch ⇒ ist die größte Kindertageseinrichtung der Stadt und gleichzeitig so etwas wie der Methusalem der Kinderbetreuung. Baujahr 1965, reich an Lebenserfahrung, Patina und . . . Schimmel. Viel Schimmel. Zu viel Schimmel. So viel, dass zwei von sechs Gruppen ausgelagert werden mussten und im Gemeindehaus der Martin-Luther-Kirche eine neue Heimat gefunden haben. Frei nach dem Motto: Passt das Kind nicht in die Kita, wird die Kirche passend gemacht.

Eines ist klar: Mal richtig durchlüften und eimerweise Farbe an die Wände werfen reicht nicht aus.  Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde als Eigentümerin und die Stiftung Eben-Ezer als Trägerin sehen nur noch eine Lösung: abreißen und neu bauen. Alles auf Anfang – nur bitte moderner, trockener und ohne Pilzzucht an den Wänden. Aber dafür hat die Kirche kein Geld; Eben-Ezer auch nicht. Also soll die Stadt ran; denn die hat schließlich die Aufgabe, ihren ganz jungen Bürgern mit angemessener Betreuung, Erziehung und früher Bildung einen Traumstart ins Leben zu garantieren.

 Seit dem 1. August 2013 gibt es das Recht der Eltern auf einen Kita-Platz. Die Kommune muss liefern, hat dafür als „Schuldenkönigin des Landes“ – von der Pro-Kopf-Verschuldung her – aber kein Geld. „Vor Mitte 2026 sind wir nicht handlungsfähig“, sagt Bürgermeister Matthias Kalkreuter in der jüngsten Ratssitzung. Der Haushalt 2026 stehe noch auf wackeligen Füßen, und dann müsse die Stadt mit Blick auf die drohende „Haushaltssicherung“ ein überzeugendes Haushalts-Sanierungskonzept vorlegen. Die „Haushaltssicherung“ ist so etwas wie der Hausarrest für Gemeinden, die ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen.

Kämmerer Uwe Aust macht deutlich, dass die Zuckerstadt sich seit dem vergangenen Jahr durchaus nicht allein in einer prekären Finanzlage wiederfinde. Nur eine Handvoll der rund 400 Gemeinden im Land schafften es noch, einen ausgeglichenen Haushalt ohne die Aufnahme exorbitanter Neuschulden vorzulegen. In der letzten-Ratssitzung der auslaufenden Periode hatte er den coolen Spruch kreiiert: „Wir müssen die Locken auf der Glatze drehen.“ 

Noch einfacher geht’s mit einer Perücke: Die Stadt soll nach der Verwaltungsvorlage die neue Kita gar nicht selbst bauen und finanzieren, sondern einen Zuschuss zur Miete gewähren, die so ausgelegt ist, dass ein interessierter Investor das gewünschte Haus bauen und über 20 Jahre lang abschreiben will. Und dann soll so etwas Schönes entstehen wie die AWO-Kita an der Ina-Seidel-Straße in Hardissen.

Natürlich will der Investor seinen Schnitt machen; er ist Unternehmer und keine karitative Einrichtung. Im ersten Jahr würde eine Miete von rund 15.000 Euro im Monat anfallen. „Das ist einfach zu happig“, argumentiert Martina Hannen (FDP), die die Diskussion schon in der vergangenen Ratsperiode ins Rollen gebracht hat. Uwe Detert (AfD) schlägt vor, den notwendigen Neubau mit einem in Hardissen geplanten Dorfgemeinschaftshaus zu verbinden: Dabei könnten Synergie- und Spar-Effekte abgeschöpft werden. Die CDU kritisiert, dass der Rat plötzlich und abrupt vor dieses Problem gestellt und unter Handlungsdruck gesetzt werde, obwohl der Verwaltung das Problem schon seit Anfang des Jahres bekannt sei, und fordert mehr Zeit zum Nachdenken und Diskutieren ein. „Aufbruch C“ schließt sich dieser Argumentation an.

Nur SPD, Grüne und Linke wollen das Projekt „Kita Maßbruch“ sofort anpacken, und zwar nach dem Vorschlag der Verwaltung. Grünen-Fraktionsvorsitzende Monika Beckmann verweist darauf, dass die Miete festgeschrieben werden soll. „Wenn wir zurückdenken, hatten wir eine Inflation von 46 Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Das bedeutet, dass sich die Festmiete in den kommenden 20 Jahren bis zur Fertigstellung wahrscheinlich real um etwa die Hälfte reduziert.“ Wenn die Stadt sich entschließen sollte, die Kita selbst bauen zu wollen, werde es unbezahlbar teuer. Das gegebene Investoren-Konzept führe am Ende zu einem Gebäude, das 120 Kindern großzügig Platz biete, statt 70 Kids weiterhin auf engem Raum zusammenzuquetschen. Und man wisse nicht, wie lange der derzeitige Zustand sich noch halten lasse. „Dann müssen Sie von heute auf morgen 70 kleine Kinder unterbringen“, mahnt Monika Beckmann.

Doch die rotgrüne Mehrheit im Rat ist seit der jüngsten Kommunalwahl dahin. Und so kann Matthias Kalkreuter angesichts des Sperrfeuers der Opposition nicht umhin, die Entscheidung zu vertagen und die Diskussion und Meinungsbildung in die Fachausschüsse zu verweisen. Frei nach der alten Pädagogen-Strategie: „Und wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis.“