Teil 5: Eine Reise ins Land der Riesen – Expedition nach Kuma

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Am Ziel im Riesengebiet mit den Chiefs, Buschmäennern und Carrier (Gepäckträger für die Kinder). Foto: Dennis Mattern

Horn-Bad Meinberg-Leopoldstal/Honiara/Kuma. LWZ-Redakteur Dennis Mattern ist mit seiner Familie am 23. Mai zu einer außergewöhnlichen Reise aufgebrochen. Sie wollen zu den Salomonen reisen, einer Inselkette nordöstlich von Australien. Dort haben sie eine Verabredung mit einem Naturvolk auf der Hauptinsel Guadalcanal. Sie wollen herausfinden, ob an den vielen Geschichten auf der Insel über vermeintlich heute noch lebende Riesen etwas dran ist. Nach einer aufregenden Anreise ist die Familie mittlerweile auf den Salomonen angekommen. In einer E-Mail an die Redaktion schildert Dennis, ob die gewünschte Expedition zu den Höhlen der Riesen nach Kuma doch noch gelungen ist.

Die positive Nachricht vorweg: Der entzündete Fuß von meiner Frau hat einen positiven Heilungsverlauf genommen. Wir sind sehr erleichtert und nehmen diesen Umstand als Grundlage unserer nächsten Entscheidung und verlängern unseren Aufenthalt auf den Salomonen für die final geplante Weiterreise zum Stamm der Einheimischen an der Südküste nach Kuma. Wir sind nun so weit gekommen, eine vorzeitige Abreise fühlt sich alles andere als stimmig an.

Die Reise nach Kuma soll eine zweigeteilte Reise werden. Zum einen wollen wir das Dorf Dui-Dui besuchen, bei dem eine Höhlenbesichtigung und ein großer, versteinerter Fußabdruck eines vermeintlichen Riesen auf uns warten. Zum anderen möchten wir das etwas weiter dahinter liegende Dorf Kuma besuchen.

Dort werden wir eine Zeremonie mit dem dort ansässigen Stamm durchführen, damit wir das Gebiet der Riesen betreten dürfen, um, falls möglich, eine Höhle erforschen zu können. Beide Dörfer sind nur mit einem Boot zu erreichen, denn es führt keine Straße dort hin. In der ganzen Region gibt es keine Straßen und auch keine Autos, ebenso keinen Strom und keine Supermärkte.

Die Reise nach Kuma beginnt

Am Tag unserer Abreise dann die schlechte Nachricht am frühen Morgen: Einer der insgesamt zwei Reiseführer ist an Malaria erkrankt und dadurch ist eine Reise zum Dorf Dui-Dui nicht möglich. Abwarten und neu planen oder Dui-Dui ausklammern? Wir entscheiden uns für Letzteres und wollen unsere Abfahrt nicht noch weiter verzögern.

Der Umstand sorgt dennoch für eine verspätete Abreise am Vormittag, denn es muss noch ein neuer Skipper fürs Boot gefunden werden. Aus Sicherheitsgründen für den Fall eines Ausfalls ist das wichtig, denn schließlich wollen wir mit einem kleinen Motorboot und drei Kindern an Bord um die halbe Insel reisen, die von der Fläche her nur etwas kleiner als Mallorca ist. Ein großes Abenteuer, welches vom Strand unseres Bungalows starten soll.

Nachdem das Gepäck trocken im Bug verstaut ist und alle an Bord sitzen, sind wir startklar. Mit Paddeln lotsen uns die beiden Skipper Max und Vincent über die Korallen mit den bunten Fischen und bringen den Motor in Schwung: Dann geht es los in Richtung Nordwesten. Strahlend blauer Sonnenschein und eine ruhige See versüßen uns die Abreise.

Auf dem Bootsweg: Einmal um die halbe Insel im kleinen Motorboot. Die Aussicht auf die bergigen Küsten ist durchweg sehenswert. Foto: Dennis Mattern

Ich sitze vorne, habe unseren jüngsten Nachwuchs im Buggy fest im Blick, auch er scheint fasziniert von seiner ersten Bootsfahrt über den Ozean. Den ersten Teil der Etappe entlang der hügeligen Westküste genießen wir in vollen Zügen.

Wir passieren eine kleine Insel, nur mit ein paar Palmen und weißem Sand bestückt. Dann bekommen wir Besuch von einem Delfin, der unser Boot für eine kurze Zeit direkt am Boot begleitet und uns mit seinen Sprüngen beeindruckt. Doch dann dreht der Wind langsam aber sicher auf, so dass die Strömung und Wellengang spürbar stärker werden.

Wir erfahren nun hautnah, warum die Bootsfahrten in der Regel vor Sonnenaufgang bei ruhiger See aufbrechen. Durch den Wellengang hebt sich der Vorderteil des Motorbootes immer wieder ab, so dass der Aufprall auf die Meeresoberfläche immer heftiger wird. Dann fängt es leicht an zu regnen.

Der Skipper nimmt etwas Geschwindigkeit raus und aus den angekündigten vier Stunden werden insgesamt sechseinhalb Stunden. Völlig erschöpft und ausgelaugt erreichen wir Kuma an der sogenannten „Weathercoast“, oder auch Wetterküste, die ihren Namen wirklich zu Recht trägt.

Ankunft am Strand

Am Strand warten tatkräftige Helfer auf uns. Gepäck und Kinder werden getragen. Wir verlassen den Strand und biegen dann in den Dschungel ab. Ein kleiner Fußweg führt uns an Häusern mit Palmblatt-Bedachung vorbei. Durch den dichten Dschungel wirkt alles ein bisschen versteckt und ich kann nur erahnen, welches Haus als Nächstes folgt und wie groß das Dorf insgesamt ist.

Die Region soll circa 2.000 Einwohner haben. Nach ein paar Abbiegungen erreichen wir unser Gasthaus. Wir werden von Gastgeberin Lia herzlich begrüßt und sie zeigt uns prompt unsere Zimmer im ersten Obergeschoss. Es gibt keine Betten, nur dünne Schaumstofflagen auf dem Boden. Das werden harte Nächte. Immerhin gibt es Moskitonetze und ein großen Wohn- und Essbereich.

Dann markiert Tochter Sophia, dass sie auf Toilette muss. Wir werden zu einer anliegenden Hütte geführt. Im Inneren finden wir eine einbetonierte Toilettenschüssel vor, die wie ein Plumpsklo funktioniert. Anstatt einer Spülung dient ein Eimer Wasser zum Nachkippen. Plötzlich raschelt es an den Bambuswänden und wir bekommen in der dunklen Kammer ein weiteres Gefühl für den Dschungel.

Sophia entdeckt eine handgroße Vogelspinne sowie zwei weitere große Spinnenarten. Nur gut, dass wir im Obergeschoss übernachten werden. Doch das schützt uns auch nicht vor anderem Tierbesuch. Beim Abendessen beobachten wir Ratten, die schon fast wartend über die Balken kriechen.

Geschlossene Räume wie in Deutschland kennt man hier nicht. Der Bau unseres Gasthauses zählt mit seinen Betonsäulen, dem Aufbau aus Holz und dem Dach aus Blech schon zu der hochwertigeren Variante. Traditionell wird hier mit Bambus und Holz gebaut und die Dächer mit Palmblättern gedeckt.

Wir versuchen, die zeitweisen Lebensumstände so gut wie möglich zu akzeptieren und uns darauf einzulassen. Völlig erschöpft endet der erste Tag früh für uns. Was für ein Tag! Zwar schmerzt mein Hintern von der langen Bootsfahrt, dennoch bin ich erfüllt und voller Vorfreude auf die kommenden Ereignisse. Nun sind wir endlich in Kuma.

Der erste Tag auf Kuma

Am nächsten Tag lerne ich Ronald kennen. Ronald stammt aus Kuma und erklärt sich bereit, mich und die Kinder auf eine Rundtour durchs Dorf und die Umgebung mitzunehmen. Ich bin überrascht von seinem Wissen über andere Länder und erfahre, dass er bereits mehrfach andere Kontinente bereist hat. Ein Leben im Dschungel ist also kein Hindernis, die weite Welt zu entdecken.

Sonst ist das Leben einfach. Die Menschen im Dschungel leben in unmittelbarer Nähe zur Küste von den Erträgen ihrer Gärten oder dem Fischfang. Ich habe das Gefühl, dass hier wenig mit Geld gehandelt wird. Es gibt eine Schule, ein Gemeinschaftshaus, eine Kirche und einmal die Woche einen Markt.

Auch entdecke ich einen modernen Mobilfunkturm auf dem Rundgang, quasi mitten zwischen den Bäumen aufgestellt. Ausländische Investoren aus Asien hatten ihn errichtet. So braucht Ronald nur einen kleinen Moment und schon sind wir über Facebook vernetzt.

Ich muss schmunzeln: keine Straßen, kein Strom, keine Geschäfte – dafür aber besseren Handyempfang als bei uns Zuhause in Deutschland. Die Smartphones werden über kleine, private Solarpanels geladen. Unsere Rundtour führt weiter aus dem Dorf entlang des Kuma Rivers zur Küste, wo wir auf Fischer treffen. Sie zeigen uns ihre Ausbeute und bieten sich als Köche für den Abend an, was ich dankend und neugierig annehme.

Tag der Zeremonie

Es folgt der dritte Tag und damit der Tag der Zeremonie. Doch zunächst dürfen wir erneut feststellen, dass unsere Wäsche unter den immer feuchten Wetterverhältnissen an der Wetterküste einfach nicht trocknet.

Die Sonne zeigt sich während unseres Aufenthaltes nur selten und irgendwie scheint alles, auch unsere Kleidung in den Koffern, klamm zu sein. Das Wetter stellt uns im Vergleich zur Nordwestküste vor ganz neue Herausforderungen. Nach einem zubereiteten Frühstück von der Gastgeberin werden wir abgeholt.

Es folgt ein etwa 20-minütiger Fußmarsch durch den Busch nach Kuma Village. Wir passieren den Kuma River und die Kinder werden getragen. Auf dem Weg treffen wir Edward, der als Englischlehrer für heute unser Übersetzer sein wird. Dann erreichen wir das Dorf und ich werde informiert, dass ich von nun an meine Kamera bereithalten soll, da nun die Willkommenszeremonie bevorsteht. Ich mache die Kamera startklar und nach einem Zeichen dürfen wir eintreten. Ich bin aufgeregt.

Willkommensaufführung der Dorfmänner mit deren traditionellen Flöten. Foto: Dennis Mattern

Am Dorfeingang sitzt eine Frau in alte Tracht gekleidet und singt ein traditionelles Willkommenslied für uns, das uns eine Gänsehaut bereitet – so klar und tief wirkt ihre Stimme. Wir sind im Dorfkern, wo sich viele Menschen versammelt haben und werden aufgefordert, uns im Zentrum unter einem kleinen Abdach mit Sitzfläche zu setzen.

Ich fühle mich wie auf dem Präsentierteller, denn von allen Seiten werden wir nun neugierig inspiziert. Eine Gruppe Männer, die Krieger des Dorfes, treten hervor und spielen auf ihren traditionellen Flöten ein Musikstück mit Tanz auf. Wir sitzen wie in einem Open-Air Theaterstück nur einige Meter entfernt und sind fasziniert vom Auftritt.

Hier zeigt sich ein Stamm nach alter Tradition und erweist uns die Ehre, als weit angereiste Gäste willkommen zu sein. Wir hatten zuvor erfahren, dass der letzte Besuch von weißen Menschen schon mehr als zwölf Jahre zurücklag. Kein Wunder also, dass die Augen der Kinder an uns wie ein Magnet kleben.

Das Musikstück endet und es folgt eine offizielle Begrüßung. Der Chief (Stammesoberhaupt) des Dorfes, der Chief des Nachbardorfes und der General Chief (Oberhaupt der Region Kuma) stellen sich vor. Unser Übersetzer Edward begleitet die Gespräche in englischer Sprache und wirkt wie ein Moderator im Ablauf der Zeremonie.

Da wir den Ablauf der Zeremonie im Detail nicht kennen, bin ich bei der Aufforderung überrascht, die Absicht unseres Besuches vor den Menschen kundzutun. Ich atme tief durch und stelle mich auf den offen Platz im Dorfkern.

Auf Englisch stelle ich die Reisegruppe vor, erzähle von dem bisherigen Reiseverlauf und teile mein jahrelanges Interesse für die Riesen, dessen Ruf, mich mit meiner Familie hier hergeführt hat. Edward übersetzt meine Worte in die Stammessprache und am Ende klatschen die Leute über meine Worte. Ich setze mich wieder und denke mir: „Puh – das war ja mal spontan! Eine Rede mitten im Dschungel vor einem alten Stamm hält man auch nicht jeden Tag.“

Dann erzählt Edward uns die Geschichte über den Riesen, der mit seinen beiden Frauen in einer Höhle auf dem anliegenden Berg leben soll. Er zeigt das sogenannte Chupu, die Gemüse- und Obstgaben, die auf einem Haufen deponiert worden sind. Ein geknebeltes Schwein, welches nach alter Tradition zum Eintritt in das Riesengebiet erforderlich ist, liegt als Opfergabe in unmittelbarer Nähe.

Wir bekommen erklärt, dass das Dorf nun ein großes Mahl zu Mittag daraus zubereiten würde. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zeremonie ist die Aufgabe des sogenannten Priest Chief. Dieser führt in allen Belangen den Kontakt zu dem Riesen und wirkt damit sozusagen als Mittelsmann zwischen den Menschen und dem Riesen.

Begrüßung am Dorfplatz durch den Priest Chief (links), Chief von Kuma Village (Mitte) und Übersetzer Edward (rechts). Foto: Dennis Mattern

Es ist nun seine Aufgabe, die Opfergabe auf spiritueller Ebene mit dem Riesen abzuwickeln, so dass der Eintritt ins Territorium des Riesens möglich wird. Nach dem Glauben des Stammes ist dieses Gebiet heilig und ein Betreten ohne Zeremonie würde zu großem Unglück wie zum Beispiel Krankheit bis hin zum Tod führen.

Wir werden gebeten etwas zu warten und wir bekommen Gelegenheit für einen direkten Austausch mit den Chiefs. Es beginnt ein Gespräch über Kraftorte und Riesen. Ich zeige ihnen auf meinem Smartphone ein Foto von den Externsteinen und fasziniert lassen sie es rumgehen. Dann entsteht die Frage, wie die deutschen Riesen sind und wie die alten Traditionen bei uns geregelt sind. Die Frage überfordert mich und ich muss passen.

Ich bin einmal mehr beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit hier über die Existenz der Riesen gesprochen wird und das nicht von irgendwelchen Traumtänzern, sondern von den Chiefs direkt. Die gestellte Frage würde mich noch länger beschäftigen und wurde uns später noch häufiger gestellt, doch jetzt möchte ich mich zunächst einmal selbst vor Ort überzeugen.

Essensgaben für die Zeremonie, damit das Riesengebiet betreten werden darf. Foto: Dennis Mattern

Die Höhlen der Riesen

Edward kommt und gibt uns zu verstehen, dass wir nun aufbrechen können. Als größere Gruppe verlassen wir das Dorf auf der anderen Seite direkt in den Dschungel. Kinder und Tagesrucksäcke werden wieder von Helfern getragen. Der Weg wurde gerade erst frisch frei geschnitten.

Es geht mal bergab und bergauf, durch kleine Bäche und manchmal nur mithilfe anderer voran. Als wir circa eine halbe Stunde unterwegs sind, erreichen wir einen Naturteich, der sich unter einem Wasserfall bildet und weiter in einen Bach übergeht. Ein wirklich schöner, friedlicher Ort.

Alle Weggefährten versammeln sich. Dann erklärt Edward diesen heiligen Platz, an dem die Frauen der Riesen regelmäßig baden gehen und sich der Riese demnach auch aufhält. Weiter zeigt er auf zwei dicht aneinander liegende Felsen, die einen kleinen Höhlenspalt hervorbringen. Hinter dem Spalt soll ein großer Tunnel abführen, der mindestens einen Kilometer bis zum Kuma River führt.

Ich runzle die Stirn und schaue skeptisch auf den Spalt: Ein Kind würde hier vielleicht hineinpassen, aber kein Riese. Dann wird uns die sogenannte „Shell money“ gezeigt, der dritte Teil der Opfergabe nach Schwein und Essen, die für die Zeremonie notwendig ist.

Dabei handelt es sich um eine bestimmte Muschel, die traditionell als Währung vor der Einführung des Geldes genutzt wurde. Hier wird sie uns nun erstmals präsentiert. Nach ein paar Fotos verlassen wir den Ort. Ich spreche mit Edward in der Annahme, dass es nun zu der „großen“ Höhle eines Riesen geht und etwas irritiert verneint er meine Ansicht.

Im Dorfkern wieder angelangt, gibt es Diskussionsbedarf. Wir sprechen mit den Chiefs und Edward darüber, dass wir eine „echte“ Höhle eines Riesen sehen wollen und nicht nur einen schönen Naturplatz. Es wird ruhig im Dorf und die Spannungen sind zu fühlen.

Die Chiefs lassen sich unseren Unmut übersetzen und wir schauen ebenfalls in irritierte Gesichter. Die Chiefs ziehen sich in einem Sitzkreis zurück. Es wird reflektiert und sich besprochen. Auch wir reflektieren die Situation und stellen uns die Frage: Sind wir hier mit unserer westlichen Erwartungshaltung kollidiert?

Die seit Jahrhunderte alte Verbindung zwischen Riesen und Menschen, die für uns Europäer zunächst einmal grundsätzliche Glaubensfragen aufwirft, gilt für die Stämme als heilige, aber eben auch als naturgegebene Normalität auf der Insel. Ich denke zurück an die Frage über die Riesen in Deutschland und fühle mich auf einmal schon fast naiv, als Fremder gleich zum Heiligtum des Stammes geführt werden zu wollen.

Der gezeigte Ort ist womöglich aus Sicht des Stammes bereits ein besonderes Gastgeschenk. Trotzdem fühle ich in mir eine Enttäuschung, mit der ich gerade nur schwer meinen inneren Frieden finden kann. Dann kommt Edward als Bote von den Chiefs zurück. Er gibt uns klar zu verstehen, dass es unmöglich sei, den Riesen direkt zu besuchen, da es nur bestimmten Menschen wie dem Priest Chief vorbehalten ist – sonst niemanden.

Selbst Einheimischen eines anderen Stammes wird ein Besuch nicht gestattet. Weiter erfahren wir, dass es aber noch eine Höhle etwas weiter entfernt im Dschungel gibt, in der einmal ein Riese gelebt haben soll. Im Falle einer Besichtigung wären jedoch weitere Stämme betroffen und es müsste eine neue Zeremonie organisiert werden, sofern die anderen Stämme einverstanden sind.

Doch für uns würden nicht nur weitere Kosten anfallen, sondern es würde auch einen längeren Aufenthalt in Kuma mit sich führen, der aufgrund der vorherrschenden Lebensbedingungen für uns ohnehin eine Herausforderung darstellt. Die Entscheidung braucht nicht lange: Bei aller Enttäuschung entscheiden wir uns klar gegen eine Verlängerung.

Das Mittagessen ist nun fertig und wir bekommen mehrere Schüsseln mit einheimischen Gemüsesorten und Schweinefleisch serviert. Die Schüsseln sind mit großen Blättern gegen die Fliegen abgedeckt. Auch ein paar Früchte wie Bananen und Orangen werden gereicht. Das Essen nimmt ein Teil der Verärgerung und wir wollen nicht respektlos erscheinen.

Die Einheimischen haben uns respektvoll empfangen und behandelt. Sie freuen sich über diesen, für sie besonderen Besuch mit der Zeremonie und auch für uns sind die Erlebnisse von einzigartiger Bedeutung. Für die Dokumentation bitte ich Edward um ein Interview mit ein paar Informationen über den Riesen von Kuma. Er willigt ein und nach dem Interview kehren wir zum Gasthaus zurück.

Am Abend reflektieren wir die Zeremonie. Vieles war ganz anders gewesen als erwartet und dennoch haben wir viel über das Zusammenspiel zwischen Mensch und Riese, dieser hier heilig vorgelebten Verbindung, gelernt.

Zwar bleibt ein endgültiger Beweis für ihre Existenz weiterhin offen, aber wir schaffen es, die zunächst erlebte Enttäuschung in Dankbarkeit zu wandeln und uns von allen Erwartungen und Zielsetzungen dieser Reise zu lösen. Zwei Interviews und die Willkommenszeremonie durfte ich jetzt schon für die Dokumentation filmen – ein sichtbarer Erfolg für die Nachwelt.

Und auch das Loslassen der Reisedauer gehört dazu. Und plötzlich fühlt sich diese finale Expedition nach Kuma gar nicht mehr an wie das Ende der Reise. Es gibt hier noch soviel mehr zu sehen und die Einheimischen haben uns bereits eine Menge Informationen zur Verfügung gestellt. Ich denke unmittelbar an das Zentrum der Insel, die Gegend um den Berg Tatuve, wo es heute noch angeblich Riesenstämme geben soll und es bereits zu vielen Begegnungen gekommen ist.

Beim Gedanken daran hüpft mein Herz vor Begeisterung und innerlich entkeimt in mir eine neue Motivation, die sich in Freude und Abenteuerlust umlegt. Diese Reise ist noch nicht zu Ende, nein, denn die Erwartung an Kuma war lediglich unser Antriebsmotor für die Durchführung dieser Reise. Jetzt sind wir hier und erst vor Ort ergibt sich häufig erst ein Bild über das eigentliche Ziel.

Am nächsten Tag reisen wir ab – dieses Mal früh am Morgen. Viele Menschen sind gekommen, um uns am Strand zu verabschieden. Viele winkende Hände besiegeln unsere Abreise. Die Rückfahrt wirkt auf uns wie eine Heilung. Keine starke Strömung oder hoher Wellengang: Das Meer ist ruhig und gut passierbar, so dass wir in deutlich kürzerer Fahrzeit den Strand von unserem Hauptgastgeber Alistair erreichen, bei dem wir wieder die gewohnten Bungalows beziehen können.

Von hier aus organisieren wir uns neu und nachdem wir Alistair von den neuen Plänen erzählt haben, kündigt sich ein vermittelter Besuch an: Ein Mann aus dem Zentrum der Insel will uns kennenlernen.