Kreis Lippe/Lage. Zwei gegensätzliche Ansichten sind schon immer aufeinander geprallt: Windräder aufzustellen sei ein Gebot ökologischer Vernunft; Windräder zu bekämpfen verhindere die „Verspargelung“ der Landschaft.
Genau diese beiden nahezu kulturkämpferischen Meinungen prallen aktuell auch im Kreis Lippe vehement aufeinander. Dazu kommt ein neuer, dritter Gesichtspunkt: Windräder aufzustellen, kann sich für Gemeinden ökonomisch lohnen.
Die Stadtwerke Lemgo sind beim Thema „erneuerbare Energiequellen“ schon immer ganz vor gewesen. So haben sie vor einigen Wochen mit Partnern zwei Gesellschaften gegründet, um sechs Windenergieanlagen bei Barntrup zu errichten. Für zwei Anlagen, die auf dem Elkenberg im Forst Barntrup an einem ehemaligen Militärgelände gebaut werden sollen, werden die Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) schon bald erwartet – eine wichtige Voraussetzung, um die weiteren Projektschritte einzuleiten.
In der Nachbarschaft Lage gibt es eine ähnliche Initiative. Im Dorf Ohrsen hat sich eine „Bürger-Energie-Genossenschaft“ gebildet, die sich dafür starkmacht, dass auf einem Feld im Ortsteil ein Windrad aufgestellt wird. Es darf durchaus auch ein bisschen mehr sein.
Auf der anderen Seite macht die Stadt Horn-Bad Meinberg unmissverständlich klar, dass es auf ihrem Territorium keine neuen Windriesen geben soll. Dort kommt ein Großprojekt im Teutoburger Wald in der Nähe des Hermannsdenkmals in Betracht: auf sogenannten „Kalamitätsflächen“, auf denen die Stürme „Kyrill“ und „Friederike“ so gewütet haben, dass der Wald Jahrzehnte brauchen wird, um sich zu regenerieren. In der Zwischenzeit könnte man auf den Brachflächen doch regenerative Energie ernten, so die Überlegung.
Der politische Widerstand in Bad Meinberg erscheint indessen verständlich: Auf dem Stadtgebiet drehen sich schon die Flügel von 22 Windkraftanlagen. Drei Investoren haben vor, 16 weitere Rotoren in deren Nachbarschaft aufzustellen. Die Stadt verweigert aktuell ihr „gemeindliches Einvernehmen“ mit Naturschutz- und Touristik-Argumenten: Jetzt ist der Kreis Lippe als Genehmigungsbehörde am Zug.
Ganz anders sieht es in der „Zuckerstadt“ Lage aus: Zu den fünf bestehenden Windrädern im Ortsteil Hardissen kommen nach Lage der Dinge ein Pärchen „sanfter Riesen“ hinzu. Damit nicht genug: Die „Bürger-Energie-Genossenschaft“ (Bela) hat bereits einen Pachtvertrag mit dem Eigentümer einer Ackerfläche abgeschlossen, die zur Aufstellung der Windräder geeignet wäre.
Allerdings liegt dieses Stück Land nicht im „Vorranggebiet“ für Windräder, was die Sache schwierig macht. Die „Windräder in spe“ mit einer Nabenhöhe von 130 und 160 Metern stünden 500 Meter entfernt von den nächsten Häusern. Früher waren 1.000 Meter erforderlich; aber diese Abstandsregel gilt nicht mehr.
Nach einer höchstrichterlichen Landes-Entscheidung gilt in NRW stattdessen: Die dreifache Höhe des Windrads ist als Abstand einzuhalten. Scharf gerechnet: Die ganz große Klasse von Rotoren ragt über diese Grenze hinaus, etwas kleinere Windräder können sie einhalten.
Die Energie-Ausbeute der bestehenden Windkraftanlagen kann sich sehen lassen. Nach Angaben von „InvestInvent“, der „Schweizer Pionierin für klimafreundliche Direktanlagen“ und Kapitalgeberin für die vier Windräder in Lage-Hardissen, habe der Windpark im Schnitt jährlich 4.370 Haushalte mit Strom versorgt, berichtet Nina Kuechlin, Ex-Managerin aus der Konzern-Vorstandsetage von „InvestInvent“.
Dabei rechne sie mit einem Verbrauch von 3.000 Kilowattstunden pro Haushalt und pro Jahr. ,,Damit sparen wir jedes Jahr rund 8.750 Tonnen CO₂ ein“, berichtet die Konzernmanagerin. Mehr als zehn Betriebsjahre betrachtet seien so mehr als 131 Gigawattstunden zusammengekommen, was mehr als 131 Millionen Kilowattstunden entspreche und den Ausstoß von fast 87.500 Tonnen CO₂ verhindert habe.
Das ist das CO₂-Paket, das 87.500 Mallorca-Urlauber unterm Strich erzeugen, wenn man die Flüge einberechnet. Die vier Windräder – die Rotoren drehen sich seit zwölf Jahren – haben über die Jahre also die Umweltbelastung von mehr als 100.000 Urlaubern kompensiert.
Seitenwind frischt auf
Von Seiten der CDU wachsen Bedenken: „Fehlende Rechtsklarheit“ führe dazu, dass Betreiber von Windparks neue Anlagen auch in ungeeigneten Gebieten errichten wollten, beklagt der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Haase und berichtet, dass die Union einen Gesetzesentwurf eingebracht habe, der es den kommunalen Behörden ermöglichen soll, neue Windräder zu untersagen.
Er kritisiert „Wildwuchs und das schamlose Ausnutzen einer Gesetzeslücke“. Tatsächlich haben Windenergie-Betreiber in jüngster Zeit gerichtlichen Erfolg gegen kommunale Verweigerung ihrer Pläne. Allein in den Kreisen Paderborn und Höxter lägen derzeit 280 Anträge für Windräder auf Flächen vor, die sich außerhalb der kommunalen und regionalen Planungen befänden.
Dabei drehten sich schon die Rotoren von 649 Anlagen allein in diesen beiden Kreisen. 336 weitere seien in der Bauphase und 561 in der Antragstellung. In der Summe: 1.546 Rotoren. Die CDU wolle den Windenergie-Ausbau nicht stoppen, „aber wir wollen ihn sinnvoll steuern“, so der Politiker aus Ostwestfalen-Lippe.
Petition gegen Bau weiterer Windräder
Der Verein Nationalparkfreunde OWL hat eine Petition auf den Weg gebracht, die inzwischen von mehr als 10.000 Leuten unterschrieben worden ist. Die Petition trägt den Titel „Keine Windkraftanlagen in den Wäldern des Naturparks Eggegebirge/Teutoburger Wald“.
Dazu schreibt die Initiative: „Zum Start der Petition war der Bau von 20 Windrädern in dem ökologisch überregional bedeutsamen Waldgebiet auf dem Kamm des Teutoburger Waldes bei Horn-Bad Meinberg und Detmold unweit der Externsteine geplant. Im Januar (also wenige Tage nach Start dieser Petition) wurde dann bekannt, dass weitere 13 Anlagen vorgesehen sind. Insgesamt sollen nach dem Willen des Lippischen Landesverbandes (24 Windräder) und von Prinz Stefan zu Lippe (neun Windräder) insgesamt 33 riesige Windenergieanlagen im Wald errichtet werden. Der Petionstext berücksichtigt diese weiteren 13 Anlagen noch nicht, das Bekanntwerden dieser weiteren Planungen macht aber unser Anliegen noch dringender: Wir fordern den Stopp aller Planungen zum Bau von Windkraftanlagen in den Wäldern des Naturparks Eggegebirge/Teutoburger Wald und das entschlossene Handeln der Politik!“
UPDATE
Rechtsunsicherheit bereitet Genehmigungsbehörden Sorgen
„Da gibt es einen unheimlichen Druck auch von Interessenverbänden. Der macht den Kollegen schlaflose Nächte. Das ist katastrophal“, sagte Kreisverwaltungsvorstand Dr. Ute Röder in der jüngsten Umweltausschuss-Sitzung des lippischen Kreistages nach einem Bericht von Martin Hostert auf der Kreisseite der Lippischen Landes-Zeitung (30. Januar).
Als Angreifer benennt Röder Investoren von Windenergie-Konsortien, die zurzeit Oberwasser haben. Die Amtsbescheide auf eine explodierende Zahl von Anträgen müsse „absolut gerichtsfest“ formuliert sein. „Wir haben es mit Profi-Juristen zu tun. Die machen nix anderes.“ Und so hätten sie mit Widerspruchsverfahren gegen Ablehnungsbescheide vor Gericht immer mehr Erfolg.
Die Rechtsunsicherheit, die entstanden ist, führt sogar die wahlkämpferisch gegeneinander antretenden Parteien von CDU/CSU, SPD und Grünen zusammen: In einer gemeinsamen Aktion drängen sie in Berlin darauf, dass die Genehmigungsbehörden keine Vorbescheide mit bindender Wirkung mehr erteilen müssen.
Diese Vorbescheide, die unter großem Zeitdruck formuliert werden, spielen den Juristen der Investoren-Gesellschaften nämlich in die Hände und bilden einen Trumpf im Genehmigungsverfahren. Fallen sie positiv aus, ist der Drops gelutscht. Negative Bescheide bilden – unter Zeitdruck formuliert – einen juristischen Hebel wegen kleiner Fehler in der Formulierung.