Arbeitsabenteuer in Afrika: Zwei Lipper unterstützen Krankenhausbau in Tansania

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Marcel Kronshage aus Augustdorf im Einsatz in Tansania. Foto: Privat

Kreis Lippe/Augustdorf/Lemgo/Sumbawanga. Bereits seit dem Mittelalter gehen Handwerksgesellen zum Berufseinstieg auf die so genannte Walz. Heutzutage wird dieser Tradition jedoch kaum noch nachgegangen. Die Berliner Builtech Holding GmbH möchte das ändern und die Walz in neuer Form fortführen.

Von der Umsetzung der „Walz 4.0“, wie das Projekt genannt wird, konnten sich in diesem Jahr unter anderem die Lipper Marvin Steinmeier und Marcel Kronshage ein Bild machen. Die beiden Elektroniker reisten vom 17. Oktober bis 10. November nach Tansania, um in Sumbawanga beim Aufbau einer neuen Geburtsstation für ein Krankenhaus zu helfen. Diese befindet sich seit November 2023 im Aufbau und soll im fertigen Zustand über 50 Betten verfügen.

Marvin Steinmeier arbeitet für ein Elektrotechnikunternehmen aus Lemgo. Foto: Privat

Marcel Kronshage, Jahrgang 1996, ist seit 2016 bei der Firma Steiger Elektroinstallationen in Augustdorf tätig. Marvin Steinmeier, ebenfalls 1996 geboren, arbeitet seit elf Jahren für die Firma Schlau Elektrotechnik in Lemgo.

Was die beiden vor Ort in Afrika im Austausch mit den Einheimischen und Kollegen erlebt haben, welche Herausforderungen sie meistern mussten und wie sie sich auf den Auslandseinsatz vorbereitet haben, verraten Marvin Steinmeier und Marcel Kronshage im Gespräch mit der LIPPISCHEN WOCHENZEITUNG.

LIPPISCHE WOCHENZEITUNG (LWZ): Herr Kronshage, Herr Steinmeier, wie sind Sie zu dem Projekt „Walz 4.0“ gestoßen?
Marcel Kronshage: Die „Walz 4.0“ wird von der Builtech Holding GmbH organisiert. Zu der Unternehmensgruppe gehören die Firmen Schlau Elektrotechnik GmbH und Steiger Elektroinstallationen GmbH, für die wir arbeiten. Für Marvin und mich war sofort klar, dass wir dabei sein wollen.
Marvin Steinmeier: Man informiert sich natürlich vorher, warum und wofür man diesen Einsatz macht. Für mich stand im Vordergrund, den Menschen vor Ort zu helfen und etwas zurückzugeben. Uns geht es hier in Deutschland so gut, während sie in Tansania oft mit fast nichts auskommen müssen. Solch eine Gelegenheit, wirklich etwas zu bewirken, und dabei noch die Unterstützung des Arbeitgebers zu haben, bekommt man nicht so oft.

LWZ: Was wussten Sie vor Ihrem Einsatz über das Projekt?
Steinmeier: Ich habe die bisherigen Einsätze schon verfolgt. 2023 waren erstmals Kollegen in Uganda, das hat mein Interesse geweckt. Es ist eine unglaublich tolle Sache. Bei der zweiten Reise Anfang 2024 habe ich noch mehr mitgefiebert und auch den Fernsehbeitrag über den Einsatz in Tansania angeschaut. Als ich die Chance bekommen habe, mitzufahren, habe ich mir natürlich alles nochmal im Detail angesehen – dann sieht man den Einsatz plötzlich mit ganz anderen Augen und so konnte ich ein bisschen besser einschätzen, was mich erwartet.

LWZ: Wie sieht das Projekt im Detail aus und welche Ziele verfolgt es?
Kronshage: Die „Walz 4.0“ interpretiert die klassischen Wanderjahre im Handwerk neu und hat das Ziel, die Walz moderner zu machen. Für uns ist es eine einzigartige Chance, denn Auslandsaufenthalte sind sonst mehr im akademischen Bereich zu finden. So sollen auch junge Menschen wieder mehr fürs Handwerk begeistert werden.

LWZ: Wie sahen Ihre Vorbereitungen für den Einsatz in Tansania aus?
Kronshage: Wir haben uns so viele Informationen gesammelt, wie wir konnten, und hatten Online-Termine mit den Handwerkern, die im April bereits auf der Walz waren. Außerdem habe ich mich im Vorfeld mit Marvin abgesprochen, vor allem, als es darum ging, welches Werkzeug wir mitnehmen, da unser Gepäck ja auch begrenzt war. Zusätzlich standen mehrere Besuche beim Tropenarzt zur Beratung und für verschiedene Impfungen an.

LWZ: Welche Erwartungen hatten Sie im Vorfeld?
Steinmeier: Rückblickend muss ich sagen, dass der Einsatz meine Erwartungen voll erfüllt hat. Ich hatte gehofft, dass er mir die Augen öffnet – und genau das ist passiert. Vor dem Einsatz habe ich mir vorgestellt, wie spannend es sein würde, eine völlig andere Lebenssituation kennenzulernen und zu sehen, wie die Menschen vor Ort trotz schwieriger Bedingungen klarkommen. Ich wusste, dass wir mit unserem Wissen helfen können, und war gespannt darauf, wie sehr die Menschen dort sich über unsere Unterstützung und den Austausch freuen würden.
Gleichzeitig war mir schon vorab klar, dass auch wir viel von ihnen lernen können, gerade in Bezug auf den Einfallsreichtum und die Fähigkeit, mit wenigen Ressourcen kreative Lösungen zu finden. Dieser Austausch zu den unterschiedlichen Herangehensweisen und Erfahrungen war etwas, worauf ich mich besonders gefreut habe. Und genau das hat sich während des Einsatzes als unglaublich bereichernd herausgestellt.

LWZ: Wie haben Ihre Familien und Freunde auf Ihre Reise reagiert?
Steinmeier: Die meisten dachten, ich veräpple sie. Ich hatte, bevor ich die Chance bekam, selbst an der „Walz 4.0“ teilzunehmen, mit meinen Eltern schonmal über das Projekt gesprochen. Als ich dann ausgewählt wurde, haben wir direkt wieder gesprochen und sie waren begeistert. Natürlich kam auch mal Besorgnis auf, aber grundsätzlich standen alle dem Einsatz sehr positiv gegenüber.

LWZ: War es für Sie der erste Arbeitseinsatz im Ausland?
Steinmeier: Ja, bisher war ich sonst nur im Urlaub im Ausland und auch noch nie so weit weg.
Kronshage: Ja, für mich war es auch das erste Mal!

LWZ: Wie verlief die Anreise und wie sah Ihr erster Tag in Afrika aus?
Steinmeier: Die Reise nach Sumbawanga war eine echte Herausforderung: Wir sind von Deutschland über Istanbul nach Darassalam geflogen und haben unsere Reise mit einem weiteren Flug nach Mbeya sowie einer Autofahrt fortgesetzt. Dort wurden wir von der schwül-warmen Luft Afrikas und dem Rauch der Industrie empfangen. Trotz der überwältigenden Umstände und der langen Anreise blieb uns keine Zeit zur Verschnaufpause, denn es ging direkt weiter zum Krankenhaus. Dort wurden wir sehr herzlich in Empfang genommen.

LWZ: Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag in Tansania zu dem in Lippe unterschieden?
Kronshage: Das kann man nicht miteinander vergleichen. Vor Ort haben wir im Krankenhaus unterstützt, und hier in Deutschland ist das Unternehmen, für das ich arbeite, auf den Bau von Supermärken spezialisiert. Die Überscheidungen sind minimal.

LWZ: In welchen Bereichen haben Sie in Afrika genau gearbeitet?
Steinmeier: Wir waren vor allem für die allgemeine Elektroinstallation im Krankenhaus sowie für die Wartung und Reparatur der medizinischen Geräte zuständig. Die eingeschränkten Ressourcen vor Ort machten unsere Arbeit oft zu einer Herausforderung, aber es gelang uns, häufig mit improvisierten Mitteln die Aufgaben erfolgreich durchzuführen.

LWZ: Was haben Sie nach Feierabend unternommen? Konnten Sie etwas mehr vom Land sehen?
Kronshage: In der Zeit, in der wir dort gearbeitet haben, haben wir nach einem sehr langen Arbeitstag nur geduscht, gegessen und uns über den vergangenen Tag ausgetauscht. Die Gespräche waren sehr interessant und es tat gut, Feedback von den anderen Mitarbeitern vor Ort zu bekommen. Die letzten drei Tage waren wir am Malawisee und konnten uns etwas entspannen und die Eindrücke der vergangenen Wochen verarbeiten.

Marcel Kronshage an seinem Arbeitsplatz in Tansania. Foto: Privat

LWZ: Wie sah der Kontakt zu den anderen Arbeitern und zu den Einheimischen darüber hinaus aus?
Kronshage: Es ist schwer in Worte zu fassen, wie viel die Unterstützung für die Menschen vor Ort bedeutet. Sie sind unglaublich dankbar und nehmen jede Hilfe mit großer Offenheit an. Gleichzeitig sind sie sehr wissbegierig und bemüht, das Gelernte langfristig selbstständig anzuwenden. Besonders mit dem lokalen Techniker Raffael konnten wir immer wieder Wissen und praktisches Know-how austauschen.
Es ist beeindruckend, wie kreativ und einfallsreich er mit den begrenzten Ressourcen umgeht. Trotz der schwierigen Bedingungen, wie den häufigen Stromausfällen und den damit verbundenen Schäden an Geräten, finden sie Wege, um den Betrieb, etwa mit Dieselgeneratoren, aufrechtzuerhalten. Davor kann man nur den Hut ziehen.

LWZ: Was nehmen Sie aus der Arbeit in Tansania für Ihre Arbeit oder auch Ihren Alltag in Lippe mit?
Steinmeier: Vor allem das Improvisieren. Zwar hatte ich auch hier in Deutschland schon Situationen, in denen ich improvisieren musste, aber nicht auf diesem Level. Materialien sind immer knapp, und es muss jeder Cent umgedreht werden. Außerdem nehme ich mit, ob es wirklich sein muss, immer alles zweimal zu bestellen, oder ob man nicht an Ressourcen sparen kann. Auf der anderen Seite bin ich dankbar, dass wir in Deutschland Normen und strengere Vorschriften haben.

LWZ: Was war das beeindruckendste Erlebnis?
Kronshage: Es war toll zu sehen, wie die Hilfe ankommt und, dass sie tatsächlich etwas bewirkt. Besonders berührend war die enge Bindung, die sich innerhalb kurzer Zeit zu den Menschen im Krankenhaus entwickelt hat. Damit hätte ich am Anfang nicht gerechnet – wie schnell man sich emotional mit dem sozialen Umfeld verbindet. Das war wirklich eine außergewöhnliche und bewegende Erfahrung für mich.
Steinmeier: Was mich tief berührt hat, ist die Art, wie die Menschen vor Ort mit ihrer Lebenssituation umgehen. Es wird immer das Beste aus der Situation gemacht, trotz teils sehr schwerer Erkrankungen oder Verletzungen und wenig Geld, machen sie immer weiter.
Vor der Arbeit des Ärzteteams und allen Mitarbeitern, die vor Ort im Einsatz sind, kann ich nur meinen Hut ziehen. Es ist beeindruckend, was sie in den vergangenen Jahren erreicht haben. Sie sind mit so viel Herzblut dabei und kein Hindernis scheint zu groß. Da werde ich mein Leben lang dran denken.


Das Gespräch führte Yves Brummel