Lage. In Zeitungskreisen gibt es die Klage, dass junge Leute null Bock auf Zeitung haben und sich nur noch mit dem Smartphone informieren. Das stimmt allem Anschein nach sogar, und vielen Verlagen steht das Wasser bis zum Hals.
Selbst schuld: Kümmern sie sich auch ausreichend um den Nachwuchs in ihrer Leserschaft? Tatsächlich kann man damit schon ganz früh anfangen: im Grundschulalter. Die Landesmedienanstalt NRW (LfM) empfiehlt in einer neuen empirischen Studie sogar „die Förderung von Medienkompetenz im Kindergarten“: „Medienerziehung muss dabei als eine erzieherische Aufgabe nicht allein von Eltern, sondern auch von Kindergärten und -tageseinrichtungen wahrgenommen werden.“
Das lässt sich am besten praktisch bewerkstelligen, indem Kinder dort produktiv werden, wo sie sonst nur passiv konsumieren. Da bietet sich „Zeitung machen“ doch geradezu an: vor allem mit der LIPPISCHEN WOCHENZEITUNG, die regelmäßig alle Haushalte in Lage erreicht.
Sollen wir uns bewerben?
Das hat sich die Kinderschutzbund-Crew im Haus „Blauer Elefant“ an der Lemgoer Straße gefragt und die Leitern Anna-Lena Beermann ermutigt, sich bei der Landesanstalt NRW um die Förderung des interessanten Medien-Projektes zu bewerben, das nun über mehrere Jahre läuft.
Das Haus „Blauer Elefant“ bekam den Zuschlag. Anna-Lena Beermann hat mich daraufhin angesprochen, weil ich ihr als Journalist und ehemaliger Lehrer prädestiniert erscheine. Anfangs hatte ich Zweifel: Zeitungsarbeit in der Grundschule, wie soll das gehen? Ich kannte das Projekt „Zeitung in der Schule“ (Zisch), das sich stets eher an Oberstufenschüler richtet. Doch meine Skepsis verflog schnell: Schon allein deshalb, weil ich die Begeisterung der Kinder für das Ungewöhnliche im Alltag erlebte.
Erste Gehversuche mit dem Fotoapparat
Im „Blauen Elefanten“ lernen die Kids die Zeitung kennen und machen erste journalistische Versuche im Schreiben und Fotografieren. Natürlich darf man da keine Perfektion erwarten. Aber es ist schon erstaunlich, was für eine steile Lernkurve sie hinlegen, wenn man sie begeistern kann für das Motto: „Früh übt sich, wer später schön schreiben will.“
Die Kinder haben schnell verstanden, was ein gutes Foto ausmacht. Beim Texten tun sie sich schwerer. Formulieren geht in dem Alter nicht ohne ausreichende Hilfe. Als wichtiger und nützlicher Assistent hat sich dabei der KI-Bot „ChatGPT“ erwiesen. Er verwandelt den fehlerhaften und unvollkommenen Ausgangspunkt in perfekt formulierte Geschichten, in denen die Kinder trotzdem ihre Ideen wiederfinden können.
Gewissenhaft überprüfen sie, ob der Bot ihre Vorgaben auch tatsächlich berücksichtigt und ihre Ansprüche erfüllt: Was lässt er weg, was baut er aus? Tatsächlich stürzt er sich auf die fantastischen Elemente, auf das Erzählerische, und klebt nicht sklavisch an den Fakten. Genau wie die kindliche Fantasie.
Motivation statt Perfektion
Die Kids sind mit dem Gemeinschaftsprodukt von natürlicher und künstlicher Intelligenz sehr zufrieden und äußern Lust auf mehr. Xenia schreibt ins Gästebuch: „und ich bin xenia und ich weiß das es nich vorbei ist und ich freue mich auf den rest der arbeit und ja ich hoffe wir machen für euch noch mehr und ja es war aber trozdem weiter und ja jetz sage ich erst mal tscheu kao“
Etwa die Hälfte der Kinder ist von dem anfänglichen Dutzend nach zehn Wochen Training übrig geblieben und bleibt motiviert, obwohl sich die journalistische Arbeit längst schon wie Schule nach der Schule anfühlt. Lernen obendrauf auf die Hausaufgaben. Und trotzdem erleben sie die Aufgabe anders. Vor allem deshalb, weil sie wissen, dass hinterher andere ihre Produkte genießen und begutachten werden.
Bald steht die Kunst des Interviews auf dem Programm, und von da geht es zum Audio-Take. Am Ende könnten die Jung-Journalisten bei der Produktion von Videoclips landen und haben damit wesentliche Medien-Genres kennengelernt.
Als „Zeitungsmacher“ in spe fallen sie nicht mehr so leicht auf Verschwörungs-Erzählungen über die „Lügenpresse“ herein. Denn sie haben am eigenen Leib erfahren, dass nur Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Leserorientierung zu einem guten Produkt führen.