Emmi aus Detmold leidet an NCL: Mutter Janina gibt Kampf gegen tödliche Krankheit nicht auf

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Mutter Janina Cailloud hat ihr „Tagesziel“ erreicht, wenn sie die todkranke Tochter Emmi einmal am Tag zum Lachen bringt. (Fotos: Hajo Gärtner)

Kreis Lippe/Detmold-Pivitsheide. NCL ist als „Kinder-Demenz“ eine heimtückische und tödliche Krankheit. Nur die Liebe der Familie macht Betroffenen das Schicksal erträglich. Mutter Janina Cailloud aus Pivitsheide gibt die Hoffnung trotz schrecklicher Prognose nicht auf. NCL-Stiftungs-Sprecherin Nadja Bachmann setzt auf Fortschritte in der medizinischen Forschung. 

Dass Menschen im späten Leben vergesslich werden, nehmen wir hin. Wenn sie im hohen Alter an Demenz erkranken, erscheint uns das als unvermeidliches Schicksal. Die wenigsten wissen, dass diese heimtückische Krankheit auch Kinder befallen kann und von Ärzten selten erkannt wird, weil sie eben so selten auftritt.

Um auf die Belange der von eben diesen seltenen Erkrankungen Betroffenen aufmerksam zu machen, wurde am 29. Februar 2008 von Eurodis, einer nicht-staatlichen patientengesteuerten Allianz von Patientenorganisationen, der Tag der seltenen Krankheiten ins Leben gerufen. Das Datum wurde bewusst auf den seltensten Tag des Jahres gelegt – den nur alle vier Jahre auftretenden Schalttag. In Jahren ohne Schalttag, wie auch 2025, findet der Tag der seltenen Krankheiten am 28. Februar statt.

Emmi (12) aus Pivitsheide ist davon betroffen. In der Grundschule konnte sie plötzlich nicht mehr klar sehen, was die Lehrerin an die Tafel schrieb. Mutter Janina vermutete eine Sehschwäche, aber der Augenarzt konnte nicht helfen. Und dann kam eine zunehmende Vergesslichkeit dazu, bis Emmi ihre Mutter nach dem Namen ihrer Freundin fragen musste.

Sechs Jahre alt war Emmi, als sie ihren ersten epileptischen Anfall erlebte. Die Ärzte diagnostizierten Epilepsie und behandelten das Mädchen mit den entsprechenden Medikamenten. Die Sehschwäche steigerte sich dermaßen, dass Emmi einen Heißluft-Ballon nicht sah, der nahe dem elterlichen Garten gelandet war und das Entzücken aller Freundinnen auslöste. Außerdem konnte sie ihre Bewegungen zunehmend schlechter koordinieren.

Emmi wirkt wie ein ausgelassener und lebenslustiger Teenager. Aber viel Leben hält die Zukunft nicht für sie bereit.

Nun begann für Mutter Janina eine Odyssee durch deutsche Krankenhäuser und Spezialkliniken. Doch alle Ärzte und Fachleute tappten jahrelang im Dunkeln, bis sich die Diagnose herausschälte: „Neuronale Ceroid Lipofuszinose“ (NCL), auch „Kinder-Demenz“ genannt.  Eine seltene Krankheit, die aber unter bestimmten Umständen geradezu zwingend auftritt. Und zwar bei 25 Prozent der Kinder, die von beiden Eltern eine genetisch bedingte, neurodegenerative Disposition „ererbt“ haben.

Eine heimtückische Krankheit, die schleichend auftritt und tödlich endet. Rund 700 Kinder sind in Deutschland an NCL erkrankt, weltweit rund 70.000. In Deutschland kommen jedes Jahr 20 weitere Kinder dazu. Ursache: Eine bislang unbehandelbare „Ablagerung von krankhaftem Lipouszin“ in den Körperzellen, die zum massiven Absterben von Nervenzellen führt und die eben auch im besonders empfindlichen Gehirn irreparable Schäden anrichtet.

Mit der Diagnose bekommen Familien ein Todesurteil ins Haus. Nur wenige betroffene Kinder erreichen nach bisherigen Erfahrungen das 30. Lebensjahr. Viele sterben sehr viel früher. Da jeweils unterschiedliche Gene betroffen sind, erscheint es derzeit kaum möglich, ein Medikament für alle zwölf Formen von NCL zu entwickeln.

Trotzdem gibt Emmis Mutter Janina nicht auf. Zurzeit setzt sie alle Hoffnung in ein „Off label“-Medikament, das aus dem Kampf gegen eine andere Krankheit stammt, aber vielleicht auch bei der NCL3-Variante ihrer Tochter Wirkung zeigt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Nadja Bachmann von der NCL-Stiftung hofft, dass die Forschung irgendwann die Tür auf bekommt wie bei anderen tückischen Krankheiten, die davor als unheilbar galten. Sie nimmt sogar an, dass die systematische Untersuchung der Kinder-Demenz sich auch positiv auf den Kampf gegen Altersdemenz auswirken könnte. „Die Stiftung braucht Geld, um die Forschung voranzutreiben“, sagt sie im Gespräch mit der LWZ.

Prominente TV-Gesichter des „Münster-Krimis“ aus der „Tatort“-Reihe: Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers). Gemeinsam machen sie sich auch für die NCL-Stiftung stark.

Der bekannte „Tatort“-Kommissar Boerne alias Jan Josef Liefers ist prominenter Schirmherr der Stiftung. „Ich wünsche mir von Herzen, dass es für Kinder mit NCL bald eine Heilung gibt“, sagt er im Gespräch mit der LWZ. Er hat sich spontan zur Schirmherrschaft entschlossen, als er einem an NCL-erkrankten Kind begegnet ist.

Und wie geht Emmis Familie damit um? Die jüngeren Geschwister kennen den Ernst der Lage nicht in vollem Umfang. Aber sie basteln Freundschaftsbändchen und veranstalten Flohmärkte, um Geld für die NCL-Forschung einzuwerben. „Mein Ziel ist, dass Emmi wenigstens ein Mal am Tag kräftig lacht“, sagt Mutter Janina. Das emotionale Band zur Tochter ist unvorstellbar stark, und sie genießt jeden Tag, an dem sie ihre Tochter durch die Vergesslichkeit hindurch noch erreicht. „Ich fürchte mich vor dem Augenblick, da Emmi mich nicht mehr erkennt“, sagt sie mit Wasser in den Augen und tränenerstickter Stimme.

Wer etwas für die betroffenen Kinder und ihre Familien tun möchte, kann dies auf der Internetseite der NCL-Stiftung oder per E-Mail verwirklichen.