Kreis Lippe/Detmold. „Es ist besonders, wie viel Herzblut in diesem Verein steckt! Für mich ist es ein Kontrastprogramm zur heutigen Gesellschaft – hier geht es um Entschleunigung sowie den Fokus auf das, was wirklich wichtig ist: den Menschen“, erklärt Ilse Böinghoff, Vorsitzende des Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst Lippe e. V., sichtlich gerührt.
In der für Patienten und Angehörige schweren Zeit des Sterbens, möchte der Verein unterstützen und beistehen sowie dazu beitragen, die letzte Lebensphase so würdevoll und schmerzfrei wie möglich zu gestalten.
Zu den primären Aufgaben des Dienstes zählen unter anderem die Zeit für Gespräche, Vorlesen oder andere Aktivitäten, Anwesenheit zur Entlastung der Angehörigen, palliative sowie ethische Beratung, Unterstützung für Trauernde jeden Alters – zum Beispiel durch Trauercafés oder -gruppen – sowie das Informieren über die Patientenverfügung.
Der erste Kontakt erfolge meist über die Koordinatorinnen, aber auch über die Partner des Palliativnetzes Lippe. Alle Angebote des Vereins seien kostenfrei: Während Begleitungen von den Krankenkassen gefördert werden, finanzieren sich weitere Angebote durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Neben der finanziellen Unterstützung, zum Beispiel durch eine Mitgliedschaft, könne jeder den Verein auch durch das Hinweisen auf die Hospizbewegung im Bekanntenkreis oder die aktive Mitarbeit im Verein, unterstützen.
Selbstfürsorge als Grundlage für gute Begleitung
So unterschiedlich wie die Personen, die begleitet werden, so verschieden seien auch die Begleiter selbst, die passend den Betroffenen zugeteilt werden. Momentan könne der Verein auf 176 Freiwillige zählen, von denen 136 in der Sterbebegleitung aktiv seien und Betroffene zum Beispiel zu Hause, auf der Palliativstation oder im Heim besuchen.
„Ohne sie ginge es nicht“, ist sich die geschäftsführende Koordinatorin des Vereins, Manuela Vicky Sieker, sicher und freut sich gleichzeitig über die hohe Anzahl der Aktiven. Die Ehrenamtlichen gehören verschiedenen Alters- und Berufsgruppen an und bereiten sich durch die Teilnahme des Grundkurses „Leben begleiten bis zuletzt“ auf die Tätigkeit vor.
„Aktuell haben wir viele Anfragen, was sehr schön ist – es scheint ein Thema der Zeit zu sein“, gibt Sieker dankbar an. Zudem sei das Belegen von Vertiefungskursen, zum Beispiel im Bereich der Kommunikation ohne Worte, möglich. Böinghoff freut sich, dass viele Ehrenamtliche bereits seit 30 Jahren mit viel Herzblut im Verein tätig seien. Sie ergänzt: „Die Begleiter geben anderen nicht nur etwas, sondern bekommen auch selbst viel zurück.“
Um mit den emotionalen Belastungen umgehen zu können, bekommen auch die Ehrenamtlichen Unterstützung – sowohl durch den regelmäßigen Austausch untereinander, als auch in Supervisorgruppen, in denen externe, hauptamtliche Koordinatoren unterstützend agieren. Es sei wichtig, dass niemand mit der Belastung alleine sei, sowie, dass Selbstsorge betrieben werde. Böinghoff erläutert: „Nur wer gut für sich selbst sorgen kann, kann auch gut für andere sorgen.“
30 Jahre Engagement mit Herz
Nun das 30-jährige Jubiläum des Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst Lippe feiern zu können, habe für alle Beteiligten eine große Bedeutung, wie die Vorsitzende verrät: „Ich bin seit 30 Jahren dabei und es erfüllt mich mit Stolz, was wir in dieser Zeit alles bewegt und erreicht haben.“
Damals sei die Haltung, dass man für Betroffene da sei und sich nach ihren Bedürfnissen richte, nicht selbstverständlich gewesen – heute hoffentlich schon. Böinghoff erläutert: „Die Gründerpioniere haben in einem kleinen Beratungsbüro angefangen, kämpften gegen massive Widerstände und wurden auf dem Marktplatz beschimpft – damals wollte noch niemand über Themen wie Trauer und Tod sprechen.“
Die Weiterentwicklung von ursprünglich zwölf bis zu aktuell fast 1.000 Mitgliedern und der Entstehung verschiedener Standorte in ganz Lippe sowie eines bunten Blumenstraußes an Angeboten sei beachtlich. „Bei all den Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten sind wir vor allem auch stolz darauf, was wir beibehalten haben: Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und uns für Betroffene mit viel Achtsamkeit einzusetzen“, stellt die Vorsitzende des Diensts heraus.
Auch ihre Kollegin verdeutlicht: „Es ist wichtig, sich dessen immer wieder bewusst zu werden – vor allem auch, da wir viele formale Anforderungen erfüllen müssen, deren Ressourcen wir eigentlich für unsere Kernarbeit benötigen – bei aller Bewegung ist es wichtig, den Fokus nicht zu verlieren.“
Etwas, was sich mit der Zeit verändert habe, sei die zumindest teilweise Enttabuisierung der Sterbebegleitung. „Es ist schon besser geworden, trotzdem ist es wichtig dafür zu sorgen, dass es noch weniger als Tabu angesehen wird. Das ist auch der Auftrag des Hospizdiensts: Das Thema Tod in die Gesellschaft zu bringen – dafür ist auch die Jubiläumswoche gedacht“, gibt Böinghoff an.
Jubiläumsfeier vom 18. bis 22. Mai
Auch wenn das eigentliche Gründungsdatum des Vereins der 2. Mai sei, feiert er sein Jubiläum mit kostenlosen und für jeden zugänglichen Veranstaltungen vom 18. bis 22. Mai.
Das Programm sei so bunt und vielfältig wie die Menschen, die begleitet werden und beinhalte zum Beispiel die Veranstaltungen „Letzte Lieder“ (18. Mai, 19 Uhr, Stadthalle Detmold), in der Stefan Weiller von der Musik des Lebens Sterbender erzähle, und den Kinoabend „Herrlichkeit des Augenblicks“ (19. Mai, 20 Uhr, Hansa Kino Lage), bei dem ein eindrucksvoller Film über Liebe, Vergänglichkeit sowie das Glück des Augenblicks gezeigt werde.
Ein weiteres Highlight stelle auch die vom 14. bis 30. Mai im Detmolder Sommertheater stattfindende Ausstellung im Rahmen der Kinderhospizarbeit dar. In dem berührenden Fotoprojekt seien Fotos von Händen der Ehrenamtlichen mit denen der Kinder, die sie begleiten, zu sehen. Zudem haben die Ehrenamtlichen passende Texte verfasst, die ebenfalls zu lesen seien.
Um die Ausstellung anschauen zu können, kann Kontakt zum Sommertheater aufgenommen werden. „Wir möchten mit diesem Projekt auf die Kinderhospizarbeit hinweisen, die noch weniger Aufmerksamkeit erfährt“, erklärt Sieker. „Aktuell begleiten wir 13 Familien – oftmals kann unsere Unterstützung in solchen Fällen schon ab Diagnosestellung greifen und über sehr viele Jahre andauern.“
„Keine falsche Scheu“
Das Jubiläum gebe jedoch nicht nur Anlass, stolz zurück, sondern auch hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. „Ich wünsche mir, dass sich die Haltung zu helfen und den Menschen in den Vordergrund zu stellen, immer weiter durchsetzt – nicht nur im Rahmen der Sterbe- und Trauerbegleitung, sondern auch generell“, bringt Böinghoff an.
Sieker ergänzt: „Wir wünschen uns außerdem, dass das Thema sowie die Tatsache, dass es uns gibt, möglichst früh in den Köpfen aller verankert werden.“ Oftmals werde der Dienst erst so spät kontaktiert, dass ein richtiger Kontaktaufbau kaum noch möglich sei. „Wir möchten an vielen Stellen noch präsenter sein und Klarheit über unsere Angebote schaffen“, ergänzt die geschäftsführende Koordinatorin.
„Wir haben in Lippe ein fantastisches und gut funktionierendes Palliativnetz, zu irgendjemandem muss aber der Kontakt aufgenommen werden. Für viele Angehörige ist das schwierig, weil sie sich selbst nicht damit auseinandersetzen möchten.“ Außerdem möchten die beiden Mitarbeiterinnen des Vereins erreichen, dass sich Betroffene keine Gedanken machen, ob der Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst Lippe die richtige Anlaufstelle für ihre Anliegen sei – im Zweifel könne dieser die richtigen Kontakte vermitteln.
„Es ist wichtig, dass jeder weiß, dass wir ein niedrigschwelliges, kostenfreies Angebot sind, welches wie gelebte Nachbarschaftshilfe angesehen werden kann.“ Sieker wendet sich abschließend an alle – potenziellen – Betroffenen: „Nehmt einfach Kontakt auf!“